Bundesrat Stenographisches Protokoll 679. Sitzung / Seite 332

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Ähnlich verhält es sich, meine Damen und Herren, mit der Anzeigepflicht – auch hier wurde eine bewährte Passage aus dem Gesetz genommen. Die Regelung aus 1998 – und zurzeit noch in Kraft – gab den Ärzten einen Handlungsspielraum. Insbesondere beim Verdacht auf sexuellen Missbrauch eines Kindes mussten die Ärzte zwar die Jugendwohlfahrt verständigen, waren aber nicht zu einer Anzeige an die Sicherheitsbehörde verpflichtet, aber in jenen Fällen, in welchen Gefahr im Verzug war, hatten die Ärzte sehr wohl diese Verpflichtung. Dieser Spielraum ermöglichte einen behutsamen und verantwortungsvollen Umgang mit dem Thema Gewalt gegen Kinder und Frauen.

Daher ist es umso bedauerlicher, Herr Minister, dass dieser Regierung alle Expertenmeinungen, die Meinung von Jugendanwälten sowie die Meinung der Verwaltungsorgane in Bezug auf diese Gruppen völlig egal sind.

Ich gehe, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, grundsätzlich davon aus, dass wir alle für unsere Kinder das Beste wollen. Ich halte es daher für einen schlechten politischen Stil, wenn im Zuge der Diskussion Aussagen gemacht werden, die lauten: Wir sind eindeutig auf der Seite der Opfer, und wir wollen nicht die Täter schützen! – Ja, bitte, wer ist nicht auf der Seite der Opfer, und wer ist nicht gegen die Täter? – Solche Aussagen sind Unterstellungen und dienen weder der Sache noch der Lösung des Problems.

Diese drei wesentlichen, von mir jetzt aufgezeigten Gründe, erlauben uns nicht, dieser Novelle die Zustimmung zu geben, sie zeigen uns aber sehr deutlich, dass sich die ÖVP von der FPÖ über den Tisch hat ziehen lassen – zum Nachteil von Kindern und Frauen, zum Nachteil von Flüchtlingen und Asylanten. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.14

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Grander. – Bitte.

17.14

Bundesrätin Maria Grander (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Ich möchte gleich zu Beginn meiner Rede auf die Ausführungen meines Vorredners betreffend die Meldepflicht der Ärzte eingehen. Ich lege die Schwerpunkte in meinem Redebeitrag zunächst auf die Frage "ärztliche Anzeigepflicht" und dann auf das Thema Gruppenpraxen.

Zum ersten Punkt: Die Anzeigepflicht des Arztes wird wieder eingeführt, sie soll jedoch in jenen Fällen unterbleiben, in welchen sich der Verdacht gegen nahe Angehörige richtet, die etwa im Haushalt des missbrauchten Kindes leben, in der Regel also gegen die Eltern.

Ich spreche da aus eigener Erfahrung, und ich denke, diese Anzeigepflicht ist etwas ganz Wichtiges. Es mag in der Durchführung vielleicht das eine oder andere Mal schwierig sein, dieser Pflicht nachzukommen, aber ich glaube, dass es wirklich eine Pflicht den Kindern gegenüber ist, dass diese Dinge aufgezeigt werden.

Es ist genau definiert, dass als Erstes die Jugendwohlfahrt und die Kinderschutzgruppen eingeschaltet werden müssen. Diese sind leider Gottes nicht österreichweit vorhanden. Man muss das Kind, wenn Anzeige erstattet wird, dann wieder in die Familie zurückschicken, und das Kind hat leider Gottes wieder das gleiche Umfeld wie vorher. Aber ich glaube, dass man ein Kind nicht für die Zeit seiner Kindheit diesen Dingen aussetzen darf. Diese Kinder leiden – das weiß man aus Erfahrung – immer wieder unter psychosomatischen Erkrankungen. Das heißt, irgendwann einmal muss man etwas dagegen tun. Es darf nicht so sein, dass wir die Augen davor verschließen. Ich glaube, dass es falsch ist, da wegzuschauen.

Ich bin froh, dass zuerst diese Dinge abgetastet werden und erst dann, wenn es wirklich notwendig ist, der Schritt der Anzeigenerstattung gegangen wird.


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