9.28

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer vor den Bildschirmen! Seit mehr als zwei Monaten beherrscht Corona die Schlagzeilen, und nunmehr ist der Zeitpunkt gekommen, dass es auch bei uns angekommen ist. Auch die WHO hat nunmehr die Coronavirusver­brei­tung als Pandemie eingestuft. Mit den nunmehr verkündeten Maßnahmen erleben wir tiefe Einschnitte im öffentlichen, wirtschaftlichen und sozialen Alltag, ohne dass noch die meisten von uns die Folgen persönlich am eigenen Leib erfahren.

Sie stellen einen radikalen Bruch mit unseren bisherigen Lebensgewohnheiten des modernen, grenzenlosen, mobilen Bürgers dar. Wir stehen vor der Herausforderung, ältere und chronisch kranke Menschen zu schützen. Gerade die Jungen sind auf­gefordert, die Älteren zu schützen. Dies können sie in der Art und Weise tun, dass sie in nächster Zeit soziale Kontakte vermeiden, in den nächsten Wochen den von den Behörden erlassenen Anweisungen folgen und den zurzeit noch nicht greifbaren Virus und seine Folgen nicht auf die leichte Schulter nehmen.

Es gilt nun, uns dafür zu rüsten und gegen eine drohende Katastrophe so aufgestellt zu sein, um die zu erwartenden Schäden so gering wie möglich halten zu können. An erster Stelle steht daher, die Ausbreitung der Coronaepidemie, so lange wie es nur irgendwie geht, hinauszuzögern, um eine ansonsten drohende Überlastung unseres Gesundheitssystems zu verhindern.

Jetzt sind professionelles Krisenmanagement sowie Besonnenheit und kühle Köpfe bei allen Menschen gefragt. Das ist nicht der Zeitpunkt für politisches Hickhack. Es ist ein Gebot der Stunde, sich über die Parteigrenzen hinweg gemeinsam den Herausforde­rungen dieser für uns noch nie dagewesenen Krise zu stellen. Dafür sind österreich­weite Vorgaben durch die Bundesregierung dringend notwendig. Die SPÖ begrüßt die bereits gesetzten Maßnahmen, es ist für uns aber auch klar, dass Österreich einen nationalen Krisenplan, einen Krisenkoordinator und bundesweit einheitliche Regelun­gen braucht. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt gilt es, den Virus gemeinsam zu bekämpfen und die Infektionsrate zu bremsen. Wir müssen achtsam sein und gut zusammenarbeiten. Dazu wird es auch notwendig sein, das Vertrauen der Bevölkerung für die zu setzenden Maßnahmen zu gewinnen. Dies wird aber nur dann möglich sein, wenn es glaubhafte und transparente Infor­mationen gibt. Es ist uns klar, dass es schwierig ist, nicht als Panikmacher hingestellt zu werden, wenn nunmehr unpopuläre Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung gesetzt werden.

Das Vertrauen ist eigentlich die wichtigste Basis für diese Kommunikation. Vielleicht ist es besser, wenn Experten anstelle von Politikern Informationen an die Medien weiter­geben, wie es zum Beispiel gestern der Fall war. Über die unterschiedlichen Werte von Politikern und Ärzten im Vertrauensindex brauchen wir hier, glaube ich, nicht zu dis­kutieren. Beobachten wir zeitweise die Berichterstattung, ist die teilweise bestehende Skepsis in der Bevölkerung zu verstehen. Soll die Botschaft transportiert werden, dass Schutzmasken niemanden schützen, der noch nicht infiziert ist, zeigt man im Fernsehen Bilder von Polizisten mit Schutzmasken. Zu einer Lachnummer wurde ein Beitrag in der „ZIB“, in der ein Reporter vor einem Innsbrucker Hotel berichtet, dass dieses abgeriegelt sei und keiner rein oder raus könne. Im Hintergrund öffnet sich dann die Hoteltür und eine Person verlässt das Hotel munter mit einem Scooter. Als vertrau­ensbildende Maßnahme kann das nicht gewertet werden. Das fördert die Skepsis in der Bevölkerung.

Kehren wir zurück zur Thematik: Wir sind bestens gerüstet. Apropos bestens gerüstet: Ich möchte an dieser Stelle all jenen Dank aussprechen, die bisher unter größt­mög­lichem Einsatz sehr viel dazu beigetragen haben, dass sachliche Informationen, rasche Befunderstellungen und alle bisher gesetzten Maßnahmen möglich waren. (Beifall bei der SPÖ sowie bei BundesrätInnen von ÖVP, FPÖ und Grünen.) Ein ganz besonderer Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Ages, der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit. Dort wurde und wird rund um die Uhr vorbildliche Arbeit geleistet.

