10.49

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Ich möchte, weil wir doch über die Forschung reden, auch wieder dorthin zurückführen. Ich glaube, es ist eine kluge Geschichte, wenn wir jetzt über Wissenschaft und Forschung und nicht über Befindlichkeiten sprechen.

Wenn wir einen Bericht besprechen, der die Zukunft der Forschung und Wissenschaft beleuchtet, der nämlich eine europäische Forschung und eigentlich die Zukunft Europas beinhaltet, dann müssen wir sagen, wie wichtig das auch gerade in Zeiten ist, in denen Fakten sehr oft falsch interpretiert und bewusst politisch instrumentalisiert werden.

Ich halte es für eine ganz essenzielle Basis einer demokratischen Ordnung, dass wir unsere Politik gemeinsam und auch auf Grundlage gemeinsamer Fakten gestalten, denn wir müssen uns natürlich auf die Wissenschaft und die Forschung verlassen können, die immer wieder Neues entdeckt, sich auch immer wieder neu erfindet, auch immer wieder Erforschtes neu hinterfragt und wieder auf etwas Neues draufkommt. Das gehört dazu. Ganz wichtig aber ist, dass Fakten die Basis unserer Verständigung sind und wir nicht in diese Falle der Fakenews geraten, oder dahin, dass man eine einzelne obskure Forschung herausnimmt, um einem Konsens zu widersprechen. Das ist gerade jetzt in Zeiten der Pandemie ganz wichtig.

Die Forschung ist für die Zukunft Europas auf so vielen Gebieten, auch auf der sozialen Ebene, eine ganz essenzielle Frage. Ich glaube, wir alle kennen Studenten und Stu­dentinnen oder auch Sportler und Sportlerinnen  es gibt das auch in der Lehre, es gibt das in vielen Bereichen , die am Erasmus-Programm teilgenommen haben und da­durch andere Städte, andere Sprachen, andere Länder kennengelernt haben. Ich glaube, es gibt in Wahrheit überhaupt kein integrativeres Instrument Europas als Eras­mus, bei dem sich wirklich ganz viele junge Leute kennenlernen, ihre Sprachen und neue Städte kennenlernen. Ich finde, das ist ein so tolles Programm – wenn es das nicht schon gäbe, müsste man es erfinden.

Es ist enorm wichtig, die Arbeit zwischen den ForscherInnen auch international, auf gesamteuropäischer Ebene zu intensivieren. Da muss ich auch meinem Vorredner, Herrn Pisec, ein bisschen widersprechen. Die Vorstellung, dass Forschung eine Einzel­leistung eines Individuums ist, das sozusagen in seinem Kammerl sitzt, in seiner Bibliothek, und dann ein Lamperl aufgeht und dieser Forscher die Entdeckung gemacht hat, ist nicht mehr richtig.

Im Gegenteil – weil wir gerade in der Zeit der Nobelpreise sind –, sogar das Nobel­preiskomitee weiß, dass die Statuten aus dem 19. Jahrhundert nicht mehr der Zeit entsprechen. Ich glaube, sie dürfen einen Nobelpreis ja nur an maximal drei Personen vergeben, und oft vergeben sie ihn an Projekte, an denen Hunderte gearbeitet haben, ganze Teams, ganze Cluster, international vernetzt. Das wird zunehmen und deswegen ist auch die Forschung so wichtig. So sehr ich mich darüber freue, dass der Chemie­nobelpreis jetzt an zwei Frauen vergeben worden ist  das ist auch etwas, was man stark fördern muss und kann – und Emmanuelle Charpentier ja tatsächlich in Wien geforscht hat: Sie ist aber weggegangen, was uns auch eine Lehre sein kann, dass wir sagen müssen: Ja, wir wollen kluge Köpfe behalten.

Dass die Forschung für Europa kulturell wichtig ist, habe ich schon gesagt, sie ist aber auch für die Wirtschaft wichtig. Das betrifft natürlich insbesondere die Technologien, die in Zukunft nicht nur für die Forschung, sondern auch für die wirtschaftliche Entwicklung Europas wichtig sind. Da müssen wir uns tatsächlich mehr anstrengen – das ist ja schon gesagt worden –, damit wir als Europa auch finanziell an die Niveaus von China und den USA herankommen, weil die Investition in Forschung natürlich in diesem internationalen Wettbewerb auch für die wirtschaftliche Entwicklung Europas ganz enorm wichtig sein wird.

Dabei sind die zwei Krisen, die wir derzeit zu bewältigen haben, natürlich ganz beson­ders zu beachten. Zur Coronakrise brauchen wir in ganz Europa und eigentlich auch global gesehen viel Forschung, und natürlich auch zur Klimakrise. Genau dort, in der Gesundheitsforschung und in der Klimaforschung, sind auch die wirtschaftlichen Chancen Europas in der Zukunft zu sehen, und dort brauchen auch wir als Politik die Lösungen, dort brauchen wir diese Grundlagen, um Politik gestalten zu können, wenn geforscht wird.

Zu Horizon Europe wurde inhaltlich eh schon viel gesagt, sodass ich jetzt gar nicht mehr so detailliert darauf eingehen möchte. Dass das Projekt ein gutes ist, zeigt sich daran, dass vor Kurzem Norwegen, ein Nicht-EU-Land, beigetreten ist. Das zeigt, dass wir uns als Gesamteuropa, sogar über die EU hinausdenkend, so sehen müssen, dass wir in einem gemeinsamen Wettbewerb mit China und den USA stehen und dement­sprechende Maßnahmen ergreifen müssen.

Erlauben Sie mir zum Schluss, auch noch kurz auf Erasmus zu sprechen zu kommen, weil wir vom Erasmus-Programm gesprochen haben und ich ja doch ein Halbrotterdamer bin! Er hat vor 500 Jahren ein sehr schönes Buch geschrieben, nämlich „Lob der Tor­heit“. Ich möchte hier nur ganz kurz – weil wir schon von Erasmus reden – die Narrheit hier im Parlament doch etwas hochleben lassen, denn das passiert ja nicht so oft. Erasmus selbst hat uns auf eine sehr satirisch-ironische Art und Weise gezeigt, dass Humor, auch körperliche Bejahung, auch ein entspannter Zugang zu Sexualität und zum Genuss, durchaus gute Waffen gegen Fundamentalismus und gegen Intoleranz sind. Das hat er vor 500 Jahren gesagt. Ich habe mich gerade wieder ein bisschen damit beschäftigt, ich finde, es ist so aktuell, dass man auch Erasmus in diesem Sinne noch einmal hochleben lassen kann.

In diesem Sinne danke ich für diesen Bericht. Wir werden ihn gerne zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

10.55

Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Zu einer abschließenden Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Prof. Dr. Heinz Faßmann zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.