Bundesrat Stenographisches Protokoll 687. Sitzung / Seite 66

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Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile ihm das Wort.

15.51

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Lieber Herr Bundesratsminister! Ich habe das wirklich positiv gemeint. Da hat mich Herr Hösele richtig verstanden.

Lieber Kollege Dr. Böhm! Wenn wir heute die Tätigkeitsberichte beider Höchstgerichte diskutieren, dann kann man nicht so tun, als ob wir zuvor nicht über Monate hinweg eine Diskussion gehabt hätten, die nichts ausgelassen hat an Fettnäpfchen, die man sich nur vorstellen kann. Insofern bedauere ich es – und da mache ich Ihnen jetzt persönlich keinen Vorwurf, obwohl ich Ihren letzten Satz noch gehört habe, mit dem Sie gesagt haben, beide Gerichte haben "hervorragende Arbeit" geleistet; das sollten Sie einmal in Richtung Karawanken sagen –, dass Sie sich als Fraktionschef der FPÖ nicht von der Debatte über den Verfassungsgerichtshof, die wir hatten, distanziert haben oder zumindest einen Ausdruck des Bedauerns geäußert haben.

Ich möchte nun ein bisschen vergegenwärtigen, was da für Ausdrücke gefallen sind: Der Verfassungsgerichtshof ist eine "politisch korrumpierte Anstalt", ein "Privilegienstadel für Nebenberufsrichter"; "solange ich Landeshauptmann bin, wird es keine zusätzlichen zweisprachigen Ortstafeln geben"; "ich werde Adamovich zurechtstutzen".

Bitte, all das sind Ausdrücke gewesen, als es um die Säulen des Rechtsstaates ging, wie wir heute schon in allen Debattenbeiträgen – inklusive jenen des Herrn Professor Böhm – gehört haben. Hier wäre es meiner Meinung nach seitens der FPÖ auch am Platz gewesen, zumindest zu jenem Spruch eine Erklärung abzugeben, der lautete: "Bei einem, der Adamovich heißt, ist zunächst die Aufenthaltsbewilligung zu überprüfen." – Beides haben Sie nicht getan. (Bundesrat Dr. Böhm: Ist nicht meine Diktion! Nicht nötig!)

Ich glaube, dass Sie weit davon entfernt sind, auch nur annähernd so zu denken. So weit habe ich Sie in diesem einen Jahr hier kennen gelernt. Es wäre schön gewesen, Herr Professor Böhm, wenn Sie es trotzdem getan hätten!

Keine Frage, der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof gehören zu den tragenden Säulen unseres Staates. Die Einhaltung der Erkenntnisse, aber auch die Einhaltung von Minderheitenrechten sind Gradmesser des demokratischen Rechtsstaates. Es ist keine Sache der Beliebigkeit, wie Repräsentanten dieses Staates mit dieser Rechtsstaatlichkeit umgehen. Damit, solche Erkenntnisse als Beliebigkeit hinzustellen, übersteigt man jenen Bereich, in dem man sagt, Kritik ist legitim – oder man setzt sich schon außerhalb dieses legitimen Rahmens, der nämlich dann heißt: unqualifizierte Angriffe und Diffamierungen –, und schadet genau dieser Rechtsstaatlichkeit, auf die wir alle stolz sind und zu der diese beiden Gerichtshöfe wesentlich und trotz Arbeitsüberlastung beitragen.

Verfassungsgerichte sind keine normalen Gerichte, das ist völlig klar. Man kann auch sagen, es ist dies eine Art justizialisierte Politik. In dem Rahmen ist natürlich auch Kritik nötig und legitim. Aber an den Erkenntnissen zu rütteln, ist nicht legitim. (Bundesrat Mag. Gudenus: Kritisieren darf man es ja!) Kritik ist legitim, aber nicht die Kritikpunkte, die ich Ihnen vorgelesen habe. Das ist keine Ebene von Politik, wenn ein Repräsentant eines Staates sagt: Ein Erkenntnis eines Verfassungsgerichtshofes ist für mich "null und nichtig" – wie das im Falle des Landeshauptmannes von Kärnten geschehen ist.

Im verfassungsrechtlichen Streit entscheidet der Verfassungsgerichtshof über Kompetenz und Machtverteilung und ist damit ein ordnungspolitischer Faktor der Struktur der politischen Ordnung. Der formelle Status "Gericht" kann in keiner Weise darüber hinwegtäuschen, dass ein Verfassungsgerichtshof dabei auch eine politische Funktion erfüllt. Deshalb – und das ist auch in den verschiedensten Enqueten seit den siebziger Jahren immer wieder betont worden – ist die demokratiepolitische Besetzung, die Art, wie der Besetzungsmodus erfolgt, von besonderem


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