So können wir nur hoffen, dass uns die Chance bleibt, aus dieser Krise auch zu lernen, denn eines muss uns klar sein: Es gibt eine Vielzahl von Punkten, die noch zu meistern sein werden. So hat bereits der Ausbruch in China gezeigt, dass die Globalisierung nicht der große Segen ist. Beinahe 70 Prozent der Produktion von Medikamenten findet dort statt, da europäische Firmen gewinnorientiert Produktionsauslagerungen durchgeführt haben. Es werden in Europa kaum mehr Antibiotika hergestellt. Wie sieht es also mit der Verfügbarkeit von Medikamenten aus? Wie sieht es mit der Vor­halte­kapazität in den Krankenhäusern oder in der Ages aus? Kann es sein, dass die Spar­politik doch nicht der Weisheit letzter Schluss war? Es besteht diesbezüglich drin­gender Handlungsbedarf, um die Finanzierung dieser – wie sich jetzt erwiesen hat – wichtigen Einrichtung auch für die Zukunft sicherzustellen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Finanzierung der Ages ist bei Auflösung aller Rücklagen noch für zwei Jahre gesichert. Seit Jahren bleibt die Forderung an den Finanzminister nach einer Valorisie­rung und einer vernünftigen Basisfinanzierung ungehört. Was passiert ist, war eine Reduktion des Personalstandes von 2012 bis heute von 1 400 Vollzeitäquivalenten auf 1 300, wobei noch zusätzliche Aufgaben an die Ages übertragen wurden und die Re­duktion des Personalstandes hauptsächlich im humanmedizinischen, im veterinär­medizinischen Bereich und im Lebensmittelbereich durchgeführt wurde. Diese Be­reiche sind genau jene, die in der Krise vorbildliche Arbeit leisten und nun an ihre Leistungsgrenzen stoßen.

Gerade die jetzige Lage sollte dazu genützt werden, mit einer sofortigen finanziellen Hilfe sicherzustellen, dass der Betrieb aufrechterhalten werden kann, denn eines ist klar: Die personellen und maschinellen Vorhaltekapazitäten reichen nicht aus, um einen noch höheren Arbeitsanfall bewältigen zu können. Ich spreche jetzt nicht an, dass die derzeitigen personellen und maschinellen Ressourcen des veterinärmedi­zinischen Bereichs für die virologischen Arbeiten herangezogen werden. Es ist ja auch kein Geheimnis, dass in den östlichen Nachbarländern im Veterinärbereich bereits die Afrikanische Schweinepest aufgeschlagen ist. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis da die Dienste der Ages notwendig werden.

Daher darf ich Ihnen, Herr Bundeskanzler, die dringende Bitte übermitteln, rasch zu handeln, auch unter dem Aspekt, dass wir damit für den Ernstfall – der kommen wird – entsprechend gerüstet sind, denn es sollte nicht die Situation eintreten, dass wir zwar ein tolles Feuerwehrhaus errichtet haben, aber nicht über genügend Feuerwehr­ein­satzfahrzeuge und Feuerwehreinsatzkräfte verfügen.

Wie schon eingangs erwähnt ist jeder Tag, an dem wir Infektionen verhindern bezie­hungsweise verzögern können, ein gewonnener Tag. Wenn wir die Fakten und Bilder aus Italien betrachten, können wir nur hoffen, dass dieses Szenario uns nicht in dieser Intensität trifft und wir es schaffen, in der verbliebenen Zeit alles daranzusetzen, größt­möglichen Schutz und die medizinische Vorsorge sicherzustellen. Trotz beziehungs­weise gerade wegen der sich überschlagenden Ereignisse sind Ruhe und Besonnen­heit gefordert. Ob die gesetzten Maßnahmen zu früh oder zu spät gesetzt wurden, werden wir erst nach der Bewältigung der Krise erkennen können. Aus dem Bauch heraus überwiegt das Gefühl, dass sie angemessen und sinnvoll sind. Hoffen wir das Beste im Sinne der Gesundheit aller Österreicherinnen und Österreicher! – Glück auf! (Beifall bei der SPÖ.)

9.37

Präsident Robert Seeber: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile ihr dieses.