11.00

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Vize­prä­sident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen im Bundes­rat! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Der Pflanzenschutz ist zweifellos ein sehr emotionales Thema, und ich möchte hier noch einmal festhalten, dass unsere Landwirte mit der größtmöglichen Sorgfalt Pflanzen­schutz­mittel einsetzen und wir natürlich auch in die Wissenschaft und in die Behörden, die diese Substanzen genehmigen, Vertrauen haben.

Das Ziel der Landwirte ist es, saubere, gesunde, qualitativ hochwertige Lebensmittel zu produzieren. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Das schaffen unsere Landwirte in der konventionellen und in der biologischen Produktionsweise. Dass die von den österreichischen Landwirten produzierten Lebensmittel, was Rückstände von Pflanzen­schutzmitteln betrifft, im Vergleich sowohl mit dem europäischen als auch dem inter­nationalen Durchschnitt die saubersten auf der Welt sind, bestätigen mehrere Studien. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Daher möchte ich mich hiermit an dieser Stelle im Namen meiner Fraktion bei allen Landwirten für deren großartigen Einsatz zum Wohle der Österreicher bedanken. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Zum Wirkstoff Glyphosat: Der herbizide Wirkstoff Glyphosat wurde im Jahr 1974 erst­mals als Pflanzenschutzmittel auf den Markt gebracht. Alle Pflanzenschutzmittel durch­laufen in Österreich seit dem Jahr 1948 ein Zulassungsverfahren. Dieses Zulassungs­verfahren wurde mit dem EU-Beitritt an das europäische System angeglichen. In der EU werden alle genehmigten Wirkstoffe periodisch einer Neubewertung unterzogen.

Glyphosat ist ein Totalherbizid, das heißt, es wirkt direkt sowohl auf alle einkeim­blättrigen als auch auf alle zweikeimblättrigen Pflanzen. Nutzpflanzen werden bei direk­ter Anwendung gleichermaßen eliminiert wie Zierpflanzen, Unkräuter oder Wild­pflan­zen. Die Anwendung in einem wachsenden Pflanzenbestand würde daher auch Nutz­pflanzen ausschalten.

Aufgrund dieser speziellen Wirkweise ergibt sich eine spezifische Anwendung in allen Einsatzgebieten. Man redet in der Vorsaat- oder in der Vorauflaufbehandlung zum Beispiel beim Mais von einer Fläche in der Größenordnung von 45 000 Hektar, auf der es eingesetzt wird, bei Zuckerrübe von 16 000 Hektar, bei Sojabohne von 15 000 Hek­tar, bei Sonstigem, wie zum Beispiel Kartoffeln, Ölkürbis, Sonnenblume, Feldgemüse, von einer Fläche von 13 000 Hektar, bei der Vorerntebehandlung bei Getreide, Raps, Ackerbohne sind es weniger als 500 Hektar und bei der Nacherntebehandlung, insbe­sondere nach Getreide, ist es eine Größenordnung von 25 000 Hektar, beim Reihen­anbau im Obstbau eine Fläche von 5 000 Hektar und im Weinbau eine Größenordnung von 25 000 Hektar. Weitere Anwendungsgebiete sind im Forst, auf Verkehrsflächen oder im Haus- und Kleingarten.

Die jährlich in Österreich in Verkehr gebrachte Menge des Wirkstoffs Glyphosat unterliegt deutlichen Schwankungen. Im zehnjährigen Durchschnitt beträgt diese Menge 329 Tonnen pro Jahr, das entspricht rund 24 Prozent der gesamten jährlich in Verkehr gebrachten Herbizidmenge. – Diese Daten entstammen dem Grünen Bericht 2018.

Etwas zur Historie: Am 3. Oktober 2017 wurde der damalige Bundesminister Rupprechter, das wurde heute schon erwähnt, vom Nationalrat aufgefordert, sich in der Euro­pä­ischen Kommission gegen die weitere Verlängerung der Zulassung dieses Produkts auszusprechen. Das war ein mehrheitlicher Beschluss. Er hat das auch am 27. November 2017 auf EU-Ebene umgesetzt, aber da gab es noch Deutschland, das sich der Stimme enthalten hat. Deswegen hat es eine weitere Verlängerung bis 2022 gegeben.

