Bundesrat Stenographisches Protokoll 647. Sitzung / Seite 123

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In Richtung Bund und Exekutive möchte ich sagen: Es ist nicht gut, Wasser zu predigen, aber selbst Wein zu trinken. Das muß man ein wenig überdenken. Wir Steirer dürfen sagen, daß das Land Steiermark mit der Stadt Graz an der Spitze diese Auflagen zu 100 Prozent erfüllt hat. Dieses Gesetz ist wirklich erst dann sinnvoll, wenn auch der Bund in seinem Bereich zu 100 Prozent diese Auflagen, die er in Form einer Richtlinienkompetenz den anderen vorschreibt, erfüllt. Das, Frau Ministerin, würde ich Sie auch bitten, an Ihre werten Regierungskolleginnen und -kollegen weiterzutragen.

Den Wegfall der Prämienzahlung bei Übererfüllung der Beschäftigungspflicht für begünstigte Arbeitsplätze halten wir nicht für gut. Ich weiß, das wurde kostenmäßig begründet. Aber gerade dadurch werden wieder Bereiche – es handelt sich um Klein- und Mittelbetriebe, die vorerst dieses Opfer auf sich nehmen – in die Bredouille, also in die Klemme, gebracht, wenn sie einen Behinderten oder jemanden, der einen geschützten Arbeitsplatz hat, entlassen. Vielleicht wäre ein Lösungsmodell, daß man den Arbeitsplatz selbst als schützenswert vorsieht – das wäre meiner Meinung nach eine Möglichkeit.

Frau Ministerin! Es wäre sehr interessant, zu erfahren, wie diese Materie gegriffen hat, wie die Erfahrungswerte mit dem Kündigungsschutz erst nach drei Monaten sind und wie sich das Ganze bei den Arbeitnehmern, bei den Arbeitgebern und auf den Arbeitsplatz selbst auswirkt.

Noch kurz zur Arbeitsassistenz: Dieses Instrumentarium zur besonders intensiven Betreuung von schwerstbehinderten Menschen mit dem Ziel der dauernden Eingliederung in den Erwerbsprozeß wird jetzt gesetzlich verankert. Ich persönlich begrüße das sehr. Ich habe in meinem Bereich auch vier geschützte Arbeitsplätze, und da ist man mit einer gewissen Mentalreservation behaftet. Eine taubstumme Kollegin, die wirklich eine erstklassige Kraft ist und durchaus in das normale Schema hineinkommt, braucht eben Schutz, sie braucht Unterstützung, sie braucht Förderung, sie braucht Kurse, und sie braucht eine entsprechende Einrichtung des Arbeitsplatzes. Auch das wäre zu bedenken, wenn es uns mit diesem Modell, wonach man solchen Menschen behilflich sein soll, um sie gleichberechtigt zu machen, wirklich ernst ist.

Ich glaube, daß es ernst ist. Diese Arbeitsassistenz wird nur so gut sein, wie sie vorbereitet wird, und zwar nicht nur von den Menschen, die helfen, sondern auch von der Arbeitsplatzgestaltung und von der Einführung dieser Menschen in den Arbeitsprozeß her.

Wir werden dieser Vorlage, die unserer Ansicht nach in eine gute und richtige Richtung geht, gerne die Zustimmung geben. (Allgemeiner Beifall.)

16.21

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Thumpser. – Bitte.

16.22

Bundesrat Herbert Thumpser (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Qualität einer Gesellschaft erkennt man daran, wie sie mit den Schwächsten dieser Gesellschaft umgeht. Behinderte Menschen gehören vielfach zu diesem schwächsten Glied dieser Gesellschaft, und deshalb erachte ich die volle Integration in die Gesellschaft, die Partizipation, die Angebote, die Möglichkeiten und Leistungen für diese Behinderten als besonders wichtig, um ihnen größtmögliche Unabhängigkeit zu ermöglichen. Oft sind es gerade behinderte Menschen, die Diskriminierungen ausgesetzt sind und die vor Barrieren stehen, die nichtbehinderte Menschen errichtet haben.

Unser Ziel muß es sein, diese Barrieren zu beseitigen. Das Recht auf Arbeit, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist für alle wichtig, für behinderte Menschen aber umso wichtiger. Gerade behinderte Menschen kompensieren oftmals ihre Behinderung durch besonderen Arbeitseinsatz, sodaß die von ihnen erbrachte Leistung dementsprechend anzurechnen ist. Ich kann das aus Erfahrung sagen, denn auch meine Heimatgemeinde beschäftigt seit mittlerweile eineinhalb Jahren einen Behinderten. Es war nicht einfach, vor allem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die direkt mit ihm zusammenarbeiten, davon zu überzeugen, daß es gut, wichtig und auch politisch richtig ist, die Behinderten dementsprechend in den Arbeitsprozeß einzugliedern.


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