15.41

Bundesminister für Arbeit, betraut mit der Leitung des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Mag. Dr. Martin Kocher: Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher hier auf der Galerie und zu Hause! Ich glaube, ich starte mit einer Analyse dessen, was wir im Moment in dieser Situation eigentlich vor uns haben.

Wir haben in Österreich eine massive importierte Inflation, vor allem die Energiepreise sind massiv gestiegen. Über die Gründe dafür haben wir jetzt sehr ausführlich gespro­chen, aber das ist die Tatsache. An dieser importierten Inflation ist in Österreich niemand schuld (Abg. Hauser: Das stimmt nicht, ...!), die Unternehmen nicht, die ehemalige Wirt­schaftspolitik nicht. Das sind Entscheidungen über den Energiemix, die weiter zurück in der Vergangenheit liegen. – So, das ist die Ausgangssituation.

Das ist eine massive Belastung, auch das ist wichtig festzuhalten, für die Haushalte (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Hauser) – für viele Menschen ganz besonders, für einige ist es glücklicherweise noch nicht ganz so schlimm – und für viele Unternehmen, die energieintensiv sind.

Was braucht es in einer solchen Situation? – Es braucht kurzfristig Maßnahmen, um einen gewissen Ausgleich, eine Abfederung zu schaffen; und, auch entscheidend, es braucht strukturelle Maßnahmen, die unsere Sozial- und Steuersysteme inflationssicher machen. Das Paket, das es heute gibt, das heute besprochen wird, macht beides: Sofort­maßnahmen und strukturelle Maßnahmen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Es braucht ebenfalls – das wurde gleichfalls kurz erwähnt, vielleicht geht das auch oft unter – eine Reaktion der Geldpolitik. Die Geldpolitik ist der Teil der Wirtschaftspolitik, der eingreifen kann, wenn die Preise stark steigen – natürlich nicht allein, aber es braucht natürlich auch Reaktionen in der Geldpolitik.

Was ist das Ziel des Pakets, das heute diskutiert wird? – Erstens möglichst einen Aus­gleich für diejenigen zu schaffen, die ganz besonders betroffen sind: Mindestsicherungs­bezieherinnen und -bezieher, Arbeitslosengeldbezieherinnen und ‑bezieher, Notstand­hilfebezieherinnen und -bezieher, natürlich auch Mindestpensionistinnen und -pensionis­ten und so weiter. Da brauchen wir einen Ausgleich, und man kann nachrechnen: Für die gibt es mit den gesamten Maßnahmen einen Ausgleich.

Für die, die etwas mehr haben, ist eine Abfederung notwendig. Da kann es nicht für alle einen vollständigen Ausgleich geben – das wäre dann tatsächlich die Gießkanne, die hier teilweise auch erwähnt wurde –, es geht um die Abfederung für die Gruppen, die auch betroffen sind, aber etwas mehr als die mit dem geringsten Einkommen haben.

Es gibt ein riesiges Paket. Es gibt die Ökosteuerreform vom letzten Jahr, es gibt ein erstes und ein zweites Entlastungspaket mit wichtigen Maßnahmen, zum Beispiel für Pendlerinnen und Pendler, zum Beispiel bei der Reduktion der Steuern auf Energieträ­ger, und jetzt gibt es ein drittes Paket, das noch einmal insgesamt 28 Milliarden Euro bis 2026 ausmacht. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich gehe jetzt auf die drei Gruppen ein, die in meinem Ressort vertreten werden, nämlich auf die arbeitenden Menschen in Österreich, die Menschen, die arbeitssuchend sind, und natürlich auch auf die Unternehmen.

Was gibt es für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer? – Über die Steuerentlastung wurde schon gesprochen: Abschaffung der kalten Progression, zusätzliche Entlastungen im Bereich der Besteuerung über Absetzbeträge, negativsteuerfähig im Familienbereich, all das wurde angesprochen.

Ganz wichtig ist für mich auch, dass wir die 3 000-Euro-Prämie lohnsteuer- und abga­benfrei auszahlen können; 1 000 Euro davon sind an Kollektivverträge gebunden, der Rest ist für die Unternehmen frei verfügbar. Ich glaube, dass das tatsächlich eine Mög­lichkeit ist, das Netto vom Brutto zu erhöhen und damit etwas Druck aus der sehr schwie­rigen Situation zu nehmen.

Zweiter Punkt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer: Senkung der Lohnnebenkos­ten. Auch das kommt den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern indirekt zugute.

Der dritte Punkt ist natürlich die Abschaffung der kalten Progression. Da gibt es die kluge Lösung, ausgewogen zwei Drittel automatisch zu machen und ein Drittel über einen Spielraum, den die Politik hat, aber mit der Verpflichtung – so wird es im Gesetz drinnen stehen – das auch rückzuerstatten.

Für die besonders Betroffenen gibt es Einmalzahlungen. Auch das ist, glaube ich, wich­tig, weil immer genannt wird: 300 Euro für besonders Betroffene, zum Beispiel Arbeitslo­sengeldbezieherinnen und -bezieher, Notstandshilfebezieherinnen und ‑bezieher und die Mindestsicherungsbezieherinnen und -bezieher. Das ist zusätzlich zu anderen Maß­nahmen, es sind also nicht nur 300 Euro alleine. Es gibt ja eine Reihe von anderen Maß­nahmen, von denen diese Gruppen auch profitieren; da sie aber besonders betroffen sind, gibt es für sie noch 300 Euro zusätzlich.

