11.57

Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP, Steiermark): Geschätzte Frau Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Herren vor den Bildschirmen, die via Livestream dabei sind! Der österreichische Sozialstaat funktioniert, das belegen regelmäßig internationale Vergleiche und auch der vorliegende Sozial­bericht 2019.

Österreich gehört zweifelsohne zu jenen Ländern weltweit, die für ihre Staatsbürgerin­nen und Staatsbürger und für alle, die sich rechtmäßig im Land aufhalten, eines der am breitesten aufgestellten Sozialsysteme geschaffen haben. Der Sozialstaat ist aber keine Selbstverständlichkeit. Die soziale Sicherheit musste Stück für Stück erarbeitet werden. Seit seinen Anfängen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts haben christlichsoziale, sozialdemokratische und auch liberale Kräfte um die Ausstattung des Sozialstaates ge­run­gen. Mit Geld- und Sachleistungen sorgt der Sozialstaat für eine Umverteilung und reduziert so auch die Armutsgefährdung. Damit trägt er zur Wahrung des Lebensstandards der breiten Masse der Bevölkerung und gleichzeitig zur Sicherung des sozialen Friedens bei.

Unser Sozialstaat kostet Geld, viel Geld. Die Finanzierung erfolgt zu fast zwei Dritteln aus Sozialversicherungsbeiträgen und zu einem Drittel aus allgemeinen Steuermitteln wie Lohn-, Einkommen-, Mehrwert- und Verbrauchsteuern, somit aus Mitteln, die zu großen Teilen oder überhaupt zum Großteil von den Beschäftigten und den Arbeitge­berinnen und Arbeitgebern aufgebracht werden.

Unser funktionierendes und krisenfestes Sozialsystem stellt sicher, dass jene Hilfe be­kommen, die dringend Hilfe brauchen, weil sie sich selbst nicht helfen können. Krisenfest heißt in diesem Zusammenhang natürlich auch, dass eben nur jene Hilfe bekommen, die sich selbst tatsächlich nicht helfen können, aber nicht, dass jene einen Anspruch haben, Sozialleistungen zu beziehen, die sich selbst helfen können.

Im vorliegenden Sozialbericht wird die Sozialhilfe im Besonderen auch im Zusam­men­hang der Bedarfsorientierten Mindestsicherung, wie wir sie genannt haben, behandelt. Ich möchte Ihnen nur die wichtigsten, aussagekräftigsten Zahlen vor Augen führen: Im Jahr 2019, also noch vor der Coronakrise, haben in Österreich insgesamt 268 000 Per­sonen Mindestsicherung bezogen, also etwa 3,2 Prozent der Gesamtbevölkerung, davon 156 000 allein in Wien. Die restlichen acht Bundesländer kommen auf 112 000 Min­destsicherungsbezieher. Da können wir als Ländervertreter nicht einfach zuschauen und so tun, als ob nichts wäre. Im Bundesland Wien gibt es unter der Führung von Bürger­meister Ludwig und Sozialstadtrat Hacker ein Willkommenssystem. (Bundesrätin Grimling: Na geh!) Letzterer sollte sich mehr um die steigende Zahl von Coronaerkrankungen in Wien kümmern, statt ständig neue Mindestsicherungsbezieher winkend zu begrüßen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Da wird auf Kosten aller anderen Bundesländer (neuerlicher Zwischenruf der Bun­des­rätin Grimling), und die sind hier alle vertreten, großzügigst mit Steuergeldern umgegan­gen, nach dem bekannten sozialdemokratischen Motto: Um das Geld der anderen ist uns nichts zu teuer! (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Grimling und Schumann.)

60 Prozent aller Mindestsicherungsbezieher Österreichs leben in Wien (neuerliche Zwischenrufe der Bundesrätinnen Grimling und Schumann) – ihr in Wien müsstet es ja besser wissen –; wenn man die Zahlen genauer studiert, erfährt man, dass davon etwa 50 000 Personen Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte sind. Möglicherweise ist da ein Zeichen fehlender Integration in der Stadt Wien auszumachen. (Vizepräsident Buchmann übernimmt den Vorsitz.)

Der Sozialstaat braucht in jeder seiner Facetten eine breite Akzeptanz, Akzeptanz natür­lich von jenen, die ihn brauchen, aber auch von jenen, die ihn ermöglichen, nämlich jenen vielen Millionen Österreicherinnen und Österreichern, die tagtäglich frühmorgens ihrer Arbeit nachgehen und in das System einzahlen, damit unser vorbildhafter Sozial­staat aufrechterhalten werden kann.

Zum frühmorgendlichen Aufstehen beziehungsweise In-die-Arbeit-Gehen: Ich habe es sehr bewundernswert gefunden, dass der Bürgermeister, der gleichzeitig Landeshaupt­mann von Wien ist, immerhin bei der MA 48 – das ist keine militärische Abkürzung des Jagd­kom­mandos –, der Müllabfuhr, mitgearbeitet und den Tag entsprechend verbracht hat. Ich finde das auch sehr ehrlich gegenüber allen Wählerinnen und Wählern am Sonntag, die jetzt wissen, was er nach seiner politischen Arbeit möglicherweise tun wird. Beim Lan­des­­rat und Sozialstadtrat Hacker wird das noch wahnsinnig schwierig werden, eine geeig­nete Stelle – Arbeiten im Zeitlupentempo – zu finden. (Bundesrätin Grimling: Sehr witzig!)

Zu einem weiteren Thema findet sich im Sozialbericht natürlich auch ein Kapitel, nämlich zur Frage, wie es den Menschen im letzten Lebensabschnitt, nämlich im Alter, geht. Es geht um Lebensqualität im Alter, es geht um die Schaffung eines positiven Altersbildes. Senioren sind nicht alle klapprig, und entsprechend sind auch nicht alle krank, worauf sie oft reduziert werden. Die Coronapandemie hat dieses Bemühen um das Image älterer Personen wieder um einige Jahre zurückgeworfen. Es geht um die Bekämpfung von Altersarmut und die wichtige Pflegevorsorge – Daheim statt Heim als Stichwort. Im betreffenden Abschnitt heißt es zum Beispiel, dass wir pflegende Angehörige unter­stützen müssen. Weiters heißt es, dass die Hospiz- und Palliativmedizin in die Regel­finan­zierung übernommen werden müssen – eine langjährige Forderung der ÖVP. Es geht um Seniorenpolitik, es geht vor allem um die ältere Generation.

Der Altersdiskriminierung wird im Bericht ein wichtiger Stellenwert eingeräumt. Es muss doch möglich sein, dass Personen, die sich in Pension befinden, vonseiten der Banken noch einen Kredit beziehungsweise die Möglichkeit einer Kontoüberziehung für wichtige Anschaffungen, die im sozialen Bereich das Leben erleichtern, gewährt bekommen. Gefährlich wird es, wenn es dabei um wichtige Medikamente geht oder gar anstehende Operationen verlegt, vertagt und verschoben werden.

Die großartigen sozialen Errungenschaften wurden vor allem durch die ältere Generation herbeigeführt. Der Dank dafür kann nicht sein, dass diese wichtige Bevölkerungsgruppe einfach an den Rand gedrängt wird. Unsere Bundesregierung ist ein Garant dafür, dass alle Berufs-, Sozial- und Altersgruppen jene Wertschätzung erfahren, die sie ver­dienen. – Ein herzliches steirisches Glückauf! (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätIn­nen der Grünen.)

12.05

Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. – Bitte, Frau Bundesrätin.