14.16

Bundesminister für Inneres Karl Nehammer, MSc: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Hohes Haus! Österreich steht derzeit vor zwei großen Herausforderungen; eine wurde durch die freiheitlichen Bundesräte in der Dringlichen Anfrage angesprochen, und die andere ist die Ursache dafür, dass Sie ein wenig auf mich warten mussten – ich bitte dafür auch um Nachsicht und danke für Ihr Verständnis –, nämlich die äußerst herausfordernde Situation, vor der wir angesichts der Entwicklung im Zusammenhang mit dem Coronavirus stehen.

Es finden derzeit laufend Lagebesprechungen im Bundeskanzleramt statt. Ich bin für die Dringliche Anfrage der FPÖ-Bundesräte von der Lagebesprechung mit den Ver­treterinnen und Vertretern der kritischen Infrastruktur – Lebensmittelversorgung, medi­zinische Versorgung und Arzneimittelversorgung, Energieversorger et cetera – jetzt zu Ihnen gekommen (Bundesrat Rösch: ... drei Monate Zeit gehabt!) und komme der Aufgabe der Beantwortung der Dringlichen Anfrage, eingebracht von den freiheitlichen Bundesräten, sehr gerne nach, weil Demokratie vom Parlamentarismus lebt, und als Abgeordneter, der ich einmal war, bin ich mir dessen bewusst, wie wichtig das Zusam­menwirken mit dem Nationalrat, aber auch mit dem Bundesrat ist.

Gestatten Sie mir aber noch, eine Minute lang auf die derzeit größere Herausforderung einzugehen, die uns alle betrifft: die Gefahr durch die Ausbreitung des Coronavirus. Wir erleben derzeit eine dramatische Entwicklung in Italien: ein ganzes Land hat sich unter Quarantäne gestellt. Auch das ist in der Geschichte der Zweiten Republik eine völlig neue Entwicklung. Ich bin als Innenminister gemeinsam mit dem Gesundheits­minister vom Bundeskanzler beauftragt worden, mit allen anderen ressortverant­wort­lichen Ministern dafür Sorge zu tragen, alles zu unternehmen, damit sich der Virus nicht weiterverbreitet.

Ziel ist das Eindämmen seiner Verbreitung, und gestatten Sie mir – deswegen habe ich jetzt um Ihre Geduld gebeten, um diese eine Minute –, einen Appell an Sie zu richten, denn ich werde Sie dabei brauchen: Wir treten jetzt in eine Phase ein, in der wir sehen, dass die Kurve der Zahl der Infizierten in Österreich rapide ansteigt, und wir leider auch den ersten Todesfall zu beklagen haben. In Italien entwickelt sich die Lage noch dra­ma­tischer. Jeder von uns – auch jeder hier im Plenarsaal – hat es in der Hand, dazu beizutragen, dass der Virus sich langsamer ausbreitet. Es geht immer um Zeitgewinn – jetzt gerade für die Expertinnen und Experten, die in der Forschung auf der einen Seite daran arbeiten, dass es eine Medikation gibt, auf der anderen Seite daran, den Virus und auch die Art, wie er sich verändert, noch besser kennenzulernen. Meine große Bitte an Sie ist, dass wir als Verantwortungsträger dieser Republik gemeinsam daran arbeiten, auch als Vorbilder in die Gesellschaft hineinzuwirken.

Wir hatten heute eine für mich auch sehr beeindruckende Lagebesprechung mit den Vertretern aller Religionsgemeinschaften, die einstimmig zugestimmt haben, alle Maß­nahmen, Empfehlungen der Bundesregierung nicht nur mitzutragen, sondern sie vor allem bei den Mitgliedern ihrer Glaubensgemeinschaften selbst einzumahnen. Unser dringender Appell ist: Es gilt jetzt alles daran zu setzen, dass wir soziale Kontakte reduzieren. Da müssen wir bei uns anfangen.

