21.44

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA MA (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sie sind sicherlich der dritte in einer Reihe von Ministern, die die Intention haben – zumindest die Intention –, der Wirtschaft zu helfen und den desaströsen Zustand der österreichischen Wirtschaft, von dem ich in meiner vorigen Rede berichtet habe und zu dem ich am Ende noch einen Ent­schließungsantrag einbringen werde, abzuwenden. Diese Intention möchte ich Ihnen nicht absprechen, aber Sie werden von den grottenschlechten Finanzministern der Vergangenheit verfolgt.

Österreich hat sich, wenn man es genau nimmt – ich möchte über den Wirtschafts­standort sprechen –, von der Wirtschaftskrise 2008/2009, von der großen Rezession, wie sie genannt wird, im Unterschied zu allen anderen Ländern eigentlich nie wirklich erholt.

Der ATX, der Börsenindex, diese Benchmark ist für mich ein Indikator für den Zustand der börsennotierten, der großen Unternehmen – die schaffen ja die Arbeitsplätze –, er ist ein Indikator dafür, wie sich eine Wirtschaft international präsentiert. Das ist eine Visitenkarte. Der ATX hat sich als einer der ganz wenigen Indizes weltweit nicht über den Höchststand von 2008 bewegt, er hat den Peak von damals bis heute nicht über­troffen. 2020, im jetzigen Zustand, hat der ATX 30 Prozent verloren – das ist weit mehr als das, was alle anderen Indizes verloren haben.

Es sollte einem zu denken geben, dass das Vertrauen in die österreichische Wirtschaft seit 2008, wenn man es genau nimmt, nicht in dem Maße, wie Sie es sich vielleicht auch vorstellen – das möchte ich Ihnen gar nicht absprechen –, gegeben ist.

Wenn man sich das jetzt anschaut, sieht man: Es läuft ein Wettbewerb unter den Nationen – schon mit Blick auf das Ende der Krise –, wie man internationale Liefer­ketten abwerben kann, wie man diese zugunsten des eigenen Wirtschaftsstandorts abwerben und die Unternehmen halten kann. Österreich ist, wie wir heute gehört haben, mit allen anderen Dingen beschäftigt, aber sicher nicht damit, zu überlegen, wie es der Wirtschaft besser gehen könnte. Die Fehler von 2008/2009 sollte man ja nicht machen – Österreich hat sich, wie gerade geschildert, nie davon erholt –, man sollte das Heil eben nicht nur in Steuererhöhungen sehen, in Steuererhöhungen, die ein Budget irgendwie füttern sollen; abseits eines Wirtschaftswachstums werden sich die Staatsschulden aber nie reduzieren.

Damit bin ich auch schon beim Thema, bei diesem Sammelgesetz, das leider ein ver­packtes Konvolut von Masken, Umsatzsteuer, EU-Garantiefonds und Schul­veranstal­tungsausfall-Härtefonds ist – was zueinander natürlich überhaupt keinen Bezug hat. Bleiben wir aber beim wesentlichen Thema, das uns österreichische Steuerzahler inter­essiert, nämlich beim EU-Garantiefonds! Wir lehnen diesen Artikel 4 ab – sonst stim­men wir von der FPÖ ja allem zu –, da wir genau wissen, dass das Geld österreichi­scher Steuerzahler sicherlich als Garantie nach Italien wandert. Der italienische Finanzminister, das wissen Sie sicher, hat in seinem Budget diese potenziellen Ein­nahmen, dieses potenzielle Geld des österreichischen Steuerzahlers fix als Einnahmen eingeplant – ganz fix! Das ist für ihn ein fixer Budgeteinnahmeposten.

Schauen wir uns Italien genau an: Die Staatsverschuldung Italiens lag vor der Krise bei 70 Prozent, heute liegt sie bei 135 Prozent, aus der Krise herauskommen wird Italien bei etwa 200 Prozent. Auch wenn die Ausgaben – das gilt für Österreich genauso – gleich sind wie im Jahr davor, erhöht sich der Staatsschuldenprozentsatz allein dadurch, dass wir eine Rezession von 10 Prozent ansteuern, auch um diesen Satz. Österreich wird also bei etwa 90 bis 100 Prozent landen, Italien bei 200 Prozent. Mit diesen Szenarien muss man sich auseinandersetzen!

