12.59

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Vertre­terinnen und Vertreter der Regierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherIn­nen zu Hause und hier auf der Galerie! Wir erleben eine Zeitenwende, in der wir es mit mehreren Krisen gleichzeitig zu tun haben. (Ruf bei der FPÖ: Die Abschiedsrede!) Ein Krieg mitten in Europa, der nicht nur eine humanitäre Katastrophe darstellt, sondern uns auch die schmerzhaften Folgen unserer großen Abhängigkeit von russischem Gas vor Augen führt.

Auf die verheerenden Auswirkungen, die diese verfehlte Energiepolitik der letzten Jahr­zehnte auf unser Klima hat, haben wir Grüne schon lange hingewiesen; und auch wenn der Ernst der Lage aus ökologischer Sicht noch nicht von allen hier anwesenden Abge­ordneten wahrgenommen wird, in einem sind wir uns wohl spätestens heute einig: Die direkte Auswirkung der Energiekrise auf die massive Teuerung ist nicht zu leugnen. Diese Situation erfordert entschiedenes Handeln, sie erfordert rasches Handeln und sie erfordert weitblickendes Handeln – und all das macht die Bundesregierung mit diesem riesigen Entlastungspaket, das wir heute in ersten Teilen beschließen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir stellen in den nächsten Jahren nicht weniger als 28 Milliarden Euro zur Verfügung, damit den Menschen in diesem Land mehr zum Leben bleibt – und wir müssen auch in diesen großen Maßstäben denken, planen und handeln, denn wir werden die Folgen der Teuerung in ganz Europa noch länger spüren.

Worum geht es? – Es geht darum, Menschen in Österreich davor zu bewahren, in die Armut abzurutschen und den sozialen Zusammenhalt zu sichern. (Abg. Kickl: Woher kommt die Teuerung? – Abg. Wöginger: ... eurem Freund!) Es geht uns darum, dass die Menschen schnell Geld auf ihren Konten haben und dass sie schnell entlastet wer­den. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Das große Ziel dieses Entlastungspakets ist, dass wir schnell helfen, dass das Geld schnell auf den Konten ist, dass es für die Familien, die von dieser Situation belastet sind, spürbare Beträge sind, und dass wir sinnvolle Maßnahmen setzen – und nicht Maßnahmen, die letztlich ver­puffen und keinen Effekt haben, wie beispielsweise die erwähnte MÖSt-Senkung in Deutschland. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Nicht zuletzt geht es aber auch darum, eine der Hauptursachen der Teuerung in den Griff zu bekommen und an der Wurzel zu packen, und das ist selbstverständlich die massive Abhängigkeit von russischem Gas in Österreich. Warum sind wir denn in dieser Situation? (Ruf bei der FPÖ: Na, wir kaufen ...!) – Wir sind in dieser Situation, weil die Regierungen der Vergangenheit unter der Sozialdemokratie und sozialdemokratischen Kanzlern (Zwischenruf bei der SPÖ – Vizekanzler Kogler: Wohl!), unter der ÖVP und auch unter heftiger Beteiligung der Freiheitlichen die Abhängigkeit von Putin weiter ver­schärft haben.

Herr Kickl, wenn Sie sich hierherstellen: Jemand, der bei Putin auf dem Schoß sitzt, braucht sicher nicht über andere zu lästern (Abg. Deimek: So ein Blödsinn ... im Parla­ment! Pure Unterstellung! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen), dass sie an­geblich an irgendwelchen Rockzipfeln hängen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der ÖVP. – Ruf bei der FPÖ: Die Frau Glawischnig ... Schoß ... Putin! – Weitere Zwischenrufe der Abgeordneten Rauch, Steger und Kickl. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Sie waren die Selfiejäger, die vor dem Kreml gestanden sind, Sie sind diejenigen, die sich auch gegenwärtig weigern, ein klares Wort auszusprechen, was diesen Krieg eines skrupellosen Aggressors Putin betrifft. Sie betreiben Verharmlosung (Zwischenrufe bei der FPÖ) und würden am liebsten diese Politik immer noch weiterfüh­ren (Präsident Sobotka gibt neuerlich das Glockenzeichen) und die österreichische Be­völkerung noch weiter in die Abhängigkeit treiben, statt daran zu arbeiten, was die Lö­sung ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Und was ist denn die Lösung? (Abg. Kickl: Eine neue Abhängigkeit, das ist die Lö­sung!) – Heute geht es um ein Entlastungspaket, aber selbstverständlich müssen wir auch an dieser Wurzel arbeiten und wir müssen raus aus russischem Öl und Gas. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Ruf: Genau! Viel mehr russisches Öl ...! – Abg. Deimek: Das finde ich auch, aber ihr seid die Vorreiter!) Dementsprechend ist auch das Erneuerbare-Wärme-Gesetz, bei dem es darum geht, dass wir nicht, wie ursprünglich geplant, ab 2025, sondern schon ab 2023 keine neuen Gasheizungen in Neubauten einbauen, ein Teil dieses Pakets. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Kickl und Deimek.)

