Bundesrat Stenographisches Protokoll 634. Sitzung / Seite 44

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Weitere verfassungsrechtliche Bedenken sind – ich habe schon darauf hingewiesen – mögliche rückwirkende Auswirkungen auf laufende Verfahren, Verletzung des Vertrauensgrundsatzes sowie der Umstand, daß der Ausdruck "religiöse Bekenntnisgemeinschaft" deren Selbstverständnis nicht ganz Rechnung trägt. Es ist das eine gleichheitswidrige Diskriminierung gegenüber anderen Religionsgemeinschaften.

Ich sage es so, wie ich es in der Einleitung ausgeführt habe: Eine Gesellschaft, ein Staat hat durchaus das Recht, seine Prinzipien, seine Werte zu schützen und entsprechend darzustellen. Andererseits ist aber auch nach unseren Verfassungsprinzipien, nach unserer Rechtslage sehr streng darauf zu achten, daß es zu keiner Diskriminierung kleinerer Religionsgemeinschaften oder Wertegemeinschaften kommt. Die Voraussetzung, daß es zu keinen derartigen Diskriminierungen und auch nicht zu dominanten Gemeinschaften kommt, enthält diese Vorlage unserer Ansicht nach leider nicht, sodaß wir dieser Vorlage die Zustimmung verweigern müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.31

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Crepaz. – Bitte.

11.31

Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin sehr froh darüber, daß mein Vorredner dieses Gesetz so sachlich vorgetragen hat, und ich muß sagen, ich habe auch keine Freude mit dieser Regierungsvorlage über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften. Einerseits ist das, wie ich es sehe, wieder einmal eine Anlaßgesetzgebung, um noch schnell vor der Entscheidung durch den Verfassungsgerichtshof eine gesetzliche Handhabe dafür zu erhalten, die Anerkennung neuer Religionen zu reglementieren.

Der Anlaß ist das 20jährige Ringen der Zeugen Jehovas um Anerkennung. Ich gebe zu, mir ist es nicht gelungen, sachlich an dieses Thema heranzugehen, sondern ich bin da vielleicht etwas emotional besetzt. Wir haben ein Anerkennungsgesetz aus dem Jahr 1874, erlassen von Josef II, mit dem Ziel, die Religionsfreiheit zu gewährleisten. Ich meine aber, daß nun mit diesem neuen Gesetz die Religionsfreiheit und die Freiheit der Religionsausübung eingeschränkt werden.

Andererseits wird man mit diesem Gesetz dem Umtrieb der Sekten und Kulte auch nicht Herr, denn diese Sekten treten speziell an die Jugend heran, und zwar unter dem Mäntelchen der Selbstfindung, der Charakterbildung, der Esoterik und ähnlich schön klingenden Begriffen. Sie werben mit Freundschaft, sie werben mit Liebe und schaffen es so, mit Gehirnwäsche und sanftem Psychoterror Jugendliche und eher labile Menschen in ihren Einflußbereich zu bringen.

Ich streite ganz bestimmt nicht ab, daß Sekten und Kulte eine Gefahr sind, und zwar sowohl für unsere Familien als auch für unsere Gesellschaft, aber wenn Sie § 5 lesen, dann werden Sie feststellen, daß auch die katholische Kirche diesem Gesetz nicht gerecht wird. Denn gerade sie hat auch als Sekte begonnen und hat ihre Macht in den letzten 2 000 Jahren auf Intoleranz, Machtgier und Menschenverfolgung aufgebaut. Denken Sie nur an die Inquisition und die Hexenverbrennungen!

Auch heute noch läßt sie Barmherzigkeit und Toleranz vermissen, wie auch der in Innsbruck von uns allen so geschätzte Altbischof Stecher jetzt sogar schon brieflich aus reiner Sorge zum Ausdruck gebracht hat. Themen wie Empfängnisverhütung, Zölibat oder der Umgang mit den Frauen in der Kirche sind nur einige "Kleinigkeiten", die die Macht der Kirche noch immer demonstrieren und vielen Menschen Schwierigkeiten verursachen.

Wenn Sie wegen Sekten wie zum Beispiel Scientology Angst haben, dann muß ich Sie daran erinnern, daß auch die katholische Kirche ein Wirtschaftsfaktor ist. Auch sie besitzt Banken et cetera.


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