14.03

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsi­dentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben gerade einen sehr sperrigen und langen Gesetzestitel gehört, und dahinter verbirgt sich in Wahrheit nichts anderes als die Bildungsdokumentation. Ich glaube, wir müssen diesen Bereich der Bil­dungsdokumentation unter zwei – oder besser sogar noch drei – ganz unterschiedlichen Gesichtspunkten betrachten, weil dieser eben auch ganz unterschiedliche – ich würde einmal sagen – Bedürfnisse und Erfordernisse nach sich zieht.

Bildungsdokumentation ist auf der einen Seite natürlich eine wichtige Grundlage für das Bildungscontrolling, beispielsweise für den Nationalen Bildungsbericht und die daraus resultierenden Folgerungen, dazu gehören auch Bildungsforschung und dementspre­chend natürlich die Verarbeitung der gesammelten Schülerinnen- und Schülerdaten durch in dem Fall die Statistik Austria. Das ist dieser eine Bereich.

Auf der anderen Seite geht es aber auch um die Weitergabe von Schülerinnen- und Schülerdaten von Schule zu Schule. Gerade an den Nahtstellenbereichen, also im Tran­sitionsbereich, zum Beispiel dem Wechsel vom Kindergarten zur Volksschule oder auch von der Volksschule zur Mittelschule oder der AHS-Unterstufe, ist es für die Pädagogin­nen und Pädagogen essenziell, für eine optimale und sehr individualisierte Förderung eines Schülers, einer Schülerin grundlegende Informationen aus der vorhergehenden Schule oder Bildungseinrichtung zu erhalten. Vielleicht kennen auch Sie noch die berühmten gelben Schülerbeschreibungsbögen, die bis vor nicht allzu langer Zeit noch von Schule zu Schule weitergeschickt, weitergegeben werden mussten.

Ich habe in meiner Praxis schon das eine oder andere Mal selbst erlebt, dass uns als LehrerInnen, als Lehrkräften entscheidende Informationen – beispielsweise Bescheide zu Lese-, Rechtschreibschwächen und dergleichen mehr – gefehlt haben. Sie wurden schlicht und einfach nicht weitergegeben, und natürlich bekommt man – aus den unter­schiedlichsten Gründen – derartige Informationen auch nicht immer von den Eltern selbst.

Das hat dann unter Umständen zur Folge, dass Kinder nicht optimal betreut werden können und dass vielleicht sogar ganz langwierige Testungen neuerlich in Gang gesetzt werden müssen, obwohl das gar nicht notwendig wäre, weil schon Bescheide vorliegen. Was das für das betroffene Kind bedeuten kann, kann man sich hoffentlich vorstellen.

Das ist also dieser zweite Bereich, aber für beide Bereich gilt: In diesem Spannungsfeld, möchte ich fast sagen, kommt unumstritten noch ein dritter wichtiger Aspekt dazu, näm­lich jener des Datenschutzes, und der kommt – bei allem Verständnis für Bildungsfor­schung und Bildungsstatistik – aus unserer Sicht viel zu kurz.

Positiv hervorheben muss ich sehr wohl, dass in dem Fall jetzt die Sozialversicherungs­nummer des Schülers, der Schülerin durch das sogenannte bPK, also das bereichsspe­zifische Personenkennzeichen, ersetzt wird, um das, wie es im Gesetz heißt, Individuum zu identifizieren. Das wurde auch von der Datenschutzbehörde schon lange gefordert. Künftig wird also jedem Schüler, jeder Schülerin mittels eines Generators ein spezifi­sches Kennzeichen zugeordnet, ähnlich einer Matrikelnummer im postsekundären Be­reich, und dann verschlüsselt.

Die Änderung der Begrifflichkeiten von Leistungsmessung zu Kompetenzmessung ist für mich eher ein bisschen eine Türschildänderung, aber da kann ich auch noch insofern mitgehen, als es dann heißt, dadurch soll eine Verwechslung mit der Leistungsfeststel­lung, der Leistungsbeurteilung vermieden werden. – Soll so sein. Wie gesagt, auch da gehen wir mit.

Was für uns aber ganz und gar nicht nachvollziehbar ist und in welche Richtung wir unsere ganz konkrete Kritik richten, ist die geplante Verlängerung der Aufbewahrungs­frist der Daten, nämlich von bis dato 20 auf in Zukunft 60 Jahre. Im Ausschuss hat man uns das damit begründet, dass auch Langfriststatistiken zu erheben sind, also zum Bei­spiel Auswirkungen auf das Pensionssystem, auf Wohnverhältnisse, auf den Berufsver­lauf und dergleichen mehr – aber bei allem Verständnis für derartige statistische Auswer­tungen sprechen wir da von ganz sensiblen Daten von Kindern und von Jugendlichen; ich glaube, das dürfen wir nicht vergessen! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesra­tes Arlamovsky.)

