16.03

Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Ich habe noch gar nichts gesagt und höre schon Murren. (Heiterkeit des Redners. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann. – Bundesrat Schennach: Wir haben schon geglaubt, Sie haben ein stimmli­ches Problem!) – Ich wollte zuerst eine Rednerrunde zu Wort kommen lassen und mich dann zu Wort melden, das gehört zum guten Ton, immerhin ist das die Plenardebatte des Bundesrates! Ich freue mich, dass ich bei Ihnen zu Gast sein und eine Stellungnah­me zu den Themen abgeben darf. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätIn­nen der SPÖ. – Rufe bei der SPÖ: Danke!)

Zunächst einmal: Ich kann vieles von dem, was gesagt worden ist, nachvollziehen. Wir alle sind in der Situation, das Jahr 2020 in vielen schwierigen Fällen erleben zu müssen, aber andererseits auch in der Situation, in diesem Jahr vielleicht sogar mehr zum Wohle der Österreicherinnen und Österreicher tun zu können als in normalen Jahren. Wenn es gut läuft, ist es relativ leicht, wenn es schwierig ist, kommt es darauf an, und deswegen ist es unsere Aufgabe, in diesem Jahr den Österreicherinnen und Österreichern – egal, was sie tun, egal, ob Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Unternehmerinnen, Unter­nehmer – so gut es geht durch diese schwierige Situation zu helfen. Das eint uns alle hier im Parlament.

Wir haben in den verschiedenen Phasen der Pandemie die verschiedensten Maßnah­men gesetzt, um gegenzusteuern. Natürlich schauen wir uns auch die Kritikpunkte, die kommen, regelmäßig an – entgegen manchen Meinungen.

Wir haben im Frühjahr die Herausforderung gehabt, dass es keine Präzedenzfälle gab. Wenn man gefragt hat: Wie geht man mit einer weltweiten Pandemie um?, hat es nie­manden gegeben, der das schon einmal erlebt hatte, der das schon bewältigt hat. Es hat keine klassischen Instrumente gegeben, wo es geheißen hat: Wenn eine weltweite Pandemie kommt, tu dieses oder tu jenes! Deswegen war die Schwierigkeit sehr groß, möglichst präzise, möglichst schnell das zu tun, was auch das Richtige ist. Ich gebe zu, das hat eine Zeit lang gedauert.

Ich kann mich erinnern, bei den ersten Verhandlungen zum Thema Kurzarbeit waren die Sozialpartner und die Regierung sehr schnell der Meinung: Gut, dass wir uns auf ein noch nie da gewesenes Volumen von sage und schreibe 400 Millionen Euro für dieses Jahr geeinigt haben! Wir wissen, dass dieses Volumen bei Weitem nicht ausgereicht hat. Das beantragte Volumen betrug kurzfristig über 10 Milliarden Euro, derzeit liegt es bei über 9 Milliarden Euro, der Auszahlungsbetrag liegt bei fast 6 Milliarden Euro. Und so können Sie es de facto bei allen anderen Instrumenten auch mit durchgehen.

Wir wollten ganz zu Beginn zu 100 Prozent garantierte Kredite für die Wirtschaft zur Verfügung stellen, so wie es auch unsere Schweizer Kollegen gemacht haben. Da hat es dann geheißen, das ist laut europäischem Beihilfenrecht leider Gottes nicht möglich. Wir haben uns dennoch dafür eingesetzt, und siehe da, einige Monate, nachdem es die Schweizer gemacht haben, haben wir das Okay von der Kommission bekommen, auch das zu tun.

Wir haben daraufhin auch darum ersucht, dass das Beihilfenrecht auf europäischer Ebe­ne temporär generell ausgesetzt wird, so wie viele andere Vorschriften – Stabilitäts- und Wachstumspakt, Verschuldungen et cetera –, aber leider Gottes ist dem bis dato nur bedingt stattgegeben worden. Sie alle haben die recht heftige Auseinandersetzung auch zwischen mir persönlich und dem Vertreter der Kommission im Herbst miterlebt. Jetzt sieht es so aus, als ob auch Deutschland zu einem ähnlichen Schluss gekommen wäre und Finanzminister Scholz und Bundesminister Altmaier – von verschiedenen politi­schen Fraktionen – ins selbe Horn stoßen und bei der Kommission auch genau um das ersuchen, was wir Österreicher schon seit einigen Monaten fordern, nämlich die Beihilfen flexibler zu gestalten, weil sie sehen, dass es eben derzeit nicht ausreicht.

Sie haben daher völlig recht, wenn Sie sagen: Da war von Anfang an nicht alles perfekt! Ich habe Kritik gehört, die am Anfang gelautet hat: zu wenig, zu langsam! Ich höre jetzt Kritik, die lautet: zu viel, zu pauschal! – Klar ist, dass es entweder schnell und pauschal geht oder genau und dafür ein wenig langsamer. Ein Dazwischen gibt es in vielen Berei­chen kaum. Dennoch versuchen wir bei allen Kritikpunkten, die an uns herangetragen werden, bei den Tausenden Rückmeldungen, die wir von Unternehmern und Arbeitneh­mern bekommen, herauszufiltern, was davon wirklich zu einer Verbesserung beitragen kann und wo es einfach verständliche, aber dennoch sachlich nicht immer hundertpro­zentig gerechtfertigte Emotion gibt, die eben dazu führt, dass immer wieder breit darüber diskutiert wird.

Wir werden diese Situation noch einige Zeit haben. Wir haben zwar das Licht am Ende des Tunnels mit der Impfung, mit dem Impfstoff, der in einer Rekordzeit entwickelt wor­den ist, aber dennoch sind wir mitten in einer globalen Wirtschaftskrise.

Ich darf gerade mit Blick auf die Impfung auch eine Lanze für die globalisierte Zusam­menarbeit in der Wissenschaft brechen. Es ist einzigartig in der Geschichte der Mensch­heit, dass es innerhalb eines Jahres über die Wissenschaft ermöglicht wird, eine Pande­mie auf Sicht zu beenden. Das ist ein Sieg der globalisierten Wissenschaft. Ein deutsches Unternehmen, gegründet von türkischen Migranten, hat gemeinsam mit einem amerika­nischen Konzern unter der Leitung eines griechischen CEO innerhalb eines Jahres einen Impfstoff gegen eine Krankheit gefunden, der funktioniert. Das gibt uns Hoffnung, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätIn­nen der SPÖ.)

Dennoch wird uns die Pandemie noch eine Zeit lang begleiten.

Wir haben uns die verschiedensten Einschätzungen der Experten angesehen. Auch in Brüssel spricht man mittlerweile davon, dass eine dritte Welle kommen wird und diese dritte Welle vielleicht noch heftiger als die zweite Welle wird. Die Frage ist also: Wie gehen wir in den nächsten Monaten mit diesem Virus um? (Bundesrätin Steiner-Wieser: Alles aufmachen!) Es gibt verschiedene Lösungsansätze, die alle ausprobiert worden sind – von der Idee, nur ja nicht zu viel zuzusperren, wie dies in manchen Ländern, zum Beispiel in Schweden oder Großbritannien, zu Beginn versucht worden ist, bis hin zu vielen harten Lockdowns.

Wir wissen heute, dass weder das eine noch das andere Modell ein Allheilmittel darstellt. Länder wie Schweden beispielsweise gehen jetzt sukzessive dazu über, härtere Maß­nahmen, härtere Schließungen zu vollziehen, weil die Zahl der Toten mittlerweile einfach nicht mehr verkraftbar ist. Andere Länder – schauen wir unser südliches Nachbarland Slowenien an! – haben seit sechs Wochen einen harten Lockdown, und die Infektions­zahlen explodieren, weil sich die Menschen im privaten Bereich schlicht und ergreifend nicht mehr an die Maßnahmen halten und nicht mitmachen. – Es gibt also keine pau­schale Lösung.

