10.26

Bundesrat Dr. Gerhard Leitner (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Frau Bundes­minis­terin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu Beginn meiner heutigen Rede gleich die Gelegenheit nutzen, Danke zu sagen, und zwar jenen Menschen, die dafür verantwortlich sind, dass es heute eine dringend notwendige Erhöhung der Pensionen gibt. Der Applaus gilt Peter Kostelka, dem Präsidenten des Pensionistenverbandes, der sich gemeinsam mit den Spitzen des Seniorenrings  – Werner Neubauer – und des Seniorenbundes – Ingrid Korosec – dafür eingesetzt hat, dass das Jahr 2019 dazu genutzt wird, mit dem Pensionsgipfel für die Pensionistinnen und Pensionisten in diesem Land Druck zu machen. Dafür sind wir ihnen zu Dank verpflichtet, und diesen möchte ich ihnen heute von dieser Stelle aus auch aus­drücklich aussprechen. (Beifall bei der SPÖ, bei BundesrätInnen der FPÖ sowie des Bundesrates Seeber.)

Der Seniorenrat ist in seiner Gesamtheit stark. Im Gesetz ist festgehalten, dass der Seniorenrat ein Sozialpartner ist, daher ist er zu hören und in die Verhandlungen miteinzubeziehen. Das war in der Vergangenheit nicht immer Realität, das dialogische Prinzip wurde nicht beachtet. Erst durch den heuer einberufenen Seniorengipfel hat auch der Seniorenrat wieder an Bedeutung gewonnen. Es geht bei dieser bedeutenden sozialpolitischen Frage nicht um parteipolitisches Hickhack. Der Seniorenrat setzt sich für alle älteren Menschen ein und ist daher in seiner Gesamtheit stark.

Abgesehen davon möchte ich aber schon auch auf das Volumen der Pensionen hinweisen, und zwar auf jenes, das die einzelnen Pensionistinnen und Pensionisten bekommen. Wir sprechen da von der größten Erhöhung der jüngeren Geschichte und von bis zu 3,6 Prozent Steigerung, vor allem bei den kleinen Pensionen. Es sind bis zu 480 Euro im Jahr, die die Menschen netto mehr bekommen; das sind unglaubliche 1,1 Milliarden Euro. 91 Prozent der Pensionistinnen und Pensionisten profitieren davon, sie sind somit die GewinnerInnen, und das ist gut so.

Denn vergessen wir nicht: Fast die Hälfte des Kaufkraftvolumens liegt bei den Men­schen über 50 Jahren. Fast jeder dritte Euro des privaten Konsums wird von der Gene­ration 60 plus ausgegeben. Besonders hoch ist das Einkommen bei den Menschen zwischen 50 und 59 Jahren, also bei jenen, die am Zenit des Berufslebens stehen. Das bedeutet – und das ist keine Überraschung –, dass danach, also mit dem Eintritt in die Pension, die Kaufkraft wieder sinkt, und das, obwohl gerade diese Kaufkraft besonders standorttreu ist, die Ausgaben also besonders stark vor Ort getätigt werden. Gerade deshalb halten wir auch die Erhöhung der Pensionen für einen wirtschaftlich wichtigen Schritt. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Verbraucherpreisindex, auf den sich die politischen Entscheidungen gründen, stimmt für die Pensionistinnen und Pensionisten nicht. Die im Warenkorb gelisteten Produkte sind für die ältere Generation nicht relevant. Bei den Pensionen geht es darum, den Lebensstandard von Menschen zu sichern, die ihr ganzes Leben durchaus hart gearbeitet haben, und zwar langfristig zu sichern, und es geht auch darum, die Kaufkraft zu sichern.

Es ist meines Erachtens eine Frage von Verlässlichkeit, Solidarität und Gerechtigkeit, dass diese Menschen für ihr weiteres Leben auch faire und anständige Pensionen bekommen. Deshalb ist es eine Freude, dass heute die Pensionen angepasst werden, vor allem für jene Menschen, die es bitter notwendig haben. Sichere Pensionen statt Altersarmut, das ist der österreichischen Sozialdemokratie stets ein großes Anliegen.

Außerdem konnten wir im Nationalrat einen weiteren Erfolg verbuchen, den wir heute im Bundesrat wiederholen werden. Für die Pensionistinnen und Pensionisten in diesem Land ist der Entfall der Wartezeit für die Pensionsanpassung extrem wichtig. Gelungen ist er jedoch erst durch Nachbesserungen auf unsere Initiative hin. Da konnten wir gegensteuern und aufgrund unserer überzeugenden Argumente auch die Unterstüt­zung anderer Parteien gewinnen. Wir waren es, die da wirklich Verbesserungen um­setzen konnten. Darauf sind wir ehrlich und berechtigt stolz. Die ÖVP, und das möchte ich hier auch in aller Deutlichkeit sagen, hat das leider nicht für notwendig erachtet. Ich hätte mir gewünscht, dass sie da auf die Expertise des Seniorenbundes gehört hätte.