In Wahrheit geht es – und darauf hat auch beispielsweise Epicenter Works kritisch hin­gewiesen – schlicht und einfach um eine ganz lückenlose Datensammlung vom Kinder­garten bis zur Pension, also quasi der gläserne Schüler, die gläserne Schülerin, wie auch immer. Jedenfalls entsteht dadurch eine ganz enorme Datensammlung – die Menge, glaube ich, können wir uns an dieser Stelle noch gar nicht vorstellen –, und das öffnet aus meiner Sicht Tür und Tor für unterschiedlichste Begehrlichkeiten, beispielsweise auch von Unternehmen, großen Konzernen, die vermutlich sehr viel Freude damit hät­ten, über eine derartige Menge an Daten zu verfügen und diese dann vielleicht auch für ihre – aus heutiger Sicht natürlich noch nicht absehbaren – Zwecke verwenden zu kön­nen.

Aus meiner Sicht besteht da auch ein ganz immenses Missbrauchspotenzial, zumal die Daten ja über die jeweilige Verwaltungssoftware browser- und cloudbasiert eingegeben und weiterverarbeitet werden. Ich muss dazusagen, ich habe mich auch ein bisschen schlaugemacht, was europäische Vergleiche betrifft. Etliche europäische Länder setzen da auf repräsentative Stichprobenerhebungen und finden damit auch das Auslangen. Also wie gesagt, warum man hier eine Verdreifachung dieses Zeitraums angehen möch­te, ist für mich nicht nachvollziehbar.

Ebenso fragwürdig finde ich die Tatsache, dass der sonderpädagogische Förderbedarf weiterhin der Person zugeordnet wird. Bisher wurde ja dieser Personenbezug schon nach einem Jahr gelöscht, das soll jetzt nicht mehr passieren. – Ich fürchte, es wird wie­der einmal passieren: Es geht wieder um diesen sprichwörtlichen Stempel, den ein Kind dadurch erhält und quer durch seine Bildungskarriere mitnimmt. Auch das kann man, wie ich glaube, nicht so stehen lassen. (Beifall bei der SPÖ.)

Weiters müssen wir die Verarbeitung von biometrischen Bilddaten kritisch hinterfragen. Jetzt soll also über ein zentrales Register ein automatischer Zugriff, zum Beispiel für Studierendenausweise, ohne ausdrückliche Zustimmung möglich sein. Wir haben ges­tern über die E-ID gesprochen, und für mich gilt in beiden Bereichen dasselbe Prinzip: Nicht alles, was praktisch ist, ist auch immer gut und sinnvoll, besonders wenn es um datenschutzrechtliche Bedenken geht. Jeder von uns kennt Dinge wie Smarthome: Wir können aus kilometerweiter Entfernung die Heizung und das Licht ein- und ausschalten, wir bezahlen kontaktlos mit der Uhr und vieles dergleichen mehr. Das ist sehr praktisch, aber da laufen in jeder Sekunde Abermillionen von Daten durch den Äther, und in Wahr­heit weiß niemand, was mit diesen Daten tatsächlich passiert, vor allen Dingen, wenn sich Personen diese Daten vielleicht unrechtmäßig zu eigen machen.

Die Stellungnahmen in der Begutachtungsfrist zeigen uns, dass wir mit unserer Kritik ganz und gar nicht allein sind. Epicenter Works habe ich bereits genannt, aber auch die ÖH, die Gewerkschaft öffentlicher Dienst, nämlich konkret die AHS-Gewerkschaft, die Datenschutzbehörde und viele andere mehr haben in diesem Zusammenhang ihrer ganz eindeutigen Kritik Ausdruck verliehen und diverse Abänderungen gefordert. Sogar die niederösterreichische Landesregierung hat eine Stellungnahme mit etlichen Änderungs­wünschen, wenn man das so bezeichnen kann, abgegeben.

Da diese Kritik keine wirklichen Auswirkungen auf das vorliegende Gesetz hatte und diese Änderungsvorschläge eben nicht entsprechend eingearbeitet wurden, können wir dem Gesetz in dieser Form leider nicht zustimmen. Da muss ich Ihnen jetzt leider die Hoffnung nehmen: In dem Fall sind wir nicht einer Meinung. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.12

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.Dr.in Doris Berger-Grabner. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.