Bundesrat Stenographisches Protokoll 724. Sitzung / Seite 156

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Ich habe gehofft, dass beim heutigen Thema politische Querelen ausgespart werden. – Ja, es stimmt: Es hat sehr lange gedauert, bis es zu diesen Zahlungen an die betref­fenden Frauen gekommen ist. Es hat sehr lange gedauert, bis dieser Schritt gesetzt wurde. Aber, Herr Professor Konecny, wenn Sie von einem „Herumdrücken“ sprechen, möchte ich Sie doch darauf aufmerksam machen, dass es viele sozialistische Bundeskanzler gegeben hat, die diese Möglichkeit auch schon gehabt hätten.

Ich betrachte es weiters nicht nur im Sinne der Worte von Viktor Frankl, sondern auch als unsere Aufgabe als Christen, verzeihen zu können und im Sinne eines auf­klärenden „Nie wieder!“ die Zukunft unseres Mutterlandes gemeinsam zu gestal­ten. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.02


Präsident Peter Mitterer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schennach. Ich erteile es ihm.

 


18.02.57

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Das (der Redner hält ein dickes Buch in die Höhe) ist im Original das Bundesgesetzblatt aus 1946 (Bundesrat Mag. Himmer: Warum hast du das Original?), das bis heute mit dem Aufhebungsgesetz und Wiedergutmachungsgesetz die Grundlage geboten hat, die wir immer als nicht ausreichend bezeichnet haben.

Sie ist nicht ausreichend, und die Debatte, die wir hier geführt haben und die dann zur „Lex Kampl“ geführt hat, hat es nach den Vier-Fraktions-Verhandlungen doch noch möglich gemacht, zu versuchen, 60 Jahre nach Kriegsende endlich auch jene Gruppe zu rehabilitieren – rehabilitieren! –, die die Armee Hitler-Deutschlands mit sehr, sehr viel Mut – viele sind dabei umgekommen – durch Desertation geschwächt hat, die wenigen, die noch leben, zu rehabilitieren und sich nicht irgendwie durchzuschwindeln, sondern bewusst sagen: Die haben nichts angestellt, die haben eine Leistung erbracht, sie haben eine Armee geschwächt!, und dass die Desertation von einer Unrechts­armee als Wert an sich akzeptiert wird.

Nur: Das Wort „Deserteure“ gibt es da drinnen nicht. Warum nicht? Warum kann man jenen tausenden Menschen, die desertiert sind, in diesem Gesetz, in dem es ja angeblich um sie geht, nicht sagen, das haben sie getan, und um diese Personen­gruppe geht es? Was steckt da dahinter? Warum wehrt man sich so? Geht es da wieder um die Begriffe „Pflichterfüllung“ oder „Feigheit“?

Herr Kampl hat gesagt, ich hätte dem Kameradschaftsbund „Mief“ vorgeworfen. Ich habe gesagt, 60 Jahre lang – und da denke ich an Herrn Otto Keimel zum Beispiel – ging es genau diese Beurteilung: Was war damals Pflichterfüllung? Was war damals feig? Und: Was war richtig und was gut? Darüber ist in diesem Land diskutiert worden, auch im Kameradschaftsbund. Und ich habe gesagt dass da sehr viel Mief – ich habe dieses Wort verwendet –, sehr viel Mief herausgeflossen ist in nächtlichen Runden, die genau diese Einstellung erzeugt haben, um die wir da jetzt herumkämpfen. Und wir können wieder nicht sagen: Wir rehabilitieren 60 Jahre nach Kriegsende die Urteile gegenüber Deserteuren!

Ich erinnere Sie nur an jenen Ausspruch: Ein Soldat kann sterben, ein Deserteur muss sterben! – Und wahrscheinlich hat es mehr Mut erfordert, zu desertieren, als die Pflicht zu erfüllen. Und diese Menschen stehen da nicht drinnen. Es wird umschrieben, und letztendlich kommt es in diesem Artikel 1 zu einer wirklich unzulässigen Vermischung von Opfern des Nationalsozialismus und allgemeinen Opfern des Krieges. Warum?


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