14.41

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA MA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Bundes­kanzler! Sehr geehrte Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren! Eine Zwei­weltenthese, eine Zweiweltentheorie – das trifft eigentlich den Nagel auf den Kopf, wenn man sich dieses Regierungsprogramm ansieht. In der Einleitung gelangt diese Bipolarität gut zum Ausdruck. Ich möchte sagen: die Salzburger-Festspiele-Fraktion, das ist die ÖVP, und die Ende-des-Zweiten-Weltkrieges-Fraktion, die Grünen.

Gibt es keine andere Erinnerungskultur, keine anderen Erinnerungsorte oder erwei­ter­ten Erinnerungsorte? Diese gibt es 2020 – und was ist danach? Das Ende der Koalition oder das Ende Österreichs oder Europas oder was auch immer? – 650 Jahre histo­risches, kulturwissenschaftliches Österreich finden in diesem Programm keinen Wider­hall. (Beifall bei der FPÖ.)

Ein Vorredner oder eine Vorrednerin von der ÖVP hat gemeint, die Entlastung der Wirt­schaft finde jetzt wirklich statt, die Grenze betreffend geringwertige Wirtschaftsgüter werde jetzt endlich angehoben. Dazu möchte ich sagen, diese Bundesräte haben wohl noch das Programm der ÖVP-FPÖ-Regierung in der Hand, denn die Entlastung kann ich nicht sehen und die Erhöhung betreffend geringwertige Wirtschaftsgüter hat bereits stattgefunden, ist dank der Argumentation seitens der FPÖ und der Umsetzung bereits mit 1.1.2020 in Kraft getreten. (Beifall bei der FPÖ.)

Es gibt aber schon einen Einheitsfaden zwischen ÖVP und Grünen, und dieser rote Faden in dieser gesamten Programmatik ist eine ideologische Konzeption, die für mich klar erkennbar ist. Es kommen zum Beispiel die Menschenrechte vor, die man wirklich neu definieren möchte. Ich muss sagen, die Menschenrechte sind ein Bestandteil der Bill of Rights von Großbritannien aus dem 17. Jahrhundert, kamen im 18. Jahrhundert in die USA, von dort über die Französische Revolution zur österreichischen 1848er-Revolution und wurden 1867 Bestandteil des Grundrechtskatalogs, des Freiheits­kata­logs – und das ist uns Freiheitlichen ein besonderes Anliegen –, und Bestandteil der heutigen Verfassung. Was gibt es da neu zu erfinden – sie sind Bestandteil! Die freie Meinungsäußerung und das Zensurverbot sind uns Freiheitlichen besonders wichtig. (Beifall bei der FPÖ.)

Zusammenfassend kann man sagen, dieses Regierungsprogramm bringt viel Staat, wenig privat; das bedeutet eine Einschränkung der Freiheitsrechte, denn nur mehr privat heißt mehr Freiheiten.

Woran sieht man das? – An der Senkung der Abgabenquote, die Sie, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, hier propagieren, aber eh schon sehr vorsichtig in eine Richtung, und Ihr Vizekanzler hat das gleich dahin gehend korrigiert, dass jetzt nur einmal die un­terste Einkommensstufe entlastet wird, die anderen irgendwann einmal. 42 Prozent – beziehungsweise haben wir in Wirklichkeit ja 45 Prozent, denn 3 Prozent sind finanziell uneinbringlich, weil es diese Unternehmen nicht mehr gibt, die können ihre Steuer- und Abgabenlast gar nicht mehr leisten –, also 45 Prozent Abgabenquote bedeutet auf der anderen Seite: 55 Prozent macht der private Sektor aus. Wenn man von diesen 55 Pro­zent noch die berühmt-berüchtigten NGOs, die sich durch Fördergelder, heißt Steuergelder, finanzieren, mit 15 Prozent wegrechnet, bleibt ein Privatsektor in Öster­reich von nicht einmal 40 Prozent übrig, der zum Erwirtschaften des Bruttoinlands­produktes beiträgt. Diese 40 Prozent privaten KMU leisten aber 80 Prozent des Steuer­aufkommens.