Ich bin selbst Vater zweier Kinder. Mein Vater, meine Mutter, die wahrscheinlich jetzt wieder zuschauen, sind beide knapp 80 Jahre alt und großartige Großeltern. Es liegt jetzt in meiner Verantwortung, dafür zu sorgen, dass ich nicht ihr Risiko erhöhe, sich zu infizieren. Das Gleiche gilt für meine Schwiegereltern. Wir sind eine große Familie, haben uns immer gerne am Sonntag getroffen, sind zusammengesessen. Das war eine große Freude für alle, die daran teilnehmen. Das werden wir jetzt nicht tun. Meine Bitte ist: Tragen Sie das in Ihre eigene Familie, tragen Sie es in Ihren Freundeskreis. Leben wir – als Beispiel für politische Vertreter  genau so, dass wir alles daran setzen, jetzt in dieser intensiven Phase soziale Kontakte einzuschränken, uns nicht mehr die Hand zu geben. Es beginnt oft so einfach. Gleichzeitig sollten wir aber auch im Freundeskreis darauf einwirken, dass jetzt die Zeit ist, sich weniger zu sehen, weniger Kontakte zu haben, um all das zu versuchen, was jetzt geboten ist, nämlich den Virus einzudämmen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Nun aber zum Thema Ihrer Dringlichen Anfrage. Die zweite große Herausforderung für die Republik ist natürlich die Entwicklung an der griechisch-türkischen Grenze. Eines muss man da wohl betonen, es handelt sich hier nicht um eine zufällig entstandene humanitäre Krise, sondern um eine durch die türki­sche Regierung gegenüber der Europäischen Union bewusst herbeigeführte Provo­kation, ein Mitgliedsland der Europäischen Union unter Druck zu setzen.

Wir haben es mit irregulären, gewaltbereiten Migranten zu tun, die vor der Grenze sind und versuchen, diese gewaltsam zu überschreiten. Es handelt sich in übereinstim­men­der Meinung – ich war erst beim EU-Innenministerrat – nicht um Syrer, die unmittelbar von der kriegerischen Auseinandersetzung betroffen sind, sondern um hauptsächlich irreguläre Migrantinnen und Migranten, in dem Fall gewaltbereite Migranten, aus Afghanistan und anderen Ländern.

Es wurde vorher angesprochen, ich komme in der Anfragebeantwortung noch dazu: Ich habe jetzt gerade – bevor ich zu Ihnen gefahren bin –, um die aktuellsten Infor­mationen für Ihre Dringliche Anfrage zur Verfügung zu haben – mit dem Komman­danten der Einheit Cobra gesprochen, den ich ebenfalls entsendet habe. Wir haben als erstes europäisches Mitgliedsland auch auf Wunsch des griechischen Innenministers nicht nur die Sondereinheit Cobra entsendet, sondern damit verbunden auch ein ge­pan­zertes Fahrzeug, den Survivor. Warum? – Weil die Situation an der Grenze wirklich gefährlich für die dort diensttuenden griechischen Beamtinnen und Beamten ist, genauso wie jetzt auch für die Beamtinnen und Beamten im Frontex-Einsatz, von denen Sie schon in der Begründung der Dringlichen Anfrage gesprochen haben. Große Dankbarkeit und Respekt gebührt einerseits diesen Beamten und gleichzeitig aber auch den Cobrabeamten, die in Verbindung mit der griechischen Spezialeinheit ihren Dienst tun und damit auch gleichzeitig Augen und Ohren hinsichtlich Entwicklung der Lage vor Ort für die Republik Österreich sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Gleichzeitig muss ich sagen, eines hat mich beeindruckt: Sie wissen, ich bin jetzt knapp acht Wochen Innenminister und kenne die Position, die Sie (in Richtung Bun­desrätInnen) einnehmen, habe also vorher schon auf die Minister auf der Regie­rungsbank geschaut, wir haben sozusagen im parlamentarischen Weg zusammen­gearbeitet, wie es üblich ist. Was mich aber jetzt in der kurzen Zeit als Innenminister wirklich beeindruckt hat, ist die europäische Zusammenarbeit. Wir sind im intensiven Austausch mit dem griechischen Innenminister, mit dem griechischen Migrationsminis­ter, mit dem bulgarischen Innenminister. Deswegen sieht man auch genau, wie provo­kant und zum Teil perfide die türkische Republik, Präsident Erdoğan, die Europäische Union unter Druck setzt, denn der Druck findet ausschließlich an der griechisch-türkischen Grenze statt, nicht weiter – wenige Kilometer – entfernt an der bulgarischen. Warum? – Bulgarien ist ein traditioneller Verbündeter der Türkei, hat selbst eine türki­sche Minderheit im eigenen Land, bemüht sich als europäisches Land, als Mit­gliedsland der EU auch um gute diplomatische Beziehungen. Man sieht, wie da ganz bewusst gesteuert und auch provoziert wird.

Das wirklich Schlimme dabei ist, sehr geehrte Damen und Herren, dass Menschen missbraucht werden. Es gibt natürlich nicht nur die irregulären gewaltbereiten De­monstranten, die wir auf den Bildern sehen und die die Polizistinnen und Polizisten im Einsatz bedrohen – nein! –, sondern es gibt auch Menschen, die mit falschen Ver­sprechungen an die griechisch-türkische Grenze hingeführt worden sind und jetzt plötzlich zum Spielball der Politik werden.

Das, was mich beeindruckt und begeistert hat, war die Geschlossenheit der Euro­pä­ischen Union, vor allem der Innenminister. Im Innenministerrat gab es volle Unterstüt­zung für das Vorgehen Griechenlands, volle Solidarität für Griechenland. Ja, wir Österreicher leisten auch unseren Beitrag dazu, und zwar nicht nur, indem wir darüber sprechen und den Griechen auch Danke sagen, da der EU-Außengrenzschutz, den sie derzeit gerade leisten, meine sehr geehrten Damen und Herren, der Grenzschutz für Österreich ist, der Grenzschutz für die Binnengrenzen der Europäischen Union ist und in Wahrheit auch der Schutz dafür ist, dass wir wirklich noch daran glauben dürfen, dass es binnenmäßig ein grenzenloses Europa gibt.

Es ist aber auch ein Beweis dafür, dass man etwas tun muss. Österreich tut etwas, einerseits durch die Entsendung der Frontex-Beamten. Sie wissen, man hat einen So­forteinsatz ausgerufen und dadurch die Möglichkeit geschaffen, in Summe 1 200 Beamte an die Grenze zu bringen. Derzeit wird von 100 ausgegangen. Wonach richten sich solche Einsätze? – Das ist mir wichtig, da ich das vorher auch in der Begründung des Bundesrates gehört habe: All diese Einsätze, die wir leisten, auch die Entsendung der Spezialeinheit Cobra, richtet sich immer nach den Wünschen des Gastgeberlandes. Nicht wir schreiben den Griechen vor, was für sie unserer Meinung nach gut ist, sondern die griechische Regierung definiert, was sie braucht, und das stellen wir zur Verfügung. Ich bin stolz darauf, dass Österreich das erste europäische Land ist, dass mit einer Sondereinheit vor Ort unterstützt, mit der Spezialeinheit Cobra inklusive – wie gesagt – des gepanzerten Fahrzeuges. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Frage der Grenzsicherung, die nehmen wir in dieser türkis-grünen Bundes­regie­rung sehr, sehr ernst. Wir gehen von drei Sicherheitsnetzen aus, das erste habe ich gerade beschrieben, das ist der EU-Außengrenzschutz, das ist jetzt Griechenland, das so unendlich viel leistet und unsere volle Solidarität braucht.

Das zweite Sicherheitsnetz ist die Grenzsicherung der Staaten entlang der Balkan­route, mit denen gibt es eine lange und gute Zusammenarbeit, gerade seit 2015. Da hat der Begründer der freiheitlichen Bundesräte vollkommen recht, wir dürfen Bilder wie 2015 nie wieder zulassen. (Bundesrat Steiner: Hoffentlich!) In dieser Beurteilung der Lage finden wir uns. Genau aus diesem Grund gibt es eine intensive Zusam­menarbeit mit den Staaten entlang der Balkanroute, schon lange eine Kooperation des Innenministeriums mit den Sicherheitsbehörden in Nordmazedonien, wo auch öster­reichische Polizistinnen und Polizisten Dienst tun. Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit meinem Innenministerkollegen in Ungarn, wir haben jetzt gerade 20 Polizisten inklusive Diensthundeführer und Diensthund verabschiedet, um auch bei der Sicherung der serbisch-ungarischen Grenze zusammenzuarbeiten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch da ist immer auf eines hinzuweisen: All diese Unterstützungsleistungen vonseiten der Republik Österreich werden den ande­ren Mitgliedstaaten oder einem betroffenen Staat, auch nicht auf der Balkanroute, aufs Auge gedrückt, sondern sie entstehen in Absprache anhand einer Bedarfsanalyse und durch eine Beurteilung der Lage. Über den Einsatz entscheidet das Land, das die Unterstützungsleistung erhält. Das ist das zweite Sicherheitsnetz.

Das dritte Sicherheitsnetz, von dem gesprochen worden ist, ja, das ist unser eigener Grenzschutz. Ich als Innenminister sage das auch mit Stolz, ich habe das Privileg, Poli­zistinnen und Polizisten nicht nur bei mir im Stab, sondern auch in den Landes­polizeidirektionen zu haben, die 2015 – so wie der Bundesrat der Freiheitlichen als Militärpolizist in Assistenzleistung – für das Innenministerium im Einsatz stehend erlebt haben. Das waren dramatische Tage und Wochen. Warum spreche ich von einem Privileg? – Diese Polizistinnen und Polizisten, sei es jetzt in den Landes­polizei­direk­tionen, sei es bei mir im Stab im Innenministerium, haben eine Expertise aufgebaut, wissen, was wir anders machen müssen, haben die Einsatztaktik für unseren eigenen Grenzschutz mitentwickelt. Außerdem – ja! – haben wir mehr Polizistinnen und Polizisten als 2015 zur Verfügung. Wir haben aber auch – und das ist sehr wichtig für die Kolleginnen und Kollegen vor Ort – eine bessere Ausrüstung als 2015. (Zwi­schen­ruf der Bundesrätin Schartel. – Bundesrat Steiner: Danke, Kickl!) – Das ist jetzt ein interessanter Zwischenruf aus der freiheitlichen Bundesratsfraktion, denn eigentlich arbeiten alle im Interesse der Republik zusammen.

Wie laufen Beschaffungsvorgänge ab, auch bei der Polizei? – Angeschafft wurden noch unter Innenminister Wolfgang Sobotka Stichschutz- und ballistische Westen sowie die neuen Sturmgewehre, ausgeliefert wurden sie während der Zeit des Innen­ministers Kickl. Wissen Sie, was jedoch das Besondere ist? – Diese Vorgänge dienen immer der Sicherheit der Republik, unabhängig davon, welche Parteifarbe der jeweilige Innenminister hat. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Pisec. – Bundesrat Steiner: Und der Beamten! Der Sicherheit der Beamten hoffentlich!)

Genau diesem Ziel sehe auch ich mich verpflichtet, und ja, wir sind auch hier im Haus zur Zusammenarbeit aufgerufen, wenn es darum geht, dass wir auf das, was kommt, bestmöglich vorbereitet sein müssen. Die Polizistinnen und Polizisten sind gut ausge­bildet. Wir haben jetzt auch beschlossen, den Assistenzeinsatz des österreichischen Bundesheeres auf 2 200 Mann zu erhöhen. In der Zusammenarbeit mit dem Bun­desheer gibt es eine lange Tradition: Es ist eine gute Tradition der gemeinsamen Ausbildung, der Beurteilung der Lage und gleichzeitig betreffend die Herangehens­weise, wie das Bundesheer mit dem sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz die Polizei bestmöglich unterstützen kann. Die rechtliche Ausgangslage ist übrigens eine, für die uns viele europäische Länder beneiden, weil es da kein Gegeneinander oder keine Diskussionen – wer darf was tun –, gibt, sondern ein Miteinander im Interesse der Sicherheit Österreichs.

Wir haben aber bei diesen Themen noch genug zu tun, gerade jetzt muss etwa Griechenland weiter unterstützt werden. Die Europäische Union hat beschlossen, Griechenland 350 Millionen Euro sofort zur Verfügung zu stellen, weitere 350 Millionen Euro können angefordert werden. Wissen Sie, warum das auch wichtig ist? – Robuster Grenzschutz an der Außengrenze ist kein Widerspruch zu Humanität vor Ort. Wenn ich die Bilder von Lesbos sehe, wie dort die Flüchtlingskinder und allgemein die Flücht­linge untergebracht sind, dann erschüttert mich das genauso.

