Bundesrat Stenographisches Protokoll 620. Sitzung / Seite 162

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Meine Damen und Herren! Wir Freiheitlichen halten das heute zu beschließende Zivildienstgesetz für unzureichend und werden Einspruch erheben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.18

Präsident Josef Pfeifer: Ich ersuche nun Herrn Mag. Karl Wilfing, zu uns zu sprechen. – Bitte, Herr Bundesrat.

20.18

Bundesrat Mag. Karl Wilfing (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte, ähnlich wie mein Vorredner, auch davon ausgehen, daß der Ausgangspunkt, auch wenn wir über Zivildienst sprechen, die militärische Landesverteidigung sein muß, weil vornehmlich diese dem Schutz der Republik Österreich und seiner Bevölkerung dient.

Die allgemeine Wehrpflicht ist Teil eines Wehrsystems, mit deren Hilfe die erforderliche Anzahl an Soldaten zur Realisierung einer militärischen Landesverteidigung aufgebracht wird. Der Zivildienst, über den wir heute sprechen, ist ein davon abgeleiteter Ersatzdienst, um Personen, die aus Gewissensgründen die Anwendung von Waffengewalt ablehnen, im Rahmen der Rechtsordnung einen Ausweg aus ihrer Gewissensnot zu ermöglichen.

Dieses Recht auf Wehrdienstverweigerung beziehungsweise Wehrersatzdienst aus Gewissensgründen ist für uns ein anerkannter Bestandteil der Rechtsordnung westlich-demokratischer Staaten, das gegenwärtig außer Zweifel steht und auch in Zukunft außer Zweifel stehen muß. Der Rechtsgeber kann aber dabei nicht zulassen, daß die Ausnahme Wehrersatzdienst gegenüber dem verfassungsmäßig verankerten Normalfall der Wehrdienstleistung bevorzugt wird, weil dadurch die militärische Landesverteidigung an sich in Frage gestellt werden würde.

Ich habe etwas in die Vergangenheit geblickt, um mir, ausgehend von 1955, anzusehen, wie der Zivildienst bisher geregelt war: Von 1955 bis 1975 war vorgesehen, daß wehrpflichtige Personen auf Antrag vom Waffendienst freigestellt werden konnten. Das entschied damals eine Kommission beim Bundesministerium für Landesverteidigung. Für diese Waffendienstverweigerer dauerte der ordentliche Präsenzdienst zwölf Monate anstelle von neun Monaten Wehrdienst. Damals gab es etwa 50 bis 100 "Waffendienstverweigerer" pro Jahr.

1975 kam es dann zu einer Zivildienstnovelle, durch die die Leistung eines Wehrersatzdienstes außerhalb des Bundesheeres ermöglicht wurde, wenn vor einer Zivildienstkommission die Gewissensgründe glaubhaft gemacht werden konnten. 1974 wurden pro Jahr einige hundert Zivildiener erwartet, wobei diese Zahl dann bis 1979 auf fast 4 000 Anträge anstieg. Dadurch stand jedoch der Personalbedarf für das damalige Konzept der Raumverteidigung noch immer nicht in Frage.

Es kam dann einige Jahre darauf, 1980, 1983, 1986 und 1988 zu weiteren Novellen, auf die ich im einzelnen nicht eingehen möchte. Der entscheidende Punkt in der Entwicklung war dann die Zivildienstgesetz-Novelle 1991, weil damals der Abtausch Abschaffung der Zivildienstkommission gegen eine geringfügige Verlängerung auf zehn Monate dazu geführt hat, daß die Zahl von zirka 4 000 Zivildienern pro Jahr bis 1993 auf fast 14 000 Zivildiener pro Jahr angestiegen ist. Der Grund dafür ist, daß es durch diese Zivildienstnovelle zu einer eindeutigen Bevorzugung der Zivildiener kam. Es kam de facto zu einer höheren Bezahlung, sie mußten keine Übungen machen und konnten zu keinen Kaderübungen verpflichtet werden, es gab für sie kein Disziplinarstrafrecht, und sie hatten die Möglichkeit, zu Hause zu wohnen: Insgesamt waren die Belastungen geringer. Auf diese Weise kann – da muß ich meinem Vorredner zustimmen – natürlich auch die Neustrukturierung des Bundesheeres im Ausmaß der genannten Zahlen nicht aufrechterhalten werden.

Ich glaube aber, daß wir, nachdem wir mit dieser Novelle nun fixiert haben, daß der Zivildienst auf zwölf Monate erhöht wird, in Anbetracht all der Zahlen, die wir heute gehört haben und kennen, davon ausgehen können, daß wir diese Heeresgliederung neu auch erfüllen können. Es werden genügend Wehrdienstpflichtige zur Verfügung stehen, und es wird in Zukunft zirka 6 000


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