Ich plädiere dafür, die Errungenschaften, die wir in über 250 Jahren Aufklärung erreicht haben, auch zu nutzen, nämlich den wissenschaftlichen Fortschritt. Wir haben jetzt die Möglichkeit, sehr schnell funktionierende Tests flächendeckend durchzuführen und da­durch viele Infektionsketten zu unterbrechen. Ich weiß schon, es ist unangenehm, sich testen zu lassen. Es ist vielleicht auch unangenehm, am Wochenende einmal aufzuste­hen und zu einer Gratisteststraße zu gehen. Ich verstehe das alles, aber das, meine sehr geehrten Damen und Herren, sollte es uns doch wert sein, wenn wir damit vielleicht einen dritten Lockdown vermeiden können. Es ist sowohl wirtschaftspolitisch als auch gesundheitspolitisch das gelindeste Mittel, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Wir haben in dieser Pandemie bereits viel Geld lockergemacht, um Arbeitsplätze zu ret­ten und Unternehmen durch diese Krise zu bringen. Wir haben insgesamt fast 29 Mil­liarden Euro rechtsverbindlich zugesagt oder bereits ausgegeben. Viele sagen, es ist zu viel. Ich glaube, es ist richtig, möglichst viele Unternehmen und viele Arbeitsplätze durch diese Krise zu bringen und zu retten. Je mehr Unternehmen und Arbeitsplätze am Ende dieser Krise noch da sind, desto schneller kommen wir wieder in die Wachstumsphase und desto schneller werden wir es auch schaffen, den Schuldenberg ohne neue Steuern, sondern aufgrund von Wachstum zu reduzieren. (Bundesrat Steiner: Und was ist mit der NoVA, Herr Minister?)

Deswegen zahlt sich diese Politik aus, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Steiner: Gibt es zur NoVA auch ein Wort?) – Sehr gerne (Bundesrat Steiner: Bitte! – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann): Es wird wohl nie­manden überraschen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass wir Dinge, die wir im Regierungsprogramm vereinbart haben, auch umsetzen. (Bundesrat Steiner: Da bin ich gespannt! Bei der Sicherungshaft bin ich gespannt!) Das gilt im Übrigen auch für alle anderen Maßnahmen, die im Regierungsprogramm stehen, Herr Kollege. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen. – Bundesrat Steiner: Ich werde Sie daran er­innern, wenn es um die Sicherungshaft geht! – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Laut einer Analyse des Internationalen Währungsfonds ist Österreich eines jener Län­der, die in dieser Krise am meisten budgetwirksame Maßnahmen gesetzt und damit auch entsprechend viel bewegt haben. Die verschiedensten Gesetzesvorlagen, die wir heute diskutieren, sollen auch weiterhin dazu beitragen, in dieser Krise die Probleme zu lin­dern. Das reicht von einer Senkung der Umsatzsteuer für Gastronomie, Hotellerie und Kultur bis Ende des kommenden Jahres über viele Steuerbegünstigungen für Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer bis hin zu einer Verlängerung der Möglichkeit, die Abgaben bis in den März des kommenden Jahres zu stunden.

Wir wissen, dass die Maßnahmen der Bundesregierung gewirkt haben, da wir im Jahr 2020 um circa 40 Prozent weniger Insolvenzen als in Vergleichszeiträumen ha­ben – 40 Prozent weniger. (Bundesrat Steiner: Weil es nur Stundungen gibt!) – Nein (Bundesrat Steiner: So was sagt der Finanzminister! Das ist doch peinlich! – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ – Bundesrätin Schumann: Das ist extrem ...! – Zwischenruf der Bundesrätin Gruber-Pruner), durch die verschiedensten Maßnahmen: durch Stun­dungen, durch das Aussetzen von Anzeigepflichten, durch Liquiditätsspritzen, durch Ga­rantien. Verfolgen Sie bitte einfach die Medien, lesen Sie ein bisschen mehr als aus­schließlich auf Ihrem Laptop, dann sehen Sie vielleicht, was wir alles getan haben und welche Maßnahmen gegriffen haben. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Damit Unternehmen die gestundeten Steuern und Abgaben möglichst gut zurückzahlen können, haben wir in ihrem Interesse auch eine neue Art der Rückzahlung beschlossen: Statt innerhalb eines Jahres kann die Rückzahlung innerhalb von drei Jahren mit einem verringerten Zinssatz von 2 Prozent über dem Basiszinssatz anstatt von 4,5 Prozent über dem Basiszinssatz erfolgen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, all diese Maßnahmen, um Österreich besser durch die Krise zu bekommen, möglichst viele Arbeitsplätze zu sichern und Unterneh­men zu retten, können sich sehen lassen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

16.14

Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Nun wird Frau Bundesrätin Elisabeth Mattersberger zu uns sprechen. – Bitte, Frau Kollegin.