15.25

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehr­ter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Zuseherinnen und Zuseher via Livestream! Bevor ich jetzt anfange, möchte ich noch einen ganz kurzen Satz zu Kollegen Ofner sagen – wo sitzt er?  –: Unsere grüne Abgeordnete fliegt nach Lesbos, um sich ein Bild vor Ort zu machen, Ihr grüner Abgeordneter fliegt nach Ibiza, um die Republik zu verscherbeln. (Beifall bei den Grünen. – Rufe bei der FPÖ: Wir haben keinen grünen Abgeordneten!) – Flog! Ihr Abgeordneter! (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.  – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Bitte? (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist ein Witz, der hat schon so einen Bart!) – Ja, es muss aber manchmal sein, denn Sie scheinen es schon vergessen zu haben. – Gut. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Warum war ich eigentlich überhaupt nicht verwundert, als ich gelesen habe, dass es eine Dringliche Anfrage vonseiten der FPÖ geben wird? – Weil in dieser Republik kein Tag vergehen darf, ohne dass die Freiheitlichen das Thema Nummer eins in den Vordergrund stellen. Das ist in der jetzigen Situation, in der jeder von uns gefordert ist, tatsächlich alles daran zu setzen, für das Wohl der Menschen in Österreich seine Kraft einem Virus entgegenzusetzen, wirklich schändlich! (Bundesrätin Schartel: ... ich bin Österreicherin, richtig!)

Worum geht es wirklich in Ihrer Anfrage? – Es geht um unqualifizierte Angstmache und um schändlichen Populismus. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Wir erleben derzeit die jüngsten Ereignisse an der syrisch-türkischen Grenze als eine weitere humanitäre Katastrophe. Viele Tausend von dem fast neun Jahre andauernden Krieg gebeutelte Menschen sind durch neuerliche Kriegshandlungen abermals in die Schusslinie geraten und fliehen, um ihr Leben in Sicherheit bringen. (Bundesrätin Mühlwerth: Die sind nicht in der Schusslinie!) Flucht, und das ist hinlänglich bekannt, erfolgt als erstes in das nächste sichere Gebiet, und das ist für viele Syrerinnen und Syrer die Türkei – oder es war die Türkei. Nun erleben wir das Phänomen, dass sich Herr Erdoğan diese Menschen zum Spielball macht, und das ist schändlich und bringt in der Folge die Europäische Union in eine Situation, die eine große Herausforderung birgt.

In den letzten Jahren wurden seitens der Europäischen Union 6 Milliarden Euro an Hilfsmitteln zugesagt und inzwischen wurden 3,2 Milliarden Euro ausbezahlt, darunter 45,6 Millionen Euro aus Österreich und 427 Millionen Euro aus Deutschland. Diese Gelder sollten dazu dienen, den Flüchtlingen in der Türkei ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Das bedeutet in der Realität, dass Flüchtlingskinder Schulen besuchen können (Bundesrat Schennach: Schulen besuchen in der Türkei? – Bun­des­rat Rösch – in Richtung Bundesrat Schennach –: ... und wo ...?), dass Flüchtlinge Wohnraum zur Verfügung haben, dass es den Flüchtlingen ermöglicht wird, ein den Umständen entsprechendes Leben führen zu können, dass Sie nicht weiter fliehen müssten. Das ist aber nicht gewährleistet. (Bundesrat Schennach – in Richtung Bun­desrat Rösch –: Ich habe mir die Flüchtlingslager in der Türkei angeschaut! Da gibt es keinen Schulbesuch!) Herr Erdoğan benutzt nämlich diese Flüchtlinge nun als Druck­mittel gegenüber der EU und macht diese Menschen zum Spielball. Es ist ein Verlangen der türkischen Regierung, dass die Hilfsgüter in Zukunft der türkischen Regierung zufließen sollen und nicht mehr den vor Ort tätigen Hilfsorganisationen, und das ist inakzeptabel.

Um dieser Situation gerecht zu werden, braucht es Gespräche innerhalb der EU. (An­haltende Rufe und Gegenrufe zwischen den Bundesräten Schennach und Rösch.) – Sie können hier diskutieren und ich rede danach weiter. (Bundesrat Schreuder – in Richtung Bundesräte Schennach und Rösch –: Das ist wirklich respektlos! – Rufe bei der FPÖ: Oh, geh bitte! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Was Österreich tun sollte, ist, sich in erster Linie im Sinne der Befriedung und Hilfe vor Ort stark zu machen, und das tut unsere Regierung auch. In den letzten Wochen hat sich gezeigt, dass in der Zwischenzeit Menschen nach Europa weiterflüchten mussten. Die Türkei besitzt eben eine Landgrenze zu Griechenland und Bulgarien, und die Situ­ation an dieser Grenze ist als prekär zu bezeichnen. Wir haben ja eben ausführlich von Herrn Innenminister Nehammer gehört, zu welchen Situationen es dort kommt.

Ein weiterer Hotspot sind aber die griechischen Inseln. Dort spielt sich derzeit aus meiner Sicht und aus der Sicht von ExpertInnen eine wirkliche humanitäre Katastrophe ab, die es zu entschärfen gilt. Das Wichtigste dabei ist, Griechenland nicht alleine zu lassen. Solidarität auf europäischer Ebene muss da die größte Priorität haben. (Bun­des­rat Schennach: Mit Ausnahme Österreichs!) Dazu gibt es viele Lösungsansätze, zu denen ich dann komme. Kein Lösungsansatz ist, das völkerrechtlich verankerte Recht auf internationalen Schutz auszusetzen, weder für Griechenland noch für Österreich.