Dann gibt es die Wirtschaft, die Unternehmen. Es gibt Unternehmen in Österreich, die energieintensiver sind. Die Industrien sind bekannt: Zement-, Glas-, Stahlerzeugung und ähnliche Bereiche. Diese Unternehmen müssen jetzt um ein Vielfaches höhere Energie­preise bezahlen als früher. Sie müssen aber auch um ein Vielfaches höhere Energie­preise bezahlen als zum Beispiel Bewerberinnen und Bewerber, Mitbewerberinnen und Mitbewerber in den USA, in Indien oder in anderen Teilen der Welt.

Deshalb geht es um Wettbewerbsfähigkeit, und deshalb gibt es da zwei Maßnahmen: Erstens gibt es für die ganz Großen die Strompreiskompensation, das ist eine Kompen­sation für gestiegene Kosten von Zertifikaten; das haben Deutschland, die Tschechische Republik, Frankreich und Italien schon eingeführt, wir ziehen nach. Zweitens gibt es für die kleineren Unternehmen, die energieintensiv sind, die Direktzuwendungen, den Di­rektzuschuss; das sind noch einmal bis zu 500 Millionen Euro, die wir da zur Verteilung bringen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich möchte gar nicht sagen, dass die Vorschläge der Opposition völlig falsch sind, ich glaube aber, dass wir mit diesem Paket – und ich versuche, es noch einmal zu erklären – dort ansetzen, wo es den größten Hebel gibt.

Was wären die Alternativen gewesen? – Die Alternative ist, wie schon öfters genannt wurde, ein Preisdeckel. Preisdeckel, wenn man das nicht begleitet, haben aber ihre Ne­benwirkungen, das ist ganz klar, wir wissen das auch. Es gibt leider nur mehr ganz we­nige hier im Hohen Haus, die das vielleicht in den Siebziger- und Achtzigerjahren erlebt haben: Wenn der Preisdeckel auf zum Beispiel Benzin eingeführt wird, dann gibt es lange Schlangen an den Tankstellen, weil es einfach weniger Angebot an Treibstoff gibt. Das will, glaube ich, niemand hier im Haus. Das hat auch niemand in der Europäischen Union gemacht. (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Ja, das hat aber auch nicht funktioniert. Was gemacht wurde, war, dass zum Beispiel in Spanien und in Portugal die Differenz zwischen dem Großhandelspreis und dem Einzelhandelspreis für Gas staatlich subven­tioniert wurde. Damit gibt es keine Probleme bei der Versorgung, weil die Angebotsmen­ge gleich bleibt, und der Staat zahlt die Differenz.

Nun wissen wir aber natürlich, dass bei solchen Maßnahmen die Großverbraucher bei Weitem mehr profitieren als die, die wenig verbrauchen. Das gilt beim Mineralöl, weil Leute, die reicher sind oder mehr Einkommen haben, natürlich mehr Auto fahren als Leute, die wenig Einkommen haben. Das gilt für Gas natürlich auch, das gilt für alle diese Bereiche. Das heißt, eine Preisobergrenze führt zu einer Subventionierung, die bei Wei­tem weniger sozial treffsicher ist als das Paket, das wir hier vorlegen, und das kann man auch ganz leicht nachvollziehen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich sage ja nicht, dass es falsch ist, ich sage nur, dass die soziale Treffsicherheit ein ganz wichtiger Faktor war, der dazu geführt hat, dass wir diese Preisdeckel im Moment nicht großflächig eingesetzt haben. Man kann sich das ja immer anschauen.

Natürlich wird weiterhin, und dafür werde ich mich auch einsetzen, darauf geschaut, dass es da keine unerlaubten oder unberechtigten Preisentwicklungen gibt – dafür gibt es die unabhängige Wettbewerbsbehörde, die darauf schaut, die auch in gewissen Bereichen prüft, die gerade sehr relevant sind –, und es geht darum, dass wir auch in anderen Bereichen schauen, dass zum Beispiel Steuersenkungen weitergegeben werden.

Ein anderer Vorschlag war einfach eine Steuersenkung, zum Beispiel auf Mineralölpro­dukte – Mineralölsteuer oder Mehrwertsteuer. Wir haben in Deutschland gesehen: Inner­halb von 20 Tagen wurde eine Reduktion des Preises von Benzin um über 30 Cent wie­der ausgeglichen. Das heißt, das hat nicht funktioniert. Wenn wir uns das für die Lebens­mittel, für die Grundnahrungsmittel anschauen: Ich verstehe die Intention, dass man ver­sucht, die Preise dafür tief zu halten, so tief es geht, aber eine Abschaffung der 10-pro­zentigen Besteuerung von Grundnahrungsmitteln wäre, wenn man es sich ausrechnet, für praktisch alle ein geringerer Betrag als das, was jetzt in diesem Paket allein als Ein­malzahlung an die vulnerablen Gruppen geht. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeord­neten Neßler und Jakob Schwarz.)

Ich glaube also, dass angesichts der Größe dieses Pakets natürlich immer Bestandteile enthalten sind, über die man diskutieren kann, über die es unterschiedliche Sichtweisen gibt, dass aber die Grundintention dahinter – jetzt kurzfristig zu helfen, nicht direkt bei den Preisen einzugreifen, weil das weniger sozial treffsicher ist, und strukturell unsere Systeme auf die Inflation einzustellen, weil wir in den nächsten Jahren höhere Inflations­raten haben werden als in den letzten zehn Jahren – die richtige Mischung ist, und ich hoffe, dass das Paket so gut es geht und so umfangreich und so breit wie möglich unter­stützt wird. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

15.51

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich nun Herr Bundesmi­nister Johannes Rauch zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.