12.33

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Vizeprä­sident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, die via Livestream zugeschaltet sind! Nach einiger Zeit wurde wieder ein sehr umfassender Sozialbericht seitens des Bundes­ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz vorgelegt.

Ich denke, dass jeder, der diesen Bericht durchstudiert hat – meine Vorredner werden das sicherlich getan haben –, mir recht geben wird, dass sich mehrere tiefe Blicke in diesen Bericht mehr als nur lohnen. Er erstreckt sich auf über 180 Seiten, spannt einen Bogen von Themen wie Arbeitsmarkt, Arbeitsrecht, Sozialpolitik, Sozialversicherung, Menschen mit Behinderung, Fragen der Pflege bis hin zum Konsumentenschutz und wurde um ein großes Zukunftsthema, nämlich das der Gesundheitsversorgung, erwei­tert. Meine Vorredner haben die einzelnen Punkte bereits ausreichend abgearbeitet. Aufgrund dieser Fülle werden Sie verstehen, dass ich natürlich nicht auf jeden Punkt eingehen kann, zwei, drei Themen sind mir aber schon besonders wichtig.

Es wird Sie, verehrte Damen und Herren, sicherlich nicht wundern, dass mir das große Thema Gesundheit besonders am Herzen liegt. Das sollte gerade uns als Bundesräten, als Vertreter unserer Bundesländer in Wien, besonders am Herzen liegen. In diesem Sozialbericht wird sehr eindringlich auf die Versorgung unserer Bevölkerung einge­gangen, und dieser Bericht liefert Visionen, wie die Zukunft dieser Versorgung aussehen muss. Man kommt darin zu demselben Schluss, den ich seit Jahren immer erwähne beziehungsweise seit Jahren fast predige: Die Zukunft der Versorgung unserer Österreicherinnen und Österreicher kann nur in der Vielfalt liegen.

Wir brauchen den Hausarzt, diesen müssen wir weiter stärken. Wir müssen die Aus­bildung attraktiver machen. Es ist im Bericht die Rede von Primärversorgungseinheiten, Netzwerken, Gruppenpraxen, Jobsharingmodellen bis hin zu unseren spezialisierten Spitälern, die wir in unseren Ländern haben. Es werden auch konkrete Zahlen genannt: Das Ziel in den nächsten Jahren ist es, 75 solcher Primärversorgungseinheiten zu errichten. In diesem Zusammenhang darf ich als Steirer stolz erwähnen, dass die Steier­mark mit bereits zwölf funktionierenden Primärversorgungseinheiten Vorreiter ist.

Weiters geht es um die Errichtung und den Ausbau von Telemedizin und E-Health-Services. Wir haben beim vorigen Tagesordnungspunkt den elektronischen Impfpass beschlossen. All das ist selbstredend ein Gebot der Stunde und muss weiter forciert werden.

Ein zweites Thema, das mir wichtig ist und das sich – wie ich fast sagen möchte – erfreu­licherweise wie ein roter Faden durch den Sozialbereich zieht, sind Fragen, die unsere älter werdende Bevölkerung betreffen. Es geht darum, wie es den Menschen in ihren letzten Lebensjahren geht. Es geht um die Möglichkeit, würdevoll zu altern, es geht um Sorgen hinsichtlich der Altersarmut, um die Frage der Pflegeversorgung, und es geht vor allem auch um Einsamkeit im Alter.

In diesem Zusammenhang darf ich Ihnen aus meiner ganz persönlichen Erfahrung erzählen, dass es immer häufiger dazu kommt, dass mich betagte Patientinnen und Patienten an dem Tag, an dem ich sie eigentlich nach Hause entlassen möchte, fragen: Herr Doktor, ist es nicht möglich, dass ich noch ein paar Tage bleibe? – Ich muss Ihnen sagen: Ich verstehe diese Menschen. Im Spital kommt mehrmals am Tag der nette Pfleger vorbei und erkundigt sich nach dem Befinden. Die junge Ärztin kommt zwei Mal am Tag zur Visite. Es gibt warmes Essen. Es ist immer ein bisschen etwas los. Zu Hause warten hingegen oft nur Stille und Einsamkeit.