In diesem Regierungsprogramm wird aber kein Wert darauf gelegt, dass man diese vielleicht fördert. Symptomatisch dafür ist auch, dass der Begriff des Familien­unterneh­mens gar nicht darin vorkommt. Frau Ministerin Köstinger hat im Bereich Landwirt­schaft die Familienbetriebe hineinreklamiert, aber im Zusammenhang mit dem Wirt­schaftsministerium oder dem Finanzministerium kommt der Begriff Familienunter­neh­men nicht vor. 80 Prozent unserer über 300 000 KMU sind aber Familienunternehmen, und wir von der FPÖ sind stolz darauf, dass wir sie haben, denn sie sind fleißig und erbringen die Leistungen für unseren allgemeinen Wohlstand und vor allem für das Wirtschaftswachstum. (Beifall bei der FPÖ.)

Wohin geht die Reise wirklich? – Sie sagen: Entlastung. Das sehe ich nicht.

CO2-Zölle kommen, das heißt, da wird sogar der Protektionismus gefördert. Ihr ureigenstes Steckenpferd, meine Damen und Herren von der ÖVP, von der angeb­lichen Wirtschaftspartei, die Freiheiten durchzusetzen, den freien Handel, die Inter­nationalität zu fördern, all das konterkarieren Sie – ich habe das echt zweimal lesen müssen – mit der Forderung nach CO2-Zöllen. Die CO2-Steuer wurde schon erwähnt. Dazu kommt wieder einmal die Finanztransaktionssteuer; also drei Belastungen in einem.

Ganz verwunderlich finde ich – ich nehme an, dass das von den Grünen kommt –: Die Amtssprache wird in Zukunft Englisch sein; das wird zumindest gefordert, aber schauen wir, ob das umsetzbar ist. Englisch ist zwar eine wichtige internationale Sprache, aber man kann doch von den österreichischen KMUs und den EPU nicht verlangen, dass sie sich im Amt nur mehr auf Englisch unterhalten.

Im Zusammenhang mit der Filmwirtschaft – und ich nehme an, das ist auch ein grünes Anliegen – erinnere ich an ein Beispiel aus Wien. Die Rosenhügelstudios, die berühm­ten österreichischen Rosenhügelstudios, wo der Film wirklich seine Tradition hatte, wurden vor einigen Jahren demontiert, wurden dank der Grünen Regierungsbeteiligung in Wien weggerissen. Was passiert dort? – Natürlich Flächenumwidmung, es werden wieder irgendwelche Wohnungen gebaut. Und jetzt will man für die Filmwirtschaft wieder Steuerausnahmen hineinreklamieren?!

Die Normierung der Baukultur wird gefordert. Das halte ich als Wiener für eine gefähr­liche Drohung, wenn ich – wie ich hier schon immer sage; das ist das Einzige, in dem ich Kollegen Schennach recht gebe, ich spreche immer darüber – die Misswirtschaft hier in Wien, was die Baukultur anlangt, sehe.

Beispiel Unesco, Beispiel Heumarkt: Das ist etwas Gutes, was diesbezüglich im Pro­gramm steht, nämlich dass Sie das Unesco-Weltkulturerbe festzurren, verrechtlichen wollen. Da fordere ich auch den ehemaligen Kanzleramtsminister, jetzt Finanzminister Blümel auf, von seinem Weisungsrecht Gebrauch zu machen, denn ein Unesco-Vertrag ist auch Völkerrecht, dass das Projekt am Heumarkt nicht so umgesetzt wird, wie es irrtümlich – beziehungsweise bewusst natürlich – von der rot-grünen Stadtregie­rung gewidmet worden ist. Dann hätte man die Problematik der Aberkennung des Unesco-Weltkulturerbes für Wien definitiv nicht. – Wo bleibt diese Weisung? (Bundes­rätin Schumann: Der Heumarkt ist doch eh schon längst erledigt!)

