14.42

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor dem TV-Gerät oder via Livestream! Ich möchte voran­schicken, dass wir diesem Gesetz zustimmen werden, so wie wir auch zu Beginn die Maßnahmen mitgetragen haben. Wir haben uns also diesem Schulterschluss, der von der Regierung eingefordert wurde, nicht verweigert. Nur – jetzt kommt das Nur – muss ich jetzt schon sagen: Wenn ich sehe, was da alles an Gesetzen eingebracht wurde, die fehlerhaft waren, zu denen die Verordnungen erst nachgereicht wurden, bei denen keiner genau gewusst hat, was denn da jetzt eigentlich beschlossen wird, möchte ich nicht wissen, was passiert wäre, wenn für all das ein freiheitlicher Minister verant­wortlich gewesen wäre. (Beifall bei der FPÖ.) – Die Medien hätten uns in der Luft zer­rissen! Es wäre kein Stein auf dem anderen geblieben, wenn wir das so gemacht hätten, wie Sie das machen.

Aber wir wissen es, man schaut zwar gerne ins Ausland und spricht über eine gleich­geschaltete Presse – die haben wir natürlich auch, bei uns ist die Presse weitest­gehend links angesiedelt, bis auf ganz wenige Ausnahmen –, dann werden Sie natür­lich von der Regierung - - (Heiterkeit bei BundesrätInnen der SPÖ.) – Das betrifft übri­gens auch die SPÖ, die sich jetzt gerade so belustigt. Wir hatten einmal einen Untersuchungsausschuss, der sich mit der Inseratenaffäre beschäftigte, sehr geehrte Damen und Herren von der SPÖ, und es war Ihr Bundeskanzler, Ihr damaliger Bun­deskanzler Faymann, der im Mittelpunkt dieser Untersuchungen stand. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Sagen Sie also nicht, dass Regierungen nicht versuchen, sich die Medien mit Regierungsinseraten hinsichtlich der Berichterstattung gefügig zu machen! (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Zack, zack, zack!) Das funktioniert nach wie vor nach dem alten Motto: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing!, und so findet es statt.

Ich sage es jetzt ganz offen von dieser Stelle aus, weil es jetzt wirklich schon reicht: Ich habe es noch nicht erlebt, dass man so pfuschen kann, wie diese Regierung das jetzt macht! (Beifall bei der FPÖ.)

Der Herr Gesundheitsminister ist wie die Jungfrau zum Kind zu diesem Ressort ge­kommen. Man merkt nicht, dass er irgendwann einmal als Landesrat Konfliktmana­ge­ment gelernt hätte, aber es verkündet ja ohnehin immer zuallererst der Herr Bun­deskanzler alle guten Sachen, die jetzt zu machen sind – und der Herr Vizekanzler und der Herr Gesundheitsminister sind dabei und dürfen dann auch etwas sagen, damit es nicht ganz so blöd ausschaut. Tatsache ist aber: Der Heilsbringer dieser Nation heißt im Moment Bundeskanzler Kurz.

Auch sachlich gibt es natürlich jede Menge zu kritisieren, was ja auch schon die Zahl der begründeten Einsprüche gegen die diversen Coronagesetze zeigt – jetzt sind wir schon bei Covid-Gesetz Nummer 19 angelangt –, auch weil viele Gesetzesänderungen in einem Sammelgesetz zusammengefasst werden. Das zeigt ja schon, dass hier auch sachlich, handwerklich nicht gut gearbeitet worden ist. Jetzt verstehe ich schon, in einer Krise kann das schon vorkommen, wenn es schnell gehen muss, dass da irgendwas passiert, aber das wäre etwas anderes gewesen, hätten Sie es nicht so gemacht, wie Sie es nämlich machen: Sie machen zuerst eine Pressekonferenz, da verkündet der Bundeskanzler, was da jetzt alles Gutes gemacht wird. Da wird in aller Eile ein Sammelpaket geschnürt, darüber darf dann das Parlament befinden.

An dieser Stelle möchte ich den Referenten aller Oppositionsparteien danken, weil ich von unseren Leuten weiß, was es für eine Arbeit ist, was es für ein Aufwand ist, wirklich jedes Gesetz anzuschauen und alle in Zusammenhang zueinander zu bringen. Jetzt werden Sie vielleicht sagen: Die werden ja dafür bezahlt!, aber es ist trotzdem eine große Kraftanstrengung, und die war, das sage ich Ihnen, bei allen Oppositions­parteien gleich groß. Daher diesen Referenten vielen Dank! (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Sie gehen also nicht mit einem Gesetzentwurf ins Parlament und lassen dann das Parlament darüber diskutieren, Sie lassen ihn auch nicht begutachten – ich weiß, in der Eile können Fehler passieren, deshalb gibt es ja die Begutachtung, dass sich das auch andere Experten anschauen und darauf aufmerksam machen: Halt, da ist ein Fehler passiert! –, nein, das alles macht man nicht. Man macht zuerst eine Pressekonferenz, dann darf das Parlament das beschließen, damit halt der Formalität Genüge getan ist – so kommt es mir vor. Das ist fast wie eine Ausschaltung des Parlaments. Es ist keine tatsächliche, aber ich sage Ihnen, es fühlt sich so an, weil wir hier nicht nur einmal das Gefühl gehabt haben, dass wir reine Staffage sind und wir auch noch dazu reden und unsere Bedenken einwenden dürfen, damit halt der Formalismus erfüllt ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Kollege von den Grünen hat es ja heute schon anklingen lassen: Kaum sagt einer etwas anderes, etwas, was nicht mit dem Mainstream der Regierung und der Medien im Einklang ist, dann heißt es gleich so herabwürdigend: Na ja, die Besserwisser!