Lassen Sie mich auch die Gelegenheit nutzen, über das Thema der aktuellen Präsi­dentschaft, die Dezentralisierung, zu sprechen. Gestern haben wir immer wieder die Forderung gehört, dass Sie sich, liebe Kolleginnen und Kollegen der ÖVP, eine umfassende Dezentralisierung wünschen. Das ist im Grunde positiv. Die Diskussion, wie sie gestern geführt wurde, ist als politische Positionsbestimmung grundsätzlich zu begrüßen. Die politische Realität der letzten eineinhalb Jahre steht allerdings in starkem, in diametralem Gegensatz zu den gestern gemachten Vorschlägen und Anre­gungen.

Wie haben Sie es denn bei der Frage der Krankenkassen gehandhabt? Sie haben zentralisiert, das Ergebnis ist die Österreichische Gesundheitskasse, die die Patientin­nen und die Patienten um die dringend gebrauchte Milliarde bringt – 1 Milliarde Euro, die das Gesundheitssystem dringend gebraucht hätte und die jetzt in Umstrukturie­rungs­maßnahmen versickert.

Schon bei Bekanntwerden der ersten Details der durchgepeitschten Zerschlagung des GKK-Systems haben wir davor gewarnt, dass die als großartig angekündigte Reform der Fusionierung zur ÖGK nicht wie versprochen funktionieren kann und funktionieren wird. In über 80 Stellungnahmen von ausgesprochen kompetenten Expertinnen und Experten wurde Kritik geäußert und vor einer Umsetzung gewarnt.

Wir sind nicht gegen Reformen, gegen Anpassungen und erforderliche Veränderun­gen, wenn sie notwendig sind, sie müssen aber Sinn haben und erfolgreich durchge­führt werden. Die österreichische Gesundheitskassenreform ist offensichtlich ein Geld­fass ohne Boden, sie verursacht erhebliche Mehrkosten für weniger und sicherlich auch für schlechtere Leistungen.

Noch ein Punkt zur Dezentralisierung: Wer hat denn damals die Polizeiposten im Lande eingespart, als Wolfgang Schüssel regiert hat, als Sie erstmals in der schwarz-blauen Kombination in einer Regierung waren? – Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der ÖVP! (Bundesrätin Mühlwerth: Wer hat die Postämter geschlossen?) Sie und die Innenministerin, Frau Landeshauptmann Mag. Mikl. (Bundesrat Schennach: ... massenhaft eingespart!) Sie waren diejenigen, die ein Unsicherheitsgefühl gebracht haben und dazu beigetragen haben, dass die Menschen gerade am Land, wo Posten geschlossen wurden, heute nicht mehr die beste Sicherheitsinfrastruktur vorfinden – von Dezentralisierung keine Spur! (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Und wer wird heute noch der Neuordnung der Finanz zustimmen und damit zu einer schlechteren Betreuung der Kundinnen und Kunden in der Region beitragen? (Bundesrat Krusche: Unglaublich!) – Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren! Dezentralisierung ist, wie es scheint, nur ein Schlagwort. Oder bedeutet Dezentra­lisierung für Sie, dass sich die Kärntnerin, die sich über ihren Steuerausgleich infor­mieren will, mit dem Berater in Vorarlberg austauschen soll? Das ist ein eigenartiges Verständnis und auch ein Kniefall vor der Wirtschaft, wo jedes Unternehmen seinen eigenen Betreuer hat beziehungsweise bekommt. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Wissen Sie, wieso ich Ihnen das heute im Rahmen dieser Debatte erzähle? – Weil es genau jene Zielgruppen trifft, die auch durch eine verfehlte Pensionspolitik getroffen worden wäre: die Seniorinnen und Senioren in unserem Lande. Sie sind es, die echte Chancen im Leben verlieren, weil sie nicht in der Lage sind, die neuesten Techno­logien direkt zu nutzen, um am Leben teilzuhaben.

Das haben wir bei den Banken gesehen. Da mussten die Menschen auf den Entfall der Schalter damit reagieren, dass sie eine Vertrauensperson bitten, ihnen Zugriff auf ihr Erspartes zu ermöglichen und ihre Bankgeschäfte zu erledigen. Sie sind abhängig geworden. Dasselbe wird jetzt auch durch die Zentralisierung der Finanz passieren, die aus den Regionen abgezogen wird.

Seien wir ehrlich: So geht weder eine sinnvolle Dezentralisierung, die nachhaltig den ländlichen Raum stärkt, und schon gar keine generationengerechte, selbstermäch­tigende Politik. Vielleicht denken Sie daran, wenn Sie heute dem Finanz-Organi­sa­tionsreformgesetz zustimmen werden, und vielleicht denken Sie auch daran, wie es ihren Familienmitgliedern gehen würde, die Sie vielleicht unterstützen! Die haben das Glück, sich auf Sie verlassen zu können. (Bundesrätin Schulz: Zur Tagesordnung! Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Es geht nicht allen Menschen im Alter so, und auch an die müssen wir denken, denn wir sind überzeugt, dass Menschen ihr Leben lang ein selbstbestimmtes Dasein führen können sollen, egal, in welchem Alter. Für mich ist vollkommen klar: Wir sind gewählt, um hier unsere Arbeit zu tun, und unsere Arbeit heißt, das Leben der Menschen in Österreich zu verbessern. Deshalb sitzen wir hier und deshalb arbeiten wir hier. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

10.36

Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. – Bitte sehr.