Es ist als Bundesregierung unsere Verpflichtung, mitzuhelfen, dass die Lebensum­stän­de dort besser werden. Gleichzeitig müssen wir auch wissen, dass die Europäische Union Griechenland seit 2015 2,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt hat, um die Umstände auf den griechischen Inseln und die Unterbringung der dort irregulär aufhältigen Migranten und Flüchtlinge zu verbessern.

Vor Kurzem hat es einen Regierungswechsel in Griechenland gegeben, und damit gibt es nun eine Regierung, die den Grenzschutz, wie man sieht, ernst nimmt, aber gleichzeitig auch ernsthaft bemüht ist, die humanitäre Situation der Betroffenen zu verbessern. Diese Bestrebungen gilt es zu unterstützen, und dazu sind wir bereit, tatsächlich Geld in die Hand zu nehmen, das hat die Regierung schon gezeigt – Geld nicht nur für Griechenland, sondern auch für das hauptbetroffene Land Syrien, für die Bewältigung der Katastrophe in Idlib.

Ja, es gilt auch in den Verhandlungen mit der Türkei, darauf Rücksicht zu nehmen, dass dieses Land außergewöhnlich belastet ist, nur eines muss die Türkei – und vor allem Präsident Erdoğan – wissen: Der EU-Türkei-Deal sieht ja vor, 6 Milliarden Euro für die Betreuung der Flüchtlinge vor Ort in der Türkei zur Verfügung zu stellen, davon wurden erst 3,3 bis 3,4 Milliarden Euro abgerufen. Der türkische Präsident hat nun gefordert, man solle das Geld doch gleich der türkischen Regierung geben und nicht lange darüber diskutieren, wofür es eingesetzt wird – das wird die Europäische Kommission so nicht zulassen! Entscheidend ist für die Kommission nämlich, wie mit diesem Geld umgegangen und wo geholfen wird, und dass es nicht missbräuchlich verwendet wird.

Für uns als Europäer, als Mitglieder der Europäischen Union ist es wichtig, eines immer wieder zu signalisieren – auch jetzt im Austausch mit Griechenland, das in dieser Frage gerade so bedrängt wird –: Eines ist klar, die Europäische Union wird sich nicht erpressen lassen, diese Botschaft muss eindeutig sein. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ofner.)

Nun aber zur Beantwortung der von Ihnen gestellten Fragen.

Zur Frage 1:

Zum Schutz der österreichischen Grenzen ist ein dreistufiges Sicherheitsnetz vorge­sehen. Das erste und wichtigste Sicherheitsnetz stellt der Schutz der EU-Außengrenze dar. Die Europäische Kommission hat für Griechenland bereits eine Finanzhilfe von 700 Millionen Euro in Aussicht gestellt, Österreich wird Griechenland ebenfalls Hilfs­gelder für die humanitäre Unterstützung zur Verfügung stellen.

Das zweite europäische Sicherheitsnetz wird in enger Abstimmung mit den Staaten des Westbalkans verstärkt. Auch da geht es um Unterstützung im Bereich des Grenz­schutzes sowie Rückführungen, Schleppereibekämpfung und Unterstützung im Bereich Asyl. Österreich unterstützt die Westbalkanstaaten seit vielen Jahren aktiv und wird dieses Engagement auch in Zukunft weiterhin fortsetzen.

Das dritte Sicherheitsnetz stellt der Schutz der österreichischen Binnengrenzen dar. Entscheidend ist unter anderem eine klare Kommunikation und Haltung, dass sich die Situation von 2015 nicht wiederholen darf. Es wird zu keinem Durchwinken von Migran­tinnen und Migranten kommen.

Zur Frage 2:

Durch das dreistufige Sicherheitsnetz wird sichergestellt, dass es einen umfassenden Plan zur konsequenten Verhinderung illegaler Grenzübertritte gibt. Das Sicherheitsnetz sieht sowohl nationale als auch europäische Maßnahmen vor, die illegale Grenz­über­tritte konsequent verhindern werden.

Zu den Fragen 3 bis 8:

Bauliche Maßnahmen sind Teil unserer einsatztaktischen Überlegungen. Details kön­nen daher aus einsatztaktischen Gründen nicht bekannt gegeben werden, denn es kann in niemandes Interesse liegen, dass gewaltbereite, irreguläre Migrantinnen und Migranten sich darauf vorbereiten können, den Grenzschutz zu überwinden.

