13.45

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen auf der Galerie und zu Hause! Das mit der Frauenpolitik ist wirklich – wienerisch ge­sagt – a zache Gschicht. Darum freut man sich umso mehr – ich gebe Ihnen, Kollegin Ess, total recht –, wenn etwas gelingt. In diesem Fall kann ich gar nicht sagen, wie sehr ich mich für all die Frauen freue, für die jetzt die gesetzliche Anrechnung der Karenzzeiten erreicht wurde. Das ist ein ganz, ganz wichtiger Schritt. Es ist eine jahrelange Forderung der SPÖ und es ist eine jahrelange Forderung der Gewerk­schaftsfrauen über alle Fraktionen hinweg.

Ab dem 1. August 2019 gibt es die volle Anrechnung der Karenzzeiten für jedes Kind im Ausmaß von bis zu 24 Monaten, auch bei Adoption und Pflege – endlich, wirklich endlich; man kann nur ausatmen und sich ganz toll darüber freuen.

Doch wie ist es zustande gekommen? – Die Forderung ist schon lange auf dem Tisch und uns wurde sowohl von der letzten Frauenministerin, Bogner-Strauß, als auch von Wöginger ausgerichtet: Jetzt sollen einmal die Gewerkschaften die Kollektivverträge gut verhandeln und schauen, was sie bei den Karenzzeiten zusammenbringen, und dann, wenn das nicht so ganz gelingt, machen wir ein Gesetz. (Bundesrat Stögmüller: ... Oberösterreich!) – Gut, wunderbar, die Gewerkschaften haben verhandelt und sie haben ausgezeichnet verhandelt, aber immer mit dem Wissen, dass jeder Verhand­lungserfolg in kollektivvertraglichen Verhandlungen natürlich etwas anderes zurück­stellt.

Es war ganz wichtig zu sagen: Was ist jetzt mit dem Gesetz? Wo ist die gesetzliche Anrechnung der Karenzzeiten? – Ja leider, sie kam nicht. Wieder wurde man ver­tröstet, das wäre eine Sache der Sozialpartnerinnen und Sozialpartner. Es ist aber ein so wichtiger Schritt, wir brauchen diese gesetzliche Anrechnung. Deshalb freuen wir uns heute so sehr darüber, dass es umgesetzt wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Was bringt es den Frauen? – Es bringt das schnellere Vorrücken in den Gehalts­sche­mata, ein früheres Erreichen der sechsten Urlaubswoche, ein früheres Erreichen von Jubiläumsgeldern, keine Nachteile bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Verbes­serungen bei den Kündigungsfristen und Verbesserungen der lebenslangen Einkom­menssumme, und das ist, wie schon erwähnt, der wichtige Punkt, es geht nämlich um das Schließen der Einkommensschere.

Der Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen beträgt in Österreich fast 20 Prozent, da muss man doch etwas tun! Mit diesem Gesetz besteht die Chance, dass die Einkommensschere sich wahrscheinlich um 3 Prozent schließen wird. Das ist ein ganz, ganz wichtiger Schritt und darauf können wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sehr stolz sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Es wirkt sich zudem auf die Pensionshöhe aus. Das ist so wichtig, denn wir wollen nicht, dass Frauen im Alter unter Armut leiden. Die Einkommensschere bezie­hungs­weise der Einkommensunterschied ist ein Grund für Altersarmut. Darum ist es wun­derbar, dass jetzt die gesetzliche Anrechnung der Karenzzeiten durchgesetzt wird.

Es ist aber noch viel zu tun für die Frauen in der Arbeitswelt. Der Anteil von Frauen in Niedriglohnbeschäftigung ist in Österreich relativ hoch, er liegt bei 23,1 Prozent, im EU-Durchschnitt sind es 21,1 Prozent. Der Anteil von Männern im Niedriglohnsektor liegt bei 8,7 Prozent. Frauen sind in atypischen Beschäftigungsverhältnissen wie Teilzeit, befristeten Arbeitsverhältnissen, geringfügiger Beschäftigung, Leiharbeit und Beschäfti­gungen mit freiem Dienstvertrag überrepräsentiert. Weiters haben wir in Österreich, auch das wurde schon gesagt, einen extrem hohen Teilzeitanteil, nämlich fast 50 Pro­zent. Das ist der zweithöchste Wert in der EU.

Der österreichische Arbeitsmarkt ist durch eine starke Aufteilung in frauen- und männerdominierte Branchen gekennzeichnet. So arbeiteten beispielsweise 2018 rund 18 Prozent der Frauen im Handel, 19 Prozent der Frauen im öffentlichen Dienst.

Ein wichtiger Faktor für das Einkommen der Frauen und für das Schließen der Ein­kommensschere ist natürlich das kollektivvertragliche Mindestlohnniveau. Da haben die Gewerkschaften wirklich ganz toll verhandelt und ganz viel erreicht, um das Mindestlohnniveau zu heben. Das nächste Ziel in den Verhandlungen ist, schrittweise auf 1 700 Euro hinaufzugehen.