Italien wird nur am Tropf hängend am Leben gehalten, Italien wäre schon längst bankrott, wäre schon längst zahlungsunfähig. Es ist zwar ein schönes Land, das mag sein, aber strukturell ist es katastrophal schlecht aufgestellt. Argentinien ist in den letzten 20 Jahren dreimal zahlungsunfähig geworden. In Argentinien leben bekanntlich sehr viele Italiener, die Mentalität ist also übertragbar. Italien wäre auch schon längst zahlungsunfähig, hätte die EZB mit dem Italiener Mario Draghi und auch mit der jetzigen Präsidentin Lagarde Italien nicht mit direkter monetärer Staatsfinanzierung bis heute am Tropf hängend am Leben gehalten.

Die Frage ist: Wo führt das hin? Bei einer Staatsverschuldung von 200 Prozent wäre ich langsam vorsichtig. Dass der Goldkurs steigt, ist auch dem geschuldet, dass das Vertrauen in die Zirkulation des Geldes eigentlich nicht unbedingt gegeben ist. Was helfen die besten Lieferketten, wenn die Zahlungsketten nicht funktionieren?

Ich möchte es Ihnen auch nicht zum Vorwurf machen, dass die 100-prozentige Bürg­schaft für Kredite erst jetzt kommt. Diese brauchen die Unternehmer, damit sie die Lieferungen bezahlen können, damit die Lieferketten erhalten bleiben. Sie haben schon recht damit, dass Sie auf 100 Prozent gehen, damit das Geld auch in die Wirtschaft fließt. Das Schlimmste ist ja nicht, dass in einer Lieferkette eine Lieferung bezahlt werden muss; aber: Wenn einer etwas nicht bezahlt, verkettet sich das immer weiter, und am Schluss kriegt keiner das Geld. Es bleibt ja nicht beim zahlungs­un­fähigen Unternehmen hängen, sondern es setzt sich ja wie in einem Schneeballsystem fort. Darauf sollte man achtgeben.

Was die Zahlungsmoral betrifft, lag die Zahlungsdauer in Österreich früher bei sieben Tagen, dann bei 14 Tagen; die Zahlungsdauer ist jetzt eh schon auf 30 Tage gesun­ken. In Italien liegt sie bei 180 Tagen; so lange dauert es, bis der Lieferant sein Geld sieht.

Die Zahlungsketten zu erhalten ist also das Wichtigste in einer Wirtschaft. Die Liefer­ketten sind sekundär: Wenn einer ausfällt, wird der Nächste einspringen. Die Zahlungs­ketten müssen aber unbedingt erhalten bleiben, daher ist es wichtig, dass das Geld eins zu eins – Ihr 15-Milliarden-Euro-Programm, das ja jetzt nur in Millionen, aber längst nicht in Milliarden bei den Unternehmen ankommt – endlich auch tatsächlich und praktisch in die Wirtschaft fließt. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Finanzminister, mit den Steuerstundungen in wenigen Tagen haben Sie auch gut reagiert, um die Liquidität, wie Sie richtig gesagt haben, im Unternehmen zu halten. Natürlich, das Kapital macht wirtschaftlichen Erfolg und einen Wirtschaftsstandort aus, aber Steuerstundungen sind noch keine Steuersenkungen. Das Geld, das jetzt auf Basis der Erträge der Jahre davor gestundet worden ist, muss im Herbst 2020 nach­bezahlt werden. Es geht also, wenn Sie so wollen, um ein Geschenk – Zinsen gibt es aber praktisch eh keine mehr – im Sinne eines Zahlungsverzugs; eigentlich ist es ein Kredit, ein Dreimonatskredit, nicht mehr und nicht weniger. Man darf also das Ganze nicht überbewerten, von 15 Milliarden Euro sind 10 Milliarden Euro bereits bei den Unternehmen angekommen. Es ist eigentlich das eigene Geld; bei Steuerstundungen geben wir uns selbst einen Kredit, wenn man ehrlich ist.