Zu den Fragen 9 und 10 sowie zu den Fragen 22 bis 24:

Durch das dreistufige Sicherheitsnetz wird sichergestellt, dass es einen umfassenden Plan zur konsequenten Verhinderung illegaler Grenzübertritte gibt. Das Sicherheitsnetz sieht sowohl nationale als auch europäische Maßnahmen vor, um illegale Grenz­übertritte konsequent zu verhindern. Als Konsequenz aus der Situation von 2015 wurde an zwölf neuralgischen Grenzübergangsstellen ein sogenanntes Grenzmanage­ment eingerichtet. An diesen Grenzübergangstellen können mithilfe der geschaffenen technischen Ressourcen Fremde medizinisch erstversorgt, verpflegt, durchsucht, regis­triert und angehalten werden.

Zu den Fragen 11, 12, 13 und 14:

Unsere Polizistinnen und Polizisten sind für solche Herausforderungen bestens aus­gebildet. Der Waffengebrauch der Exekutive ist im Waffengebrauchsgesetz klar ge­setz­lich geregelt, weitere Grundlagen sind das Sicherheitspolizeigesetz und das Straf­gesetzbuch.

Zur Frage 15:

Nach Auskunft unserer Verbindungsbeamten wurden in Griechenland von 28.2. bis 11.3.2020 480 Personen am Festland aufgrund illegaler Grenzübertritte aufge­griffen, es sind im gleichen Zeitraum 1 925 Personen auf den Inseln angelandet. In Bul­garien – das passt jetzt zu dem, was ich Ihnen vorher in meiner Ausführung dargelegt habe, wie unterschiedlich sich der Druck verteilt – wurden in diesem Zeitraum neun illegale Migranten bei Grenzübertritten aufgegriffen.

Zur Frage 16:

„Wie viele Aufgriffe illegaler Migranten gab es seit der Grenzöffnung durch die Türkei in Österreich?“ – Laut Schlepperdatenbank des Bundeskriminalamtes wurden von 28.2. bis 11.3.2020 in Österreich insgesamt 615 geschleppte, illegal eingereiste und illegal aufhältige Personen aufgegriffen.

Zur Frage 17:

Von 1.3. bis 10.3.2020 wurden in Österreich 465 Asylanträge gestellt.

Zur Frage 18:

In den Monaten Jänner und Februar 2020 wurden insgesamt 2 608 Asylanträge ge­stellt, davon 1 504 im Jänner und 1 104 im Februar. Eine Ergänzung dazu, weil das auch immer wieder ein Thema war: Zwischen Jänner und Februar 2020 wurden 1 000 Kinder und Frauen in die Grundversorgung und in ein Asylverfahren in der Re­publik Österreich aufgenommen.

Zur Frage 19:

2019 wurden bis Ende Februar 1 895 Asylanträge gestellt, heuer waren es 2 608 Asyl­anträge.

Zu den Fragen 20 und 21:

Derartige Maßnahmen der Aufnahme, wie Relocation oder Resettlement, sind aktuell nicht geplant, da Österreich bereits derzeit einen überproportionalen Beitrag zum inter­nationalen Flüchtlingsschutz leistet.

Zu den Fragen 25 bis 28:

Seit letzter Woche finden Gesundheitschecks durch die Gesundheitsbehörden an den Grenzen zu Italien statt. Seit 11.3.2020 finden zusätzlich Binnengrenzkontrollen an den Grenzen zu Italien statt. Aufgrund der Verordnung des Gesundheitsministers müssen nun alle Personen bei der Einreise aus Italien ein Gesundheitszeugnis vorweisen, Per­sonen ohne Gesundheitszeugnis kann die Einreise verweigert werden. Von dieser Regelung sind auch illegal eingereiste Personen umfasst. Über Quarantäne­maßnah­men entscheidet die zuständige Gesundheitsbehörde.

Zu den Fragen 29 bis 31:

Die Organe des Bundesheeres werden von der Sicherheitsbehörde aufgrund ihres Einsatzprofils mit den notwendigen Befugnissen ausgestattet.

Zu den Fragen 32 und 33:

Es wurden keine Grenzschutzübungen abgesagt.