Die Reduktion geschlechterspezifischer Lohnunterschiede erfordert aber neben der guten kollektivvertraglichen Entgeltpolitik auch weitere Maßnahmen, und die gesetz­liche Karenzzeitanrechnung ist da ganz wesentlich, denn Frauen – das anzumerken ist auch noch wichtig – weisen eine geringere Dauer der Unternehmenszugehörigkeit auf und sind dadurch gefährdet, länger als Männer in den unteren Lohngruppen zu ver­harren. Darum ist es wunderbar, dass die gesetzliche Anrechnung der Karenzzeiten kommt.

Wichtig ist aber auch der flächendeckende Ausbau von kostenloser ganztägiger Kin­derbetreuung, die die Entscheidung, ob man Vollzeit arbeiten möchte oder wie viele Stunden man arbeiten möchte, überhaupt erst möglich macht. Das ist aber auch ein wichtiger Schritt zur Regionalförderung und zur Stärkung des ländlichen Raums – das darf bitte mitgegeben werden. Wenn wir über den ländlichen Raum sprechen: Es ist wichtig, eine gute, kostenlose Kinderbetreuung flächendeckend auszubauen, damit für Eltern überhaupt erst die Möglichkeit entsteht, zu entscheiden, wie viele Stunden sie arbeiten möchten. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein weiterer sehr wesentlicher Punkt für die ArbeitnehmerInnen, Frauen und Männer, ist die Frage der Arbeitszeit: Wie kann man Beruf und Familie vereinbaren? Wie kann verhindert werden, dass Arbeit krank macht? Welche Rechte haben Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmer in einer immer flexibler werdenden Arbeitswelt bei der Frage der Arbeitszeit? – Dazu bringen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten heute einen Entschließungsantrag der Bundesrätin Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Arbeitszeitumverteilung“ ein.

Die letzte Regierung hat den Arbeitszeitdruck auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeit­neh­mer enorm erhöht: allgemeine 60-Stunden-Woche eingeführt, BetriebsrätIn­nen­rechte gekürzt, Ruhezeiten verringert, Sonntagsarbeit erweitert – und das mit der Erzählung von einfach mehr Flexibilität. Tatsache ist aber: Es ist eine Flexibilität, die nur den Arbeitgebern hilft. In den Kollektivverträgen ist sehr vieles gelungen, um die fatalen Auswirkungen dieses Arbeitszeitgesetzes möglichst einzudämmen.

Gestern wurden wieder Arbeitszeitübertretungen bekannt, die über ein vorstellbares Maß weit hinausgehen. Wie sich bei der Kontrolle des Arbeitsinspektorats in Vorarlberg gezeigt hat, gibt es teilweise Arbeitszeiten von mehr als 90 Stunden statt der erlaubten 60 Stunden pro Woche. 57 Hotels wurden überprüft, in 23 davon wurden Arbeitszeit­über­schreitungen festgestellt. Drei Betriebe haben das Personal ohne Ruhetag durch­arbeiten lassen.

Das ist doch kein Zustand! So schaut doch nicht die flexible neue Arbeitswelt aus! So etwas begünstigt das neue Arbeitszeitgesetz noch mehr. Das kann doch niemand wollen, das sind menschenunwürdige Arbeitsbedingungen. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen, dass die Menschen nicht wegen Arbeit krank werden oder ausbrennen. Daher ist dieser Entschließungsantrag so wichtig.

Wir fordern einen Rechtsanspruch auf einen einseitigen Verbrauch von Zeitguthaben sowie endlich den Rechtsanspruch auf die Vier-Tage-Woche, der bei der Einführung des Arbeitszeitgesetzes so großmundig versprochen wurde und den es in Wahrheit nicht gibt. (Bundesrat Köck: Es geht eh mit den 12 Stunden!) – Nein, das geht nicht. Der Rechtsanspruch besteht nicht, lieber Kollege! So ist es leider. Schwurbeln wir nicht rum, erzählen wir keine Geschichten, sondern setzen den Rechtsanspruch auf die Vier-Tage-Woche um! (Bundesrätin Hackl: Wer erzählt uns Geschichten?! Das macht ihr!)

Wir fordern gesicherte und planbare Arbeitszeiten – das ist gerade in der Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie so wichtig –, daher fordern wir einen Flexibilitäts­zuschlag bei Unterschreitung der 14-tägigen Ankündigungszeit. Weiters fordern wir einen Rechtsanspruch auf den Arbeitszeitwechsel bei Bedarf von Vollzeit auf Teilzeit und wieder auf Vollzeit.

Das Arbeitszeitrecht ist ein Schutzrecht und Arbeitszeitflexibilität darf nicht auf Kosten der Gesundheit und der Lebensqualität von arbeitenden Menschen gehen. Dafür wer­den wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten uns immer einsetzen. – Glück auf! (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Ernst-Dziedzic.)

13.54

Präsident Karl Bader: Wir gehen in der Debatte weiter. Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Rosa Ecker zu Wort. Ich erteile es ihr.