Ich habe auch das immer betont, und ich werde nicht müde, das gebetsmühlenartig weiter zu erwähnen: Den Wert einer Gesellschaft erkennen wir unter anderem daran, wie sie mit den älteren Teilen der Bevölkerung, mit den alten Mitmenschen umgeht. Ich persönlich glaube fest an unsere humane Gesellschaft und denke, dass wir uns alle gemeinsam anstrengen müssen, um ein Altern in Würde zu ermöglichen. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Ich möchte jetzt zu einem dritten Punkt kommen, der mir persönlich wichtig ist, den ich nicht unerwähnt lassen möchte, nämlich das große Themenfeld Arbeit, und zwar nicht nur, weil Arbeit und Soziales für mich untrennbar miteinander verbunden sind, sondern weil die Arbeit auch ganz wesentlich mit der Sinnerfüllung des Lebens zusammenhängt. Wenn wir uns jetzt den Sozialbericht 2019 vornehmen, dann muss man in zwei Bereiche trennen, nämlich in die Zeit davor und in die Zeit danach, sprich das Jahr 2020. Es ist heute schon erwähnt worden: Im Jahr 2018 hatten wir einen Rekord an unselbständig Beschäftigten. Im Vergleich dazu war die Arbeitslosenrate auf einem Tiefstand. Sehr geehrte Damen und Herren, ich glaube, viel eindrucksvoller kann man nicht beweisen, wie gut damals vonseiten der Regierung gearbeitet worden ist. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Leider – jetzt kommt die Zeit danach – schauen die Zahlen mittlerweile anders aus. Die Zahlen im Bericht sind etwas überholt. Das hat mit einer völlig neuen Situation zu tun, mit einer weltweiten Pandemie, die uns fest im Griff hat. Egal, wohin man schaut, welche Staaten auf dem Kontinent und auf dem Erdball man betrachtet: Überall sucht man händeringend nach Lösungen, um aus dieser gesundheitlichen und wirtschaftlichen Krise zu kommen.

Dazu hat diese Regierung in einem Kraftakt eine Vielzahl an Maßnahmen auf den Weg gebracht, um den Menschen in diesem Land – den Familien, den Alten, den Jungen – unter die Arme zu greifen. Sie werden verstehen, dass es aufgrund der Fülle der Maß­nahmen, die wir getroffen haben, nicht möglich ist, alle aufzuzählen, aber exemplarisch soll die Nennung von ein paar möglich sein: Ich denke da zum Beispiel an den Neustartbonus, um Menschen aus der Arbeitslosigkeit wieder in die Beschäftigung zu holen, die vorgezogene Entlastung der Bezieher niedriger Einkommen, den Lehrlings­bonus, das Investitionspaket. Denken wir an die Milliarden für die Kurzarbeit – ein Erfolgs­modell in dieser schwierigen Zeit –, das Gemeindepaket, das es unseren Gemeinden und Städten ermöglicht, wesentliche Strukturreformen weiter voranzutreiben! (Bundes­rätin Schumann: Na! – Zwischenruf des Bundesrates Schennach. – Weitere Zwischen­rufe bei der SPÖ.) Reden Sie auch mit Ihren Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern! Wir können uns zusammensetzen, ja. Reden Sie mit Ihren SPÖ-Bürgermeistern! (Ruf: Die werden heute weniger, die werden heute weniger! – Bundesrat Schennach: Da sitzen ein paar hier, die wissen’s! – Bundesrätin Schumann: ... Arbeit ...! – Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)

Die Sonderbetreuungszeit wird verlängert, gleichzeitig wird mit der Coronaarbeitsstiftung das größte arbeitsmarktpolitische Aus- und Weiterbildungsprogramm der Zweiten Re­publik geschaffen. Der Kinderbonus ist ausbezahlt worden, die einmalige Arbeitslosen­unterstützung ist bereits ausgezahlt worden. (Bundesrätin Hahn: Ja, aber ...!) Mit Oktober kommt zusätzlich zum Arbeitslosengeld der Bildungsbonus zur Auszahlung.