Zur Frage 34:

Meinungen und Einschätzungen sind nicht Gegenstand des Interpellationsrechts.

Zur Frage 35:

Nachstehende Maßnahmen wurden gesetzt: verstärkter Informationsaustausch mit na­tio­nalen und internationalen Partnern, Behörden und Organisationen sowie Nutzung aller rechtlich zulässigen Informationsquellen.

Zu den Fragen 36 und 37:

Österreich verfolgt das Ziel einer umfassenden Migrationssteuerung zur nachhaltigen Verhinderung von illegaler Migration sowohl in den Herkunftsstaaten außerhalb Euro­pas als auch in Transitstaaten wie den Westbalkanstaaten. Durch kapazitätsbildende Maßnahmen sowie enge Kooperation werden Grenzmanagement, Schleppereibe­kämpfung und Rückführungen optimiert sowie die Ursachen illegaler Migration redu­ziert. Österreich befindet sich im ständigen Austausch und in guter Kooperation mit den Staaten des Westbalkans. Diese Kooperation findet sowohl auf bilateraler, multilate­raler als auch auf EU-Ebene statt. Frontex ist ein wichtiger Partner in der Bekämpfung illegaler Migration und Österreich beteiligt sich aktiv am Einsatz.

Zur Frage 38:

Miteinander verbundene Hauptzielsetzungen sind: erstens die Stärkung des euro­pä­ischen Außengrenzschutzes; zweitens eine darauf aufbauende EU-Asylreform mit dem Ziel, unkontrollierten Zuzug sowie Sekundärmigration zu verhindern; drittens die nach­haltige Bekämpfung der Schlepperei; viertens schnellstmögliche Rückführung nicht Schutzbedürftiger möglichst bereits vor der EU-Außengrenze; fünftens Hilfeleistung für Schutzbedürftige vor Ort unterstützen und verhindern, dass aus Seenot gerettete Menschen automatisch ein Ticket nach Europa erhalten.

Zur Frage 39:

Nein, die Balkanroute ist geschlossen. Durch die enge Kooperation mit Drittstaaten, insbesondere mit den Ländern des Westbalkans, unter anderem auch im Rahmen des Salzburg Forum, wird ein engmaschiges Kontrollnetz im Sinne des bereits zuvor ausgeführten dreistufigen Sicherheitsnetzes entlang der Westbalkanroute sicherge­stellt.

Zur Frage 40:

Nach den vorliegenden Informationen befinden sich derzeit in den genannten Staaten insgesamt rund 125 000 Migranten, wobei sich der Großteil von rund 100 000 in Griechenland befindet. Rund 42 000 Migranten befinden sich auf den griechischen Inseln. Hauptländer am Balkan sind Serbien mit rund 13 000 und Bosnien mit rund 8 000 aufhältigen Migranten. Der Rest teilt sich auf die anderen genannten Staaten auf.

Zur Frage 41:

In den einzelnen Staaten erfolgten nach den mir vorliegenden Informationen bis An­fang März 2020 folgende Aufgriffe, wobei auch Mehrfachzählungen möglich sind:

Griechenland: 8 472, Bulgarien: 160, Nordmazedonien: 4 370, Kosovo: 800, Montene­gro: 1 300, Serbien: 10 990, Bosnien und Herzegowina: 2 960, Kroatien: 2 250, Slowe­nien: 1 130, Rumänien: 6 600 und Ungarn: 5 600.

Zu den Fragen 42 bis 44:

Der Budgetgestaltungsprozess ist derzeit noch am Laufen. Das Budget des Bundes­ministeriums für Inneres kann deshalb vor Beschlussfassung des Bundesfinanz­ge­setzes nicht als abgeschlossen betrachtet werden. Die mit einer verstärkten Migra­tions­bewegung verbundenen, über die bisherige Planung hinausgehenden Ausgaben werden vom BMF bei Bedarf im Budgetvollzug bereitgestellt.

