Bundesrat Stenographisches Protokoll 632. Sitzung / Seite 110

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tion eine vornehme Verpflichtung darin sieht, sich gleicherweise auch gegen das Vergessen der Opfer der Verfolgung und der Vertreibung altösterreichischer Volksgruppen deutscher Zunge zu stellen und für die Wahrung der Rechte ihrer verbliebenen Reste einzusetzen.

Ich stelle hier bewußt keinen historischen Kausalzusammenhang her, ich lehne sogenannte wechselseitige Aufrechnungen von Schuld, wie freilich auch jede Kollektivschuld der einen oder der anderen Seite als politisch wie rechtlich und moralisch verfehlt entschieden ab, wie ich auch keinerlei unsachliches Junktim diesbezüglich einfordere.

Unverzichtbare Position muß aber jedenfalls die folgende sein: die Unteilbarkeit der Grund- und Menschenrechte. Die Wahrung dieser auch für die altösterreichischen Volksgruppen beziehungsweise Minderheiten mit deutscher Muttersprache wird freilich bei anderer Gelegenheit einzumahnen sein. Wir Freiheitlichen haben das insbesondere in die Diskussion um die Osterweiterung der Europäischen Union eingebracht.

Heute aber geht es nicht darum; denn für einen Gedenktag für sämtliche Opfer von Gewalt und Diskriminierung wegen Zugehörigkeit zu einem bestimmten Volk oder einer Rasse – sei es in unserem eigenen engeren historisch-räumlichen Verantwortungsbereich, sei es europa- oder gar weltweit – ist die Zeit offensichtlich noch nicht reif. Heute wollen sich alle österreichischen Gesinnungsgemeinschaften in dem gemeinsamen Anliegen verbinden – meine ist dazu vorbehaltlos bereit, sich hinter die Opfer des Nationalsozialismus zu stellen –, und sie alle leiten daraus die rechtsethische Verpflichtung ab, sowohl die schweren Verletzungen der Menschenrechte in der Vergangenheit nach Möglichkeit zu lindern – soweit das überhaupt möglich ist –, als auch Maßstäbe und Garantien dafür zu gewinnen, um vergleichbare Verstöße in der Zukunft jedenfalls zu verhindern.

Um dieser beiderseitigen, vergangenheits- wie vor allem auch zukunftsorientierten, Zielvorstellung willen stimmen wir dem vorliegenden Entschließungsantrag zu. – Ich danke. (Allgemeiner Beifall.)

16.44

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Karl Pischl. Ich erteile ihm das Wort.

16.44

Bundesrat Karl Pischl (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich aus zwei Gründen kurz zu Wort gemeldet, da ich einerseits zum Ausdruck bringen möchte, daß ich mit großer innerer Überzeugung diesem Selbständigen Antrag zur Schaffung eines Gedenktages gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus zustimmen werde. Dieser Antrag bringt für mich zum Ausdruck: Niemals vergessen!

Gleichzeitig verbinde ich mit diesem Antrag aber auch die Verpflichtung der Bewußtseinsbildung, daß unser demokratisches System keine Selbstverständlichkeit ist und jede und jeder aufgerufen ist, seinen Beitrag zur Erhaltung und Weiterentwicklung dieses demokratischen Systems zu leisten.

Als Grundlage für diese Bewußtmachung eines unseligen Zeitabschnittes unserer Geschichte, insbesondere unserer heranwachsenden Jugend gegenüber, brauchen wir ein neues Wertenetz von Verantwortung, Mut und vor allem Toleranz.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der zweite Grund meiner Wortmeldung ist folgender: Ich möchte heute die Gelegenheit dazu nützen, um mich von Ihnen zu verabschieden. Ich scheide mit Ende dieses Monats als Mitglied des Bundesrates und somit aus dem Hohen Haus aus, um mich in meinem Zivilberuf als Leiter des Familienreferates im Land Tirol voll und ganz der Umsetzung eines neu beschlossenen Familienpaketes in der Größenordnung von zirka 100 Millionen Schilling zu widmen.


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