15.50

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Gegen das vorliegende Gewaltschutzpaket wurde vonseiten der SPÖ und vonseiten der Grünen sinngemäß vorgebracht, die Abgeordneten der Freiheitlichen und der Volkspartei hätten sich nicht mit den zahlreichen kritischen Einwänden von Experten aus dem Begutachtungsverfahren auseinandergesetzt, das Paket werde nun einfach durchgepeitscht.

Das ist Ihr Narrativ: hier die Experten aus der Fachwelt, die sich gegen den Entwurf aussprechen, dort die populistischen Politiker von ÖVP und FPÖ, die nichts von der Materie verstehen und nur im Wirtshaus punkten wollen. – Das ist nicht richtig. Die Einwände im Begutachtungsverfahren wurden von uns gewissenhaft bewertet und zur Kenntnis genommen. (Zwischenruf der Bundesrätin Prischl.) Nehmen wir doch einmal beispielhaft den neuen § 39 Abs. 1a Strafgesetzbuch! Hierzu schreibt eine Ihrer ExpertInnen der Universität Wien in ihrer Stellungnahme – ich zitiere nun wörtlich –:

„Aus kriminologischer Sicht müsste man § 39 StGB – genauso wie den Erschwe­rungsgrund (einschlägiger) Vorstrafen – eigentlich abschaffen! Schließlich ist es allge­mein gesichertes Wissen, dass Vorstrafen das persönliche Fortkommen der Betrof­fenen in mehrerlei Hinsicht erschweren, ein Rückfall also sogar eher ‚verständlich‘ ist als eine entsprechende Straftat einer bis dahin unbescholtenen Person. [...] Wieso nach dem vorgeschlagenen § 39 Abs. 2 StGB künftig nach schwereren Straftaten eine längere Bewährungszeit vorausgesetzt werden soll, ist sachlich nicht nachvollziehbar, zumal es gängige Einschätzung ist, dass es schon als Resozialisierungserfolg gewertet werden kann, wenn ein schwerer Gewalttäter im anschließenden Beobachtungs­zeit­raum nur noch mit einer vergleichsweise harmlosen Tat rückfällig wird.“

Meine Damen und Herren von der SPÖ und von den Grünen, Ihre Experten meinen also (Bundesrätin Ernst-Dziedzic: Was heißt „Ihre Experten“? Das sind nicht unsere Experten!), es ist ein Resozialisierungserfolg, wenn ein Einbrecher, der einen schwe­ren Raub mit Todesfolge zu verantworten hat, bei seinen künftigen Einbrüchen nur noch vergleichsweise harmlos seine Opfer knebelt. Ihre Experten meinen also, es ist ein Resozialisierungserfolg, wenn sich ein Messerstecher, der seinem Opfer eine schwere Körperverletzung mit lebenslangen Dauerfolgen zugefügt hat, künftig damit begnügt, seine Opfer mit vergleichsweise harmlosen Faustschlägen zu traktieren. Ihre Experten (Bundesrätin Ernst-Dziedzic: Wie zynisch ist das, bitte?! Das sind nicht unsere Experten!) bewerten einen solchen Rückfall als – Zitat – „eher verständlich“, sodass aus Sicht dieser Experten, aus Sicht der Kriminologie kein sachlicher Grund bestehen würde, diesen Täter als Rückfalltäter zu behandeln und strenger zu be­strafen.

Meine Damen und Herren Kollegen, die Strafrechtsordnung wird nicht für Experten und Kriminologen im Elfenbeinturm erlassen, sondern sie dient dem Schutz aller Menschen in Österreich, insbesondere, meine Damen und Herren, dem wirksamen Schutz vor gefährlichen Gewalt- und Rückfalltätern. (Beifall bei der FPÖ.) Die wirklich maßge­benden Experten sind Sie, meine Damen und Herren Kollegen hier im österreichischen Parlament, hier im Bundesrat. Sie stehen auch in Ihrem Wahlkreis in laufendem Kontakt mit den Bürgern und Bürgerinnen und können als gewählte Volksvertreter nach eigenem Wissen und Gewissen selbst prüfen und mit Ihrem Stimmverhalten hier nun entscheiden, ob für schwere Gewalttäter und Rückfalltäter künftig ein höherer Straf­rahmen auch tatsächlich wirksam werden soll.

Herr Kollege Weber von der SPÖ, Frau Kollegin Dziedzic von den Grünen, Sie haben mit Verweis auf die Experten auch wieder das altbekannte Argument vorgetragen, höhere Freiheitsstrafen bringen nichts, sie seien nicht zielführend, da sie den Täter ja nicht von der Tatbegehung abhalten würden und auch nach der Verbüßung seiner Haft nicht davon abhalten, neuerlich eine Straftat zu begehen. – Ja, das mag schon sein, und es mag schon sein, dass diese These auch evidenzbasiert durch Statistiken gestützt werden kann, der Täter ist aber während der Verbüßung seiner Haft aus dem Verkehr gezogen, und zumindest während dieser Zeit ist die Bevölkerung vor weiteren Taten geschützt. (Beifall und Bravoruf bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren! Herr Justizminister Dr. Jabloner, Sie haben schon anläss­lich der Plenardebatte über das Gewaltschutzpaket im Nationalrat einen besonderen Kritikpunkt in Bezug auf eine Änderung des Jugendstrafrechts genannt. Nach dem geltenden Jugendstrafrecht werden ja bekanntlich junge Erwachsene im Alter von 18 bis 21 Jahren insofern privilegiert, als für sie grundsätzlich die Mindeststrafdrohungen gelten, wie sie auch für Jugendliche vorgesehen sind.