Das Zweite ist der Verlustrücktrag: Es ist wichtig, dass dieses Geld, das Sie jetzt als Steuerstundungen für die Unternehmen freigespielt haben, auch wirklich von einem Gewinn, der gar nicht existiert, abgezogen werden kann. Den Unternehmen ist ja der ganze Ertrag weggebrochen! Wir gehen ja schon weit in die Minuszahlen hinein, das heißt, man zahlt eigentlich aus der eigenen Tasche, geschweige denn, dass man irgendeinen Ertrag macht. Daher sollten diese Steuerstundungen in einen teilweisen Verlustrücktrag rückgewandelt werden, so wie es in Deutschland bereits gemacht wird, da, wie eingangs gesagt, der internationale Wettbewerb um den Wirtschaftsstandort längst angelaufen ist. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

1,2 Millionen Kurzarbeiter: Wie schafft man es, dass diese für Kurzarbeit Gemeldeten tatsächlich in die Wirtschaft, in die Vollbeschäftigung rückgeführt werden? – Na, mit diesem Konzept der hohen Lohnsteuern, international einzigartig, kann ich mir kaum vorstellen, dass die Unternehmer, die jetzt schon alles zahlen müssen, auch wirklich diese 1,2 Millionen für Kurzarbeit Gemeldeten wieder ins eigene Unternehmen rück­führen. Das werden sie nicht schaffen, weil ja kein Ertrag mehr vorhanden ist. Lohn­steuersenkungen sind da also extrem wichtig – für Mitarbeiter, damit sie mehr Netto vom Brutto haben.

Last, but not least: die Förderung von Investitionen. Ein kurzes Beispiel: Wie ist denn die DDR nach dem Fall der Mauer im Jahr 1989 hochgefahren worden? – Die Bundes­republik Deutschland hat total schnell reagiert – wie Sie mit Ihren Steuerstundungen, das stimmt schon –, man hat reales Geld generiert, die Unternehmen thesaurieren lassen, indem man eine 40-prozentige vorzeitige Abschreibung gewährt hat. So ist die DDR in wenigen Jahren hochgezogen worden: eine 40-prozentige vorzeitige Abschrei­bung, dann fließt das Kapital, dann fließen die Investitionen in diese Regionen, die sie, die wir alle notwendig haben und auch wollen. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Der internationale Wettbewerb ist wichtig, diesen darf man nicht vergessen. Er ist jetzt schon zwischen Australien, Indien und China angelaufen. Was China da in der Weltwirtschaft durch diesen Virus fabriziert hat, werden viele nicht vergessen.

Ich hoffe, sehr geehrter Herr Minister, dass Sie auch daran denken, dass hier keine protektionistische, aber eine Politik gemacht wird, die die österreichischen Betriebe, unsere KMU-Betriebe, wieder mehr schätzt, mehr wertschätzt, sodass sie auch mehr Aufträge bekommen, damit wir als österreichische Produzenten und Unternehmer national, aber auch international reüssieren können.

Zum Schluss möchte ich, wie eingangs erwähnt, folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Mag. Reinhard Pisec, BA MA, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „Echte Hilfe für Österreich“

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere der Finanzminister, wird aufgefordert, dem Natio­nal­rat umgehend eine Regierungsvorlage zuzuleiten und im Rahmen der Budget­erstel­lung sicherzustellen, dass die Umsetzung eines Wirtschaftsreparaturpakets finanziert werden kann, das geeignet ist, jenen Privatpersonen sowie Wirtschaftstreibenden, die von der Covid-19-Krise massiv beziehungsweise existenziell betroffen sind, unmittel­bar, sofort und in ausreichendem Ausmaß zu helfen.

Da der Entschließungsantrag verteilt worden ist, fasse ich nur kurz die wichtigsten Positionen zusammen, drei Punkte stelle ich insgesamt vor: ein voller Entschädi­gungs­anspruch für alle Betriebe, die durch das Betretungsverbot betroffen sind, abgegolten in der Höhe des außer Kraft gesetzten ehemaligen Epidemiegesetzes; weiters: sofor­tige antragslose Akontozahlung durch die Finanzämter an alle Unternehmer, die sämt­liche Kosten und einen entsprechenden Unternehmerlohn für die nächsten drei Monate abdeckt; und vor allem: die Abwicklung sämtlicher Maßnahmen über die Finanzämter, weil diese gut eingeführt sind.

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Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

21.55

Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Der von den BundesrätInnen Mag. Rein­hard Pisec, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Echte Hilfe für Österreich“ ist ordnungsgemäß eingebracht, genügend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Otto Auer. – Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.