Weil von den freiheitlichen Kollegen immer wieder in den Raum gestellt wird, dass das Asylrecht ausgesetzt werden soll, habe ich mich entsprechend erkundigt. – Das wird gar nicht so einfach möglich sein, nämlich gar nicht. Die Definition lautet nämlich: „Jeder, der vor Verfolgung oder ernsthaftem Schaden in seinem Herkunftsland flieht, hat das Recht, einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen.“ (Bundesrat Steiner: In seinem Herkunftsland!) „Asyl ist ein Grundrecht und es ist eine internationale Verpflichtung der Vertragsparteien des Genfer Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge von 1951, zu denen auch die Mitgliedstaaten der EU gehören, Per­sonen, die die im Abkommen festgelegten Kriterien erfüllen, dieses Recht zu gewäh­ren. Die EU hat die Voraussetzungen für die Gewährung von internationalem Schutz in ihre eigene Rechtsetzung integriert und das Konzept“ sogar „erweitert, indem sie neben Flüchtlingen eine zusätzliche Kategorie von Personen, die internationalen Schutz genießen, geschaffen hat, nämlich Begünstigte des subsidiären Schutzstatus.

Das Recht auf Asyl ist in Artikel 18 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert. Gemäß Artikel 19 sind Kollektivausweisungen nicht zulässig und nie­mand darf in einen Staat abgeschoben oder ausgewiesen oder an einen Staat ausge­liefert werden, in dem für sie oder ihn das ernsthafte Risiko der Todesstrafe, der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung be­steht.“

Durch die in Österreich geltenden Gesetze sind wir für sämtliche Situationen, die eine Aufnahme von schutzsuchenden Menschen betreffen, bestens gerüstet. (Bundesrat Steiner: Aber die Bevölkerung nicht! – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Wir haben das Instrument der Dublinverordnung, die uns prinzipiell einen sehr großen Steuerungsmechanismus in Bezug auf Asylanträge in die Hand gibt. Was aber überhaupt nicht möglich ist, ist, Asylanträge nicht mehr anzunehmen.

Die letzten Jahre haben uns gezeigt, dass mehr als die Hälfte der gestellten Asyl­anträge zu einer Schutzgewährung geführt haben. (Bundesrätin Mühlwerth: Aber von denen redet ja auch niemand!) Es ist deshalb komplett absurd, darüber zu diskutieren, den Menschen das Recht abzusprechen, einen Asylantrag zu stellen, denn erwie­senermaßen ist jeder zweite Asylantragsteller im Sinne der Genfer Flüchtlingskon­vention schutzbedürftig. (Bundesrat Schennach: Ja, ihr seids in der Regierung, was macht ihr? – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Asylantragstellung, zeitnahe Überprüfung im Rahmen eines ordnungsgemäßen Verfahrens – so sieht es unsere Rechtsordnung vor und so soll es auch sein. Das Jahr 2015 war eine große Herausforderung und hat uns im Umgang mit Flucht­bewe­gungen sensibilisiert und geschult. Das Jahr 2015 hat Europa aber keinen Schaden zugefügt, sondern vielen Menschen das Leben gerettet und eine Zukunft ermöglicht (Bundesrat Steiner: Und anderen das Leben gekostet!), und nur mit Besonnenheit und Vernunft - - (Ruf bei der FPÖ: Vielen Frauen! – Neuerlicher Zwischenruf des Bun­desrates Steiner.) – Ich will da jetzt nicht darauf eingehen. (In Richtung Bundesrat Steiner:) Komm nach vorne, erzähl selber etwas, und lass mich jetzt bitte ausreden, wenn ich das so sagen darf! (Bundesrat Steiner: Ja, mei, arm!)

So: Ich komme auf Besonnenheit, Vernunft und Solidarität zurück, was für die FPÖ-Fraktion hier vorne wahrscheinlich ein bisschen ein Fremdwort ist. Nur mit diesen Eigenschaften kann Europa die neue Herausforderung meistern, und das ist unser grüner Zugang. Eine Umverteilung der schutzbedürftigen Menschen von Griechenland auf Europa kann dabei auch zu einer kurzfristigen und dringend notwendigen Ent­schärfung der Situation führen und ist durchaus sinnvoll. (Rufe und Gegenrufe zwi­schen den Bundesräten Ofner und Schreuder.) Besonders vulnerable Personen wie Kranke, Frauen und Kinder sind dabei schnellstmöglich zu versorgen.

Bereits sieben europäische Länder wollen 1 600 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufnehmen. Ich weise – wie der Kollege von der SPÖ vorhin – auch darauf hin, dass es bei uns sowohl in der Zivilgesellschaft als auch in den Kommunen bereits zahlreiche Willensbekundungen zur Aufnahme von Frauen und Kindern gibt (Bundesrat Saurer: Wer ist die Zivilgesellschaft?), und es gibt auch zahlreiche, bereits angemietete staatliche Unterbringungsplätze für Schutzbedürftige. (Bundesrat Schennach: Aber ihr sitzt in der Regierung!)

Das sind die Dinge, über die wir diskutieren sollen und müssen, aber nicht über den Gebrauch von Schusswaffen und das Aussetzen des Asylrechtes. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

15.33

Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Bernhard Hirczy. Ich erteile es ihm.