Der vorliegende Gesetzesbeschluss sieht nun unter anderem vor, dass dieses Privileg der 18- bis 21-jährigen erwachsenen Täter für bestimmte schwere Delikte nicht gelten soll und auch diese jungen Erwachsenen, wenn sie ein solches schweres Delikt begehen, künftig nach dem ganz gewöhnlichen Erwachsenenstrafrecht abzuurteilen sind. Dazu haben Sie, Herr Justizminister, nun kritisiert, und ich darf Sie wörtlich aus der Plenardebatte im Nationalrat zitieren:

„Die Auswirkungen dieser geplanten Regelung zeigen sich nicht nur bei den schwers­ten Delikten, bei denen die Änderung vielleicht noch nachvollziehbar wäre, sondern auch schon bei der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs. 4 StGB. Versetzt zum Beispiel ein 19-Jähriger in einem Lokal einem anderen in einem Streit einen Faust­schlag – was in diesem Alter leider passiert –, und das Opfer stürzt und erleidet einen Bruch eines Fingers, so würde in Zukunft die Mindeststrafe sechs Monate betragen. Bedenken Sie, dass Sie mit einer solchen weitgehenden Änderung vielleicht nicht nur die offensichtlich beabsichtigen Zielgruppen, sondern auch den 19-Jährigen von neben­an erwischen.“

Herr Justizminister, wo ist das Problem? Der 19-Jährige von nebenan hat diese schwere Körperverletzung zu verantworten. Ja, die Mindeststrafe wird künftig, wie bei allen Erwachsenen, sechs Monate betragen, aber diese sechs Monate müssen keineswegs in Haft zugebracht werden. Anstelle der Freiheitsstrafe kann das Gericht gemäß § 37 StGB auch eine Geldstrafe verhängen. Und ebenso hat das Gericht auch weiterhin die Möglichkeit, nach § 43 StGB vorzugehen und diesem 19-jährigen Erst­täter die Freiheitsstrafe bedingt nachzusehen. Der 19-jährige Wirtshausschläger, für dessen Schutz Sie plädiert haben, wird also aufgrund der bedingten Strafnachsicht auch weiterhin keinen einzigen Tag im Gefängnis verbringen müssen.

Bleiben wir gleich bei diesem Thema der bedingten Nachsicht! Aufgrund der über­schießenden Anwendung dieser Bestimmung in der Rechtspraxis bleibt ein mittelloser Straftäter oftmals ohne irgendeine wirklich spürbare Sanktion. In vielen Fällen wird auch nicht einmal Bewährungshilfe angeordnet, so wie es vom Gesetz eigentlich vor­gesehen wäre. Für den mittellosen Täter wirkt das wie ein Freispruch. Ein Widerruf der bedingten Strafnachsicht wird auch bei Rückfalltätern nur in den seltensten Fällen tatsächlich angeordnet. Kurzum: ein an sich gut gemeintes Instrument im Sinne des täterfreundlichen Resozialisierungsgedankens, das betroffene Opfer von schweren Gewalttaten, die auch selbst keine Möglichkeit haben, von einem mittellosen Täter auch nur einen einzigen Cent an Schadenersatz zu erhalten, meist fassungslos zurück­lässt.

Nun soll durch das Gewaltschutzpaket bei der Verurteilung wegen einer Verge­walti­gung, also einer besonders schweren und verwerflichen Straftat, erstmals die Mög­lichkeit einer bedingten Strafnachsicht ausgeschlossen sein. Diese Regelung ver­dient auch aus meiner Sicht Kritik, aber aus einem anderen Grund, als die linke Hälfte dieses Saals diese Regelung kritisiert, nämlich weil sich der Ausschluss der bedingten Strafnachsicht nicht auf alle Gewalttaten bezieht, sondern allein auf das Verbrechen der Vergewaltigung beschränkt, meine Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Ein objektiver Kritikpunkt am Gewaltschutzpaket, den auch ich nachvollziehen kann, betrifft die Komplexität der Strafrahmen und Strafzumessungsgründe. Da muss man aber auch festhalten, dass sich dem Grunde nach nichts an dem ohnehin schon komp­lizierten Regelungswerk ändert. Die Regelungen waren schon bisher für den Rechts­anwender schwierig handzuhaben und sie werden es auch weiterhin sein. Die allge­meinen Regeln über Strafrahmen, Strafnachsichten, Erschwerungs- und Milderungs­gründe bedürfen aus meiner Sicht ganz zweifellos einer umfassenden, grundlegenden Reform.

Das ist aber heute nicht das Thema und das ist auch kein Grund, gegen das vorlie­gende Gewaltschutzpaket zu stimmen. Über Jahre und Jahrzehnte wurde das Straf­recht Stück für Stück in Richtung Täterfreundlichkeit verschoben, die heutige Reform ist ohnehin nur ein ganz kleiner Trippelschritt zurück, hin zu einer nachvollziehbaren ausgewogenen und gerechten Sanktionierung schwerer Gewalttäter. Wir Freiheitlichen werden daher diesem Gewaltschutzpaket unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Jetzt seid’s einmal ordentlich aufgeklärt worden, fachlich!)

15.58

Vizepräsident Hubert Koller, MA: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Mag.a Ines Stilling. Ich erteile es ihr.