Sehr geehrte Damen und Herren, es gibt nicht nur eine Wahrheit, und Sie haben die Wahrheit ganz sicher weder erfunden, noch haben Sie sie gepachtet. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Richtig!) Es ist daher nicht richtig, herzugehen und alle, die eine andere Meinung haben – und da sind ja auch viele wirkliche Experten dabei –, als Gefährder runterzumachen, als Verschwörungs­theoretiker, als Leute, die eigentlich nicht wirklich eine Ahnung haben oder die vielleicht gekauft sind, von wem auch immer; ich weiß nicht, was da in Ihren Hirnen manchmal vorgeht. Ich finde es wirklich unredlich, Menschen, die die Dinge anders sehen, so runterzumachen, wie Sie das tun. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Schachner.)

Es kommt ein weiterer Aspekt dazu, der vor zwei Wochen öffentlich geworden ist: Wie sind Sie es denn angegangen? – Mit Angst! Sie arbeiten mit den Urängsten des Menschen um Leib und Leben, um Gesundheit, mit der Angst um eigenes Leib und Leben, das der Familie, das der Nächsten. Das ist unredlich, sehr geehrte Damen und Herren! Mit der Angst der Menschen zu spielen ist unredlich – so schlimm kann keine Krise sein! (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Ich rufe Ihnen jetzt in Erinnerung: 11. März, Kanzler Kurz: „Die Alternative ist: Es sterben viele Menschen.“ – Nein, das hat der Bundesrettungskommandant des Roten Kreuzes gesagt.

Kurz im März: In Eishallen werden Leichen aufgebahrt werden. 14. März: „Das Virus wird Krankheit, Leid und Tod für viele Menschen in unserem Land bedeuten.“ Und: „Jeder soziale Kontakt ist ein Risiko“. Nur mit dem Land im Notbetrieb gebe es eine Chance, eine Ausbreitung zumindest zu verzögern. 18. März: „Koste es, was es wolle“, um Arbeitsplätze zu sichern. Der Vizekanzler spricht von der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg – okay, da gebe ich ihm ausnahmsweise recht. Am 30. März fällt in der „ZIB“ das Zitat, das uns, glaube ich, am meisten im Kopf geblieben ist: Bald wird jeder jemanden kennen, der an Corona verstorben ist. Die Wahrheit ist, dass schwere Zeiten noch vor uns stehen.

Da ist Ende April dann aufgeschlagen, dass diese Behauptung eine Taktik von Ihnen war, dass das eine Strategie war! Sehr geehrte Damen und Herren, so geht das nicht! Nichts davon ist eingetreten!

Immer haben Sie alle gerügt, die darauf hingewiesen haben, dass die Schweden einen anderen Weg eingeschlagen haben. Doch auch dort sinken die Fallzahlen, die Basisreproduktionszahl ist unter eins, also einer steckt weniger als einen anderen an. (Zwischenruf des Bundesrates Buchmann.) Das ist natürlich noch nicht toll (weiterer Ruf bei der ÖVP: ... Spanien!), aber die haben nicht das ganze Land runtergefahren und die Wirtschaft an die Wand geknallt. Ich sage Ihnen, bei uns spüren die Leute die Folgen noch nicht so, aber warten Sie ein paar Monate ab, wenn dann Leute keine Arbeit mehr haben! Auch wenn Sie hundertmal schreiben, aus der Kurzarbeit kann man nicht gekündigt werden: Das heißt ja nicht, dass man nicht zwei Monate später doch gekündigt werden kann, weil keine Aufträge da sind oder die Kunden ausgeblieben sind.

Das sind ja alles Einzelschicksale! Das sind ja keine Schachfiguren, die wir auf dem Brett herumschieben und sagen: Jetzt ist der Bauer leider gefallen!, sondern das sind Einzelschicksale, da hängen Familien, Kinder, Ehefrauen, Ehemänner dran. Das müssen Sie immer bedenken.

Sie liefern ja auch als Grundlage für eine Diskussion nicht wirklich Daten und Fakten. Heute hat die SPÖ eine Dringliche eingebracht, und Frau Ministerin Aschbacher rückt plötzlich mit Zahlen heraus. Die ganze Zeit wollten wir von ihr aktuelle Arbeits­losen­zahlen haben – haben wir nie bekommen. Jetzt auf einmal gibt es aktuelle Arbeits­losenzahlen. Na schau, das ist jetzt aber wirklich sehr verwunderlich, dass jetzt wun­dersamerweise diese Zahlen dahergekommen sind! (Beifall bei der FPÖ und bei Bun­desrätInnen der SPÖ.)