Es ist schlichtweg verantwortungslos, heute einer Familie einzureden (Abg. Kickl: Zen­tral gesteuerte Planwirtschaft, was ihr da macht! Ökokommunisten ...!), es wäre eine gu­te Idee (Zwischenruf der Abg. Steger), noch einmal eine Gasheizung in ein neues Haus einzubauen. (Abg. Hafenecker: ... totalitär ...!) Damit treibt man die Familien in die wei­tere Abhängigkeit von Putin und natürlich auch in die weitere Situation mit entsprechend hoher Teuerung (Abg. Kickl: Wo kommen Ihre Solarpanele her?) und Unsicherheit und einer hohen Belastung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Hafenecker: ... Ökomarxismus! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Was machen wir nun mit diesem Paket? Die Punkte sind schon genannt worden, aber ich möchte da schon ein bisschen darauf eingehen, was hier so an Anwürfen kommt. Wir erinnern uns an eine Sozialministerin der Freiheitlichen, die geglaubt hat, man könn­te von 150 Euro leben. Es ist ein bisschen lächerlich, dass Sie sich nun hierherstellen (Abg. Deimek: Nein, wir leben von russischem Uran!) und so tun, als wären die 28 Mil­liarden Euro, die wir in die Hand nehmen – davon sind 5 Milliarden Euro Geld, das sofort, ab August, auf den Konten der Familien ankommt –, als wäre das nichts. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Deimek: Fahren Sie einmal mit der Straßenbahn!) Die zusätzliche Familienbeihilfe von 180 Euro ist mehr Geld als das, wo­rüber die FPÖ-Sozialministerin mit ihren 150 Euro geglaubt hat, dass jemand davon le­ben kann. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Kickl: Aber damals war das Geld noch mehr wert!)

Wenn die Parteivorsitzende der SPÖ kritisiert, es würde nichts für die Alleinerzieherinnen getan, habe ich da ein Rechenbeispiel: Eine Alleinerzieherin mit zwei Kindern, Einkom­men 2 000 Euro brutto, was bekommt die? – Die bekommt im Oktober 1 000 Euro Klima­bonus, sie bekommt im August 360 Euro Familienbeihilfe, sie bekommt 375 Euro Teue­rungsabsetzbetrag und 400 Euro Kindermehrbetrag, das sind 2 135 Euro Entlastung (Abg. Deimek: Da muss die Alleinerzieherin aber ein Kind über 18 haben! – Abg. Sieber: Zusätzlich ... zusätzlich!) – 2 135 Euro! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn sich die SPÖ da herstellt, sich darüber lustig macht und sagt, das ist nichts, dann muss ich fragen: Na, was hat denn die ehemalige Frauenministerin Pamela Rendi-Wag­ner in ihrer Zeit als Frauenministerin für die Alleinerziehenden getan? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Es sind wir Grüne, die gemeinsam in dieser Bundesregierung durchgesetzt haben, dass wir das Frauenbudget deutlich erhöht ha­ben – und auch die 300 Euro, die wir nun im September an die besonders Bedürftigen ausschütten, sind Geld, das selbstverständlich auch wieder primär bei denen ankommt, die es am allerdringendsten brauchen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Frau Rendi-Wagner hat außerdem gemeint, wir sollten einen Mietpreisdeckel einführen. Da muss man ja sagen: Okay, wie ist das denn in Wien, wo die Stadt Wien 200 000 Woh­nungen in direktem Besitz und in der direkten Verwaltung der Stadt hat? Die SPÖ regiert in Wien, da leben 500 000 Menschen. Pamela Rendi-Wagner fordert da einen Preisde­ckel. Na, was hat denn die Stadt Wien getan? (Ruf bei der ÖVP: Kein Preisdeckel! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Kein Preisdeckel. Also dort, wo Sie verantwortlich sind, dort erfüllen Sie das nicht, was Sie von uns fordern. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Kollross.)

