Bundesrat Stenographisches Protokoll 632. Sitzung / Seite 108

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Das heißt doch – und ich muß es leider sagen –, daß der Boden, auf dem Unmenschliches gedeihen kann, immer noch fruchtbar ist. Da vernebeln doch noch immer Antisemitismus, Nationalismus, Rassismus und Xenophobie die Hirne von gar nicht so wenigen und versteinern ihre Herzen.

Weil wir aus den Leiden der Vergangenheit wissen, daß Unkenntnis Angst verschlimmert, daß Unkenntnis die unsinnigsten Behauptungen möglich macht, daß Unkenntnis es den Zauberlehrlingen so einfach macht, Menschen zu mißbrauchen und zu verführen, sollen wir den Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen nützen, um ein Bekenntnis gegen Gewalt und Rassismus abzulegen.

Meine Damen und Herren! Es muß erkennbar gemacht werden, was es bedeutet, wenn ganze Gruppen von Menschen ausgegrenzt werden. Es muß erkennbar gemacht werden, was es bedeutet, wenn Schmähungen und Diffamierungen Platz greifen, denn heute gilt die Ausrede nicht mehr, man hätte nicht ahnen können, wohin das führen werde. Die Erinnerung an die finsterste Nacht, die jemals über Österreich hereinbrach, erfüllt uns mit Abscheu, aber auch mit Verehrung und Respekt für jene, die unerträgliches Leid mit Würde getragen haben, die nicht nach Rache gerufen haben, sondern durch Mahnung und Aufklärung dazu beitragen, daß Ähnliches nie wieder geschieht.

Wir trauern um alle Toten dieser Zeit der Verblendung und des Unrechts. Jenen, die die Wunden der Vergangenheit noch in sich tragen, bieten wir die Hand mit der Bitte um Versöhnung und Vergebung. Wir müssen und wir werden bereit sein, all unser Wissen und Können und all unsere Fähigkeiten für die Menschlichkeit und Unverletzlichkeit der Menschenwürde einzusetzen – im Interesse der Menschen, die hier leben, und im Interesse des Ansehens Österreichs. (Allgemeiner Beifall.)

16.33

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Ludwig Bieringer das Wort.

16.33

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der Besetzung Österreichs durch das nationalsozialistische Deutschland begann für Hunderttausende Österreicherinnen und Österreicher ein ungeahnter – und bis heute niemals dagewesener – Leidensweg für Juden, Christen, Andersdenkende und Andersfühlende, aber auch für Hunderttausende Soldaten, die nicht gefragt, sondern an ihren Einsatzort befohlen wurden. Der Untergang Österreichs bedeutete für diese Menschen und ihre Familien den Untergang ihrer Existenz.

Ich habe der heutigen Ausgabe der steirischen Wochenzeitung "Korso", einem Interview, das mein Freund Bundesrat Alfred Gerstl gegeben hat, folgendes entnommen, und mit Genehmigung des Herrn Präsidenten darf ich zitieren: Ganz gleich, auf welcher Seite meine Generation gestanden ist, sie war eine geschundene Generation. Hätte es nicht Elend und Not gegeben, wäre der Nationalsozialismus mit seiner Brutalität nicht zum Zug gekommen. – Und auf die Frage, wie Entwicklungen wie in den dreißiger Jahren zu verhindern sind, antwortete Alfred Gerstl: Man muß der Jugend helfen, daß sie nicht in ausweglose Situationen gerät, ohne dabei ihren revolutionären Gärungsprozeß zu unterbrechen. Nur humanistisch inspirierte Einflußnahme ist erlaubt. Zwei Erziehungsmittel seien, so Gerstl, dabei besonders wichtig: Sport im Sinne der Erziehung zur Beherrschung der eigenen Aggressivität und die Kinderphilosophie: Schon Kinder sollen ihre Fähigkeit zur Argumentation entdecken, um ihre Lebensprobleme und Gedanken kreativ verarbeiten zu können. – Zitatende.

Wenn wir dies allein machen und unseren Jugendlichen vermitteln, meine ich, wird es auch zum Guten beitragen. Dazu dient auch unser gegenständlicher Entschließungsantrag, und ich würde Sie, meine Damen und Herren des Hohen Bundesrates, höflichst ersuchen, diesem Ihre Zustimmung zu erteilen.


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