Bundesrat Stenographisches Protokoll 636. Sitzung / Seite 140

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18.34

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte einen Entschließungsantrag einbringen, aber gestatten Sie mir vorher noch einige Hinweise.

Aufgrund des Ablaufes der Debatte ist es verständlich, Herr Kollege Rauchenberger, daß jetzt bei uns die Emotionen hochgehen, da hier in einer unglaublichen Art und Weise unterstellt wurde, daß im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Thema populistische Politik gemacht wird, obwohl es doch um einen verbesserten Opferschutz geht.

Herr Bundesminister! Sie haben es vornehmer gesagt, wie wir festgestellt haben, nämlich: Es muß Generallinie sein, daß Opferschutz vor Verbrechensschutz geht. – Das war jetzt eine vereinfachte Wiedergabe Ihrer Worte. Sie haben dann auf Initiativen hingewiesen, die unter anderem auch von freiheitlichen Abgeordneten gekommen sind, haben dabei aber vergessen, sehr geehrter Herr Minister, daß es auch andere Bereiche gibt, Bereiche, hinsichtlich derer die vorgebrachten Punkte erstens nicht von uns gekommen sind und zweitens gravierend sind, sodaß wir meinen, daß die Prioritätensetzung der Strafrechtsnovellierung verfehlt ist.

Ich erwähne zum Beispiel: bedingte Strafnachsicht auch bei mehr als zehnjähriger oder lebenslanger Strafdrohung. Man bedenke folgendes: Ein Richterkollegium oder ein Richter verurteilt nach langen Verhandlungen, und im nachhinein wird die Strafe, die genau abgewogen ist, herabgesetzt. Welchen Eindruck macht das auf die Opfer? Aber welchen Eindruck macht das auch auf jene, die Recht sprechen?

Ein weiterer Punkt: kein zwingender Widerruf der bedingten Strafnachsicht oder Entlassung bei Nichtbefolgung einer gerichtlichen Weisung oder Verweigerung der Zusammenarbeit.

Oder: Wir alle, meine Damen und Herren, haben es mit Bedauern zur Kenntnis genommen, als in der Strafanstalt Karlau ein Kidnapping stattfand. Es sollen auch die Rechte derjenigen, die dort einsitzen, einigermaßen gewahrt werden, aber ich frage heute trotzdem folgendes: Ich weiß, daß Telefongespräche so wie der Briefverkehr der Kontrolle unterworfen sind, aber wie schaut die Praxis aus? Wie viele Handys gibt es dort drinnen, mit denen heraustelefoniert wird? – Ich weiß, Herr Bundesminister, daß ich Ihnen das nicht direkt vorwerfen kann, aber wenn man solche Dinge durchführt, wenn man solche Vergünstigungen gewährt, dann muß man auch dafür Sorge tragen, daß die Öffentlichkeit etwa bei einem Freigang vor einem allfällig Rückfälligen geschützt ist. Dafür muß man Sorge tragen! Dafür haben wir, dafür haben Sie, dafür hat die Bundesregierung, dafür haben die hiezu bestellten Organe zu sorgen.

Sie haben auf einige Punkte hier sehr umfangreich geantwortet und unter anderem festgestellt – Herr Kollege Dr. Linzer hat das dann noch unterstrichen –, daß Österreich hinsichtlich des Sittlichkeits-Strafrechts federführend sei und in Europa an vorderster Stelle stehe. (Bundesrat Dr. Linzer: Nein!) Daß unsere diesbezügliche Novellierung durchaus Beachtung findet – zumindest der Herr Minister hat es so gesagt. (Bundesminister Dr. Michalek: Das EU-Parlament hat das gesagt!)  – Bitte.

Ich frage mich aber, meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Minister: Wie kann es sein, daß sich die Zahl der Strafanzeigen wegen Kindesmißbrauchs in den letzten Jahren verdoppelt hat, wenn wir so führend in diesem Bereich sind? – Jedes vierte Mädchen, jeder zehnte Bub wird Opfer sexueller Gewalt. Und wenn Sie, Herr Kollege Linzer, diesem Thema trotz Vorliegen dieser Fakten die Dringlichkeit absprechen, dann frage ich mich, wie Sie dazu kommen. (Bundesrat Dr. Linzer: Das habe ich auch nicht gesagt! Ich habe genau das Gegenteil gesagt!)  Sie haben gesagt, Sie sprechen unserer dringlichen Anfrage die Dringlichkeit ab. (Bundesrat Dr. Linzer: Nein!) Genau auf diesen Punkt hat die Anfrage heute abgezielt. Es ist erstaunlich, daß Sie dem Schutz der Kinder nicht den entsprechenden Wert beimessen! (Weitere Zwischenrufe der Bundesräte Dr. Linzer und Rauchenberger. )

Ich möchte den Damen und Herren des Bundesrates die Möglichkeit bieten, hier ein gemeinsames Vorgehen zu finden. Herr Minister! Ich gebe durchaus zu, Sie haben in der Zeitung bereits erklärt, und Sie haben es auch verbrämt gesagt – es ist dem auch nicht widersprochen


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