Ganz interessant wird es für mich auch bei dem Problem beziehungsweise der Termi­nologie Ethik. Ethisch sind Green Bonds, sagen die Grünen. Für alles, was grüne Anleihen sind – ich nehme nicht an, dass sich die Grüne Partei eines Tages über Green Bonds finanzieren möchte, aber vielleicht doch –, werden Ausnahmen gefordert, und alles, was Green Bonds betrifft, ist ethisch. Was ist dann die protestantische Ethik, der ich mich zugehörig fühle? Was ist die Corporate Social Responsibility, auf die die österreichische Unternehmenslandschaft, die Industrie besonderen Wert legt? Ist das etwas Unethisches, denn das hat nicht unbedingt etwas mit Green Bonds zu tun? (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Was sind die unternehmerischen Tugenden? Was ist mit dem Fleiß? Was ist mit der Leistung? – Das alles kommt in diesem Programm nicht vor. Die Leistung, die Leistung der tüchtigen Österreicherinnen und Österreicher wird darin nicht honoriert. (Beifall bei der FPÖ.) Ohne diese Leistung der gesamten Unternehmenslandschaft, aller Unter­neh­menslandschaften, und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird aber der technische Wandel, diese technische Transformation, die Sie in Ihrem ureigensten Pro­gramm fordern, niemals gelingen, denn technischer Fortschritt wird durch Innovation, durch Erfindungen geschaffen. Industriepolitik ist in erster Linie Investitionspolitik, Investitionspolitik ist Innovationspolitik, und nur durch Entlastung erreichen Sie, dass das entsprechende Spielkapital, das Spielgeld für die Investitionen vorhanden ist; dieses muss vorhanden sein.

Zur Entlastung: Einen quantitativen Beitrag zur Senkung der Lohnnebenkosten finde ich nicht. Bei 10 Prozent liegen heute die Lohnnebenkosten; höher als in Deutschland. Man kann noch so viel über den Fachkräftemangel reden, noch so viele Migranten reinholen, noch so viele Bildungsinstitutionen fördern, propagieren – wenn Sie die Kosten nicht senken, sodass die Menschen mehr Netto vom Brutto haben, kommen Fachkräfte einfach nicht nach Österreich. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Da rede ich aber vom Binnenmarkt, von 500 Millionen Menschen im europäischen Binnen­markt.

Die Lohnsteuersenkung, die Einkommensteuersenkung ist nichts anderes als ein Ausgleich der kalten Progression, dieser berüchtigten kalten Progression, die bedeutet, dass die Bestimmungsparameter für die Berechnung der Steuersätze nicht der Inflation angepasst werden. 2009 hatten wir diese Anpassung, 2016 durch Finanzminister Schelling, der das auch als Entlastung verkaufen wollte, und jetzt wollen Sie wieder eine ganz normale Tarifsenkung, eine Tarifanpassung als Entlastungspaket verkaufen. Das ist es natürlich nicht, denn diese paar Prozentpünktchen haben sich in zwei, drei Jahren mit der Inflation schon längst wieder amortisiert beziehungsweise ausgeglichen. Von einer Entlastung kann nicht die Rede sein. Das Einzige, was wirklich eine Ent­lastung bringt, ist die Senkung der Körperschaftsteuer auf 21 Prozent.

Interessant und auch nicht so schlecht finde ich die Forderung nach einer EU Limited, die im Programm als Idee, als Denkansatz festgehalten ist, der natürlich von Europa kommen muss, um in Österreich auch umgesetzt und installiert werden zu können. Nur könnten sich die Grünen da einmal ansehen, welchen Steuersätzen man dann unter­liegt, wenn man so eine European Limited gründet – das ist ja nichts anderes als eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung –, dann zahlt man nämlich 100 Prozent Lohn­nebenkosten, sofern man überhaupt eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter hat, und vom ersten Euro der Gewinnentnahme – auch dieses Recht steht einer Unternehmerin oder einem Unternehmer zu – an die 45 Prozent Steuer; vom ersten Euro an! – Also so eine Ungerechtigkeit, mit der da die Unternehmenslandschaft und die Mitarbeiter behandelt werden, gibt es in ganz Europa nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Dynamik – die ökonomische Dynamik – ist jedenfalls draußen, das hört man auch in der Unternehmenslandschaft, wenn man sich dort ein bisschen unterhält. Hoffnung gibt es, aber es ist nicht mehr. Das Programm ist ernüchternd, der Enthusiasmus, den die ÖVP-FPÖ-Koalition wirklich geschaffen hat, ist verflogen. Was kommen wird, wird die Zukunft zeigen. Festgeschrieben ist das Entlastungsprogramm, das die ÖVP heute hier propagiert, definitiv nicht. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.52

Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Mar­lies Steiner-Wieser. – Bitte.