17.10

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Vize­präsident! Herr Minister! Werte Bundesratskolleginnen und -kollegen! Sehr geehrte Zuseher vor Ort und via Livestream! Der Fallschutz bei der Schaukel am Spielplatz schaffte es nicht mehr durch den TÜV. Der Fußgängersteg zum Sportplatz braucht dringend zwei neue Verstrebungen. Der Kindergarten braucht einen Geschirrspüler. In der Volksschule wird dringend ein neuer PC inklusive Lizenzen für die Direktion benötigt. Die Feuerwehr braucht eine neue Bereifung für das KLF-A. Schauen wir etwas in die nahe Zukunft: Wie halten wir es mit dem Splitten, wenn das Geld fehlt? Ich spreche nicht von Investitionsprojekten, die ins große Geld gehen, ich spreche von den laufenden kleinen Reparaturen. Ich spreche von den kleinen Dingen, die wir normalerweise im laufenden Haushalt abdecken und die wir uns bald nicht mehr werden leisten können. (Beifall bei der SPÖ.)

Es fehlt an Liquidität für den laufenden Haushalt. Sperren wir künftig die Rutsche am Kinderspielplatz? Riegeln wir den Fußgängersteg ab? Gibt es kein Essen mehr im Kindergarten, da wir den Hygienevorschriften nicht gerecht werden können? Riskieren wir die Einsatzbereitschaft der Feuerwehr? Erhöhen wir die Gebühren bei der Trinkwas­serversorgung? Verordnen wir auf unseren Güterwegen im Winter Kettenpflicht? Ja?

Oder die Alternative: Beginnen wir, jede Kleinigkeit als Projekt im KIP zu formulieren, mit all dem nötigen Bürokratieaufwand? Letzteres ist bei der dünnen Personaldecke in den Gemeinden wohl nicht zielführend, und auch die Bearbeitung im Ministerium würde so schnell an ihre Grenzen stoßen. Außerdem ist damit noch immer nicht sichergestellt, dass die Gemeinden in der Lage sind, die restlichen 50 Prozent der Kosten aufzutreiben. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Ofner.)

Wo fangen wir an, wo hören wir auf beim Rückbau in den Gemeinden und den Belas­tungen der Gemeindebürgerinnen und -bürger? Was lassen wir bleiben und was ris­kieren wir als Bürgermeister und Bürgermeisterinnen? Was muten wir den Bürgerinnen und Bürgern zu? Was muten wir unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu? Wie lange können wir uns die Gehälter noch in vollem Umfang leisten?

Sehr geehrter Herr Minister, wir in den Gemeinden leisten Daseinsvorsorge für alle zu leistbaren Preisen und sorgen vor Ort für Lebensqualität. (Beifall bei der SPÖ.)

In wirtschaftlich schwierigen Zeiten treten die Angebote der Gemeinden viel mehr in den Vordergrund. Ein attraktiver Spielplatz, ein öffentliches Freibad, eine Bibliothek, ge­splittete Straßen im Winter und so weiter bedeuten Lebensqualität und geben Sicherheit, wenn private Haushalte jeden Cent umdrehen müssen.

Medienwirksam verkünden Sie eine Gemeindemilliarde, die in Summe 2 Milliarden Euro in den Konjunkturmotor Gemeinde spülen soll, und lassen sich feiern. Wie schon gesagt, die zweite Milliarde zahlen sich die Gemeinden ohnedies selbst, sofern sie es sich leisten können. Wenn nicht, dann kriegen sie es eben beim zweiten Verteildurchgang und gehen jetzt zunächst einmal leer aus. Das Geld gibt es außerdem nicht bedingungslos, sondern muss in klar definierte Projekte fließen, und es ist keinesfalls Geld für den laufenden Haushalt. Bei uns in Oberösterreich beteiligt sich auch das Land über die Gemeindefinanzierung Neu bei neuen Projekten indirekt noch am Genuss der anteiligen Gemeindemilliarde. Ich fordere Sie auf, darauf zu achten, dass in allen Bundesländern, auch im türkis-blauen Oberösterreich, die anteilige Gemeindemilliarde zu 100 Prozent bei den Gemeinden ankommt! (Beifall bei der SPÖ.)

Gemeinden brauchen gerade jetzt eine praxistaugliche, breit wirkende Unterstützung, um Lebensqualität vor Ort bieten zu können und den regionalen Konjunkturmotor anzuwerfen. Ihre Förderung ist allerdings eine Förderung der Starken. Das ist nicht fair gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern in den schwächeren Gemeinden und wider­spricht dem Gerechtigkeitsgebot. Wir brauchen ein tatsächliches Krisenbewälti­gungs­programm, das über unsere Gemeinden abgewickelt wird, eines, das durchgängig ist, denn das laufende Geschäft der Gemeinden muss abgesichert werden. Eines ist sicher: Weder die Qualität noch die Quantität unserer Gemeindeleistungen darf rückgebaut werden. Wir sind engagiert für die Bürgerinnen und Bürger unterwegs, wir gestalten den gemeinsam Lebensraum im Sinne von Lebensqualität.

Ihre Milliarde ist unausgegoren. Es stellt sich die Frage, ob es bei der Formulierung des Kommunalinvestitionsgesetzes überhaupt prioritär um die Bedürfnisse der autonomen Gemeinden gegangen ist oder ob die Gemeinden als Vehikel für etwas anderes benutzt wurden. Wenn jemand tatsächlich Bürgermeister werden will, muss er wissen, wo seine Prioritäten liegen! Oder ist das alles ohnedies nicht so ernst für Sie in Wien? Ist es ohnedies nur Showprogramm, Inszenierung, türkises Marketingprogramm mit mangel­haf­ter bis keiner Umsetzung? (Beifall bei der SPÖ.)

Schauen Sie sich einmal die Vorschläge der SPÖ zur Gemeindeunterstützung an! Wir orientieren uns an den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger in den Gemeinden und sind dabei geradlinig: 250 Euro pro EinwohnerIn als Direktzahlung, das ist praxistauglich und kommt an. Damit würde das Tagesgeschäft abgesichert und der Konjunkturmotor in Gang gesetzt werden.

Die Gemeindemilliarde relativiert sich im Übrigen zudem noch weiter, steht doch im Raum, dass sie sowieso großteils von der Steuerreform aufgefressen werden wird und den Gemeinden unterm Strich nicht viel mehr übrig bleibt als heiße Luft und hoher Verwaltungsaufwand, der noch dazu bezahlt werden muss. So wichtig sind Ihnen also die Gemeinden! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich blicke mit bangen Augen auf den Rechnungsvoranschlag 2021, den wir in Kürze zu debattieren beginnen werden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Bader: Geh bitte!)

17.17

Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Günter Kovacs. – Bitte, Herr Bundesrat.