Ich glaube, wir alle hier im Saal sehen: Diese Regierung unternimmt wirklich alles Men­schenmögliche, um einerseits wertvolle Arbeitsplätze zu sichern und andererseits den Menschen (Bundesrätin Hahn: Dann fehlt ihnen den halben Tag ...!) in der Arbeits­losigkeit Hoffnung und Perspektive zu geben. (Beifall bei der ÖVP.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, zu Ihnen komme ich jetzt noch, weil die Aufregung jetzt schon so groß ist: Umso erschrockener – und ich muss fast sagen: erschütterter – war ich, als ich die Zahlen von Bundesratskollegen Schwindsackl gehört habe. Wenn alleine im SPÖ-dominierten Wien 60 Prozent (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn) der Mindestsicherungsbezieher Österreichs leben, dann haben wir eine gehörige Schieflage, beziehungsweise zeigt dieses Faktum, dass das System Ludwig-Hacker sehenden Auges an die Wand fährt. (Ruf bei der FPÖ: Waren aber die Grünen auch dabei! Waren die Grünen auch dabei! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Wenn von diesen 166 000 Beziehern (Bundesrat Schennach: Wie viel Steirer sind da dabei, wie viel Burgenländer, wie viel Niederösterreicher? Ein bissl denken, ein bissl denken ...!) – ich habe mir gedacht, dass die Aufregung kommt; die Wahrheit tut manchmal weh (Beifall bei der ÖVP – Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ), sie lässt sich aber nicht verleugnen – alleine über 50 000 Asylwerber sind, dann zeigt das des Weiteren (Zwi­schenruf der Bundesrätin Hahn), dass die Ludwig-SPÖ in Fragen der Integra­tions­politik völlig versagt hat und keine richtigen Antworten findet. (Bundesrätin Schumann: ... die SPÖ besser! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ich lasse Sie einmal kurz zur Ruhe kommen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ohne Zweifel braucht und verdient unser Sozial­system große Akzeptanz und wir können in den meisten Bereichen stolz darauf sein. (Ruf: ... Steiermark ...!) Ohne Zweifel dürfen wir nicht die Zahl jener übersehen, die den Euro jeden Tag zweimal umdrehen, bevor sie ihn ein halbes Mal ausgeben können, und das tun wir auch nicht. Auf diese Menschen schauen wir nämlich. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Steiner: Auf die Wahlen schaut ihr!) Ohne Zweifel ist es unsere Pflicht, für jene zu sorgen, die in eine Notlage geraten sind und die nicht für sich selbst sorgen können.

Genauso wenig Zweifel darf es aber daran geben, dass unser System von manchen in Anspruch genommen wird, die gar nicht für sich selbst sorgen wollen (Bundesrätin Schumann: ... Steiermark! – Zwischenruf des Bundesrates Zaggl) und für die das Modell Mindestsicherung zu einem dauerhaften Lebensstil geworden ist. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wien, die Stadt der Langzeitarbeitslosigkeit – einfach deshalb, weil der Verbleib in der Mindestsicherung (Bundesrätin Hahn: ... viele Großunternehmer ...! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ) mittlerweile finanziell besser ist, als arbeiten zu gehen. (Ruf: Die können nicht arbeiten gehen, wenn ihnen niemand Arbeit gibt!) Das ist ein widersinniges Ergebnis, das hat mit einer Notlage nichts zu tun. (Bundesrat Seeber: Richtig, richtig, richtig!) Wir dürfen nicht zulassen, dass der der Dumme ist, der aufsteht, arbeiten geht, seine Familie ernährt und Steuern zahlt. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Zum Abschluss – ich komme zu meinem letzten Satz –: Ich kenne viele aufrichtige Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann – Heiterkeit des Bundesrates Novak), die SPÖ hat früher einmal den Ausgleich zwischen den fleißigen Arbeitenden und den Nichtarbeitenden gesucht. Warum die Sozial­demo­kratie nur mehr die Interessen der Empfänger vertritt (Zwischenrufe bei der SPÖ), ist mir persönlich unverständlich. Uns als Volkspartei wird das sicher nicht passieren. – Alles Gute und bleiben Sie gesund! (Beifall bei der ÖVP. – Ruf: Bravo, ja!)

12.45

Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundes­rat Rudolf Kaske. – Bitte, Herr Bundesrat. (Ruf: Jetzt könnt ihr ein bisserl ... importieren!)