Zu den Fragen 45 und 46:

In der Frage, ob, und wenn ja, inwiefern gesetzliche Verschärfungen vorzunehmen sind, möchte ich mit meiner Antwort dem Hohen Haus als Gesetzgeber nicht vor­greifen. Die Bundesregierung hat sich in ihrem Regierungsprogramm 2020–2024 „Aus Verantwortung für Österreich“ im Bereich Migration und Asyl auf wesentliche Maßnah­men verständigt, um auf zukünftige Herausforderungen in diesem Bereich mit den aus der Migrationskrise 2015/2016 gezogenen Lehren adäquat reagieren zu können, etwa durch „Stärkung des europäischen Außengrenzschutzes“, „Schutz der österreichischen Binnengrenze, solange der EU-Außengrenzschutz nicht lückenlos funktioniert“, „Schlep­pereibekämpfung durch intensivierte operative und strategische internationale Zusam­menarbeit“, Zusammenführung der Tätigkeitsfelder Grundversorgung, Rechts- und Rückkehrberatung sowie Dolmetschleistungen und Menschenrechtsbeobachtung in der BBU.

Zu den Fragen 47 bis 49:

Österreich hat in den letzten Jahren mit etwa 115 000 Schutzgewährungen einen enor­men Beitrag zum internationalen Flüchtlingsschutz geleistet und führt Asylverfahren in hoher Qualität und unter Einhaltung aller völker- und europarechtlichen sowie natio­nalen Vorgaben durch.

Zu den Fragen 50 bis 53:

Der Bundeskanzler hat wiederholt klargestellt: Es wird keine Aufnahme von Kindern, Minderjährigen, Frauen oder sonstigen Personen von den griechischen Inseln durch Österreich geben. Es ist offensichtlich, dass kriminelle Schlepperbanden nur auf ein derartiges Signal warten, um mit der falschen Nachricht neue Menschen in diese oft tödliche, illegale Geschäftemacherei zu locken. Die sicherlich oft gut gemeinten Ab­sichten einiger würden im Sinne einer falsch verstandenen Humanität damit direkt zum gegenteiligen Ergebnis führen und viele weitere Kinder und Frauen in größere Gefahr bringen. Eine wirklich humanitäre und faire Asylpolitik erfordert jedoch ein grundsätz­liches Umdenken. Es muss sichergestellt werden, dass Schutz vor Verfolgung bereits in den Herkunftsregionen gewährleistet ist und illegale Migration beziehungsweise der Missbrauch unseres Systems konsequent verhindert werden. Dafür setzt sich die österreichische Bundesregierung ein.

Zur Frage 54:

Mechanismen zur Verteilung von Migranten beziehungsweise Asylwerbern innerhalb der EU sind gescheitert. Österreich setzt daher diesbezüglich keine Initiativen, sondern verfolgt die unter Frage 38 angesprochenen Hauptzielsetzungen.

Zu den Fragen 55 und 56:

Die Zahlen betreffend Schutzgewährung für unbegleitete Minderjährige stellen sich wie folgt dar: 2019 waren es 91 unbegleitete Minderjährige, davon 63 unbegleitete minder­jährige Flüchtlinge über 15 Jahre. In Summe – 2015, 2016, 2017, 2018, 2019 – waren es 1 625 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, davon 1 383 unbegleitete minder­jäh­rige Flüchtlinge über 15 Jahre. Die Anzahl derjenigen, denen subsidiärer Schutz ge­währt wurde, lag von 2015 bis 2019 bei 2 444 unbegleiteten Minderjährigen, davon 2 120 unbegleitete Minderjährige über 15 Jahre.

Zur Frage 57:

Diesbezüglich liegen nun für die Jahre 2018 bis 2019 sowie für Jänner und Feb­ruar 2020 Auswertungen vor. Es sind 140 unmündige Minderjährige, die einen Antrag auf Familiennachzug gestellt haben. Insgesamt 562 Familienmitglieder sind nachge­kommen, was etwa einem Verhältnis von 1 : 4 entspricht.

Zu den Fragen 58 und 59:

In Österreich wurden seit 2015 nahezu 200 000 Asylanträge gestellt und circa 115 000 Personen haben einen Schutzstatus erhalten. Aufgrund dieser überpropor­tio­nalen Belastung ist derzeit weder geplant, im Rahmen von Resettlement, noch im Rahmen von Relocation, also Verteilung, zusätzliche Personen aufzunehmen. (Beifall bei der ÖVP.)

14.47

Präsident Robert Seeber: Danke für die Beantwortung, Herr Minister.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit jedes Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Ofner. Ich erteile ihm dieses.