Genauso gelten natürlich die restlichen Maßnahmen. (Abg. Deimek: Wie ist das in Inns­bruck?) Ich verstehe ja, dass dieses Paket in seiner Dimension groß ist, ich verstehe auch, dass es der Job der Opposition ist, zu kritisieren – aber dass Sie nicht einmal bei den Maßnahmen mitstimmen wollen, die Sie selbst seit Jahren fordern, das ist ein biss­chen absurd. Es deutet wohl darauf hin, dass es da nicht darum geht, ernsthaft den Menschen zu helfen, sondern politisches Kleingeld zu schlagen. Wenn Sie von einer Mehrwertsteuersenkung sprechen und gleichzeitig die Auszahlung des Klimabonus, der direkt auf den Konten landet, als Gießkanne verurteilen, dann verstehe ich nicht, wie das gehen soll. (Ruf: Das ist ja das Problem!) Es ist ja bei der Mehrwertsteuersenkung auf die Preise ganz sicher nicht so, dass Sie bei der Kassa fragen, wie viel Einkommen die Personen haben, die da gerade zahlen wollen, und diese dann einen unterschiedlichen Preis bezahlen. Eine Mehrwertsteuersenkung: Das wäre Gießkanne, liebe SPÖ! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wir haben als eines der ersten europäischen Länder bereits im Dezember ein erstes Antiteuerungspaket geschnürt und ein zweites mit entsprechenden Senkungen (Zwi­schenruf bei der FPÖ) der Ökostrompauschale, der Gasabgaben, der Elektrizitätsabga­ben et cetera beschlossen (Zwischenruf des Abg. Deimek); und nun haben wir ein wei­teres riesiges Paket, das insbesondere auch langfristige nachhaltige Maßnahmen bein­haltet – auch jahrelang gefordert unter einem SPÖ-Kanzler, nie zustande gebracht –: die Valorisierung der Sozialleistungen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Holzleitner.) – Ja, da können Sie schon schreien, Kollegin Holzleitner, es ist die Wahrheit. Sie haben rote Kanzler gestellt und haben es nicht zu­stande gebracht (Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen), dass Sozialleistungen valorisiert werden, beispielsweise die Familienbeihilfe. (Abg. Deimek: Ich kann es nicht hören ... geklatscht zu haben!)

Ich muss langsam zum Schluss kommen, weil meine Redezeit leider schon lange aus ist. (Ruf: ... 10 Minuten!) Meine KollegInnen werden Ihnen sicher noch weiter erläutern, was dieses Paket betrifft. Ich glaube, wir sind uns bei allen Differenzen einig: Wir müssen aktiv etwas gegen die Teuerung tun und wir können nicht nur an kleinen Schrauben drehen; dementsprechend legen wir so ein riesiges Paket vor. Wir müssen aber auch an den strukturellen Rahmenbedingungen arbeiten: Raus aus Gas! Dementsprechend in­vestieren wir so viel wie noch nie in den Ausbau der erneuerbaren Energien und küm­mern uns darum, dass wir die Abhängigkeit von Putin, von einem skrupellosen Kriegs­treiber, endlich durchbrechen.

Ich lade alle anderen Fraktionen ein, sich beim Durchlesen der Beschlüsse, die heute hier anstehen, noch einmal zu fragen: Handle ich nun tatsächlich im Sinne der Österrei­cherinnen und Österreicher oder vielleicht aus ein bisschen kleinlichem parteipolitischem Kalkül? Ich würde mich freuen, wenn Sie den Widerstand überwinden und die Maßnah­men, die Sie jahrelang selber gefordert haben, nun endlich mit uns beschließen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.09

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Klubobmann Scherak. – Bitte sehr.