Weiters gab es am 13.12.2017 einen Entschließungsantrag im österreichischen Natio­nalrat, auf Basis dessen das Institut für Pflanzenschutz der Universität für Bodenkultur Wien in Kooperation mit dem Institut für Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung und dem Institut für Rechtswissenschaften an der Boku sowie dem Institut für Nachhaltige Pflanzenproduktion der Ages im Juni 2018 vom Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus beauftragt wurde, eine nationale Machbarkeitsstudie zu erstellen, um die vorstellbaren Auswirkungen eines möglichen Ausstiegs oder einer weiteren Ein­schränkung der Verwendung beurteilen zu können. Auch in dieser vom Nationalrat in Auftrag gegebenen ausführlichen Studie kommt man – wie in vielen anderen Studien auch – zu keinem eindeutigen Ergebnis.

Im Landwirtschaftsausschuss wurde vom Vertreter der Ages berichtet, dass die Studie nur auf Angaben, aber nicht auf konkreten Zahlen beruht und auf Interviewbasis geführt wurde. In der Studie heißt es zum Beispiel:

„Glyphosat wird als giftig für Wasserorganismen mit langfristiger Wirkung eingestuft.

Aufgrund seiner Eigenschaften hat der Wirkstoff ein sehr geringes Versickerungs­poten­tial im Boden und gelangt in der Regel nicht ins Grundwasser. Daten aus dem Was­sergütebericht von 2018 bestätigen dies. Allerdings kann der Wirkstoff insbesondere durch Abdrift, unsachgemäßes Befüllen und Reinigen von Pflanzenschutzgeräten sowie unsachgemäßen Anwendung auf versiegelten Flächen in Oberflächengewässer gelangen. In mehr als 60 % der im Zuge des Wassergüteberichtes von 2018 beprobten Oberflächengewässern wurde“ – komischerweise – „Glyphosat nachgewiesen.“

Nun zum Vergleich mit dem Ausland: Werden alle Einsatzgebiete auf Ackerflächen, Vorsaat-, Vorauflauf-, Vorernte- und Nacherntebehandlungen, aufsummiert, so liegt der Anteil an konventionell bewirtschafteter Ackerfläche, auf der in Österreich glypho­sat­haltige Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden, bei circa 9 Prozent. In Deutschland lag die Einsatzintensität auf Ackerflächen, der Anteil der mit glyphosathaltigen Pflan­zenschutzmitteln behandelten Fläche bei 37 Prozent. Auf die Gesamtfläche Öster­reichs umgerechnet, entspricht die Anwendungsfläche auf dem Ackerland in Österreich etwa 1,4 Prozent des gesamten Bundesgebiets.

Das Ergebnis eines Vergleichs von Rückstandsanalysen bei den unverarbeiteten Lebensmitteln von Österreich mit Ländern wie Kanada und Litauen: In Österreich wurden bei 4 026 untersuchten Getreideproben in zehn Buchweizen- und zwei Gers­tenproben Grenzwertüberschreitungen nachgewiesen, das heißt, insgesamt zwölf Grenzwertüberschreitungen konnten nachgewiesen werden. In Kanada und in Litauen war dieser Wert beim 20- bis 120-Fachen. (Bundesrat Köck: Dort müsst ihr es ...!)

Nun zur Begründung unserer Entscheidung: Wir haben es uns nicht leicht gemacht: Auf der einen Seite steht unsere heimische Landwirtschaft, die unsere hochwertigen Lebensmittel auch in Zukunft wirtschaftlich weiterproduzieren soll, und auf der anderen Seite stehen alle Österreicher als Konsumenten, denen der maximale Schutz für gesunde Lebensmittel gebührt.

Zur Erinnerung: Wir haben gemeinsam mit der ÖVP im Regierungsübereinkommen, das ja vonseiten der ÖVP unnötigerweise aufgelöst wurde (Zwischenrufe bei der ÖVP), einen Beschluss in Form eines stufenweisen Ausstiegs aus Glyphosat bis 2022 mit Ausgleichsplanung festgeschrieben.

Nun zum Beschluss des Nationalrates, der unter folgenden Kriterien am 2.7.2019 gefasst wurde und gegen den wir keinen Einspruch erheben: Der Beschluss lautet inhaltlich: „Das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln mit dem Wirkstoff Glyphosat ist im Sinne des Vorsorgeprinzips verboten.“ Das Verbot tritt nur in Kraft, wenn eine dreimonatige Stillhaltefrist abgelaufen ist und von der Kommission eine ausführliche Stellungnahme nicht abgegeben wurde.

Für uns Freiheitliche steht auf jeden Fall fest: Für den Fall, dass dieses Verbot in Kraft tritt, müssen wir zum Schutz unserer Landwirte und Konsumenten gleichzeitig ein Importverbot von Lebensmitteln aus dem Ausland, welche mit glyphosathaltigen Pflan­zenschutzmitteln behandelt worden sind, umsetzen. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Schennach.)

11.08

Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günther Novak. Ich erteile ihm dieses.