Noch etwas muss ich hier anmerken, weil ja vom Herrn Präsidenten gesagt wurde, dass es ein Verlangen auf diese Sondersitzung gab: Da möchte ich schon auch den Umgang mit dem Parlament und im Speziellen mit dem Bundesrat ansprechen. Gerade die ÖVP hält den Föderalismus so hoch und sagt immer, wie wichtig der Bundesrat ist. – Na ja, ich glaube, dass meine Kollegen aus dem Bundesrat das so sehen, aber ob das der Rest Ihrer Partei so sieht, wage ich zu bezweifeln, denn wenn das so wäre, wenn man das so hätte haben wollen, hätte man ja anders vorgehen können. Schon zweimal war ja der Bundesrat bei der Präsidialsitzung des National­rates eingeladen. Warum hat man das diesmal nicht auch gemacht, wenn man schon gewusst hat, dass man Gesetze machen wird, die mit 1. Mai in Kraft treten sollen? Das wäre ein Handeln auf Augenhöhe gewesen, man hätte sich sicher auf einen Termin geeinigt, und alles hätte seinen normalen Lauf genommen. Stattdessen hat man das wieder einmal nicht gemacht, vielleicht hat man es auch nur vergessen, oder vielleicht war es auch Absicht, und dann kommt der Anruf: Nächste Woche ist Sitzung! – So, und jetzt sind alle verwundert, dass wir nicht zugestimmt haben, auch weil wir der Meinung waren, dass man so mit Parlamentariern nicht umgeht, dass man das so einfach nicht macht. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Natürlich haben wir auch gewusst, dass Sie das Recht beziehungsweise die Mög­lichkeit haben, eine Sondersitzung einzuberufen, aber ich sage Ihnen: Denken Sie vielleicht beim nächsten Mal daran oder erinnern Sie Ihre Kollegen aus dem Natio­nalrat daran, dass es einen Bundesrat gibt! Es kommt mir so ein bisschen vor, als ob sie sich sagen würden: Das muss ja noch durch den Bundesrat – was, den gibt es noch? – Also sagen Sie ihnen, es gibt uns noch, und es wäre vielleicht ganz gut, das mit uns abzusprechen, damit ein normaler Ablauf stattfinden kann, an dem ja auch wir höchstes Interesse haben!

Die Geschichte geht ja immer weiter, und sie hören ja nicht auf, sie lernen ja nicht einmal aus ihren Fehlern! Ein Fehler ist schon einmal, nie auf die Opposition zu hören. Bis auf ganz wenige Ausnahmen ist es so: Was immer die Opposition sagt, zunächst einmal ist die Antwort reflexartig: Nein, das brauchen wir nicht, und das muss auch nicht sein!

Ich sage ganz bewusst, es gab erfreulicherweise ein paar Ausnahmen. Es gab aber sehr viele Kritikpunkte quer durch die Parteien. Die NEOS und die Freiheitlichen kann man von der Ideologie her überhaupt nicht vergleichen, und trotzdem gibt es immer wieder Schnittmengen, auch mit der SPÖ, wo man sich trifft und sagt, so kann man es nicht machen. Da könnte sich die Regierung schon herablassen, einmal auf die Opposition zu hören. Es fällt Ihnen kein Zacken aus der Krone, denn letzten Endes arbeiten wir alle zum Wohle Österreichs. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Sie kennen ja unsere Einstellung zu einer verpflichtenden App, die Sie ja wollten, die Coronaapp hat ja Nationalratspräsident Sobotka verkündet, dann ist er wieder zurück­gerudert, nachdem es einen ordentlichen Entrüstungssturm gegeben hat. Wenn aber heute die Kanzlerberaterin, Frau Mei-Pochtler, eine der engsten Vertrauten von Bun­des­kanzler Kurz, im ORF mit folgenden Worten zitiert wird: „Die europäischen Länder müssten sich an Tools gewöhnen, die ,am Rand des demokratischen Modells‘ seien“, dann sage ich Ihnen eines: Bis jetzt habe ich mich ja vor der ÖVP noch nie gefürchtet, aber jetzt fange ich langsam an, mich zu fürchten. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Daher ist es uns ja auch so wichtig, dass wir zu einer normalen Normalität zurück­kommen. Das heißt nicht, dass wir nicht Abstände zueinander beachten. Das heißt nicht, dass man nicht vorsichtig mit dem anderen umgehen soll. Das heißt nicht, dass man den anderen bewusst gefährden möchte. Ich will aber wieder zurück, und zwar ehebaldigst, lieber gestern als heute, zurück zur Freiheit, zurück zur Wahrheit, zurück zur Selbstbestimmung, zur Verfassungskonformität und zur Rechtsstaatlichkeit (Beifall bei der FPÖ) und zu einer wirklichen Meinungsfreiheit, sodass der, der etwas anderes sagt, nicht verächtlich gemacht oder ausgegrenzt wird. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

14.57

Präsident Robert Seeber: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Rudolf Kaske. Ich erteile dieses.