13.24

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuse­her! Diese Regierung hat nichts mehr im Griff, nicht einmal mehr den Gesetzgebungs­prozess, und das ist der Grund dieser neuerlichen Sondersitzung, die heute stattfindet.

Dabei muss man sagen: Was uns besonders wundert, ist, dass die Finanzpunkte dies­mal nicht auf der Tagesordnung waren. Es geht hier um Fristerstreckungen, die ganz dringend notwendig gewesen wären. Für uns ist nicht nachvollziehbar, warum das jetzt nicht im Rahmen dieser Sondersitzung abgehandelt wird. (Bundesrat Spanring: Ma­chen wir vielleicht nächste Woche noch einmal eine Sondersitzung!) Das muss aber die Regierung selbst verantworten, das ist ganz klar. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bun­desrates Spanring.)

Wir sehen eine Regierung, die wirklich schlingert, die uneinig ist, mit schweren internen Auseinandersetzungen anstatt mit der Krise kämpft, eine Regierung, die aus Ministe­rinnen und Ministern besteht, die nicht Krisenmanagement betreiben, sondern deren Management in die Krise führt. Die Mehrzahl von ihnen ist so schwer angeschlagen, dass ein Rücktritt nicht nur sinnvoll, sondern mehr als geboten wäre, und all das inmitten der schwersten Krise, die dieses Land in den letzten Jahrzehnten erlebt hat (Zwischenruf des Bundesrates Bader): einer Gesundheitskrise, einer enormen, teilweise hausge­machten Wirtschaftskrise, einer bestürzenden Arbeitsmarktkrise und einer sozialen Krise.

Österreich steht viel schlechter da als andere europäische Staaten, und das obwohl sich der Herr Bundeskanzler immer damit brüstet, an der Spitze Europas, ja weltweit zu ste­hen. Wir haben schlechte Daten bei der Epidemiebekämpfung, eine doppelt so hohe Arbeitslosigkeit wie zum Beispiel Deutschland und schlechte Wirtschaftsdaten. Die Mes­sagecontrol kann da nur versagen, denn wo es nichts zu verkaufen gibt, hilft der beste Verkäufer nichts. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Kerninstrument der türkisen ÖVP hat versagt, weil es nur für Schönwetterpolitik reicht. Allein die Skandale, die diese Regierung beuteln, die wir erlebt haben, reichen für vier Regierungen aus.

Da ist eine mit Anlauf verpatzte Impfstrategie: lange ohne Plan, dann stecken geblieben wegen fehlenden Impfstoffs, den wir so dringend bräuchten, weil er die einzige Möglich­keit ist, aus dieser Krise herauszukommen. (Beifall bei der SPÖ.) Und ganz ehrlich: Wir können über alle Formen von Impfpässen reden, mögen sie grün, rosa oder mit Mascherl sein, aber ohne Impfstoff gibt es keine Impfpässe! Das passt nicht zusammen, so kann es nicht funktionieren!

Da ist eine Teststrategie, die dann nur durch intensives Drängen der Sozialdemokratie und der Sozialpartner auf betrieblicher Ebene auf die Beine gestellt werden kann. Wäh­renddessen lässt ein Außenminister im Filmchen kurzerhand unsere Bundeshauptstadt Wien durch eine Atombombe verdampfen (Rufe bei der ÖVP: Geh!), und das in einer Zeit der großen Verunsicherung, einer Verunsicherung, die durch den grausamen Ter­roranschlag in Wien, der hätte verhindert werden können, noch einmal vergrößert wurde! (Beifall bei der SPÖ.)

Es lagen ja, wie wir mittlerweile wissen, alle Informationen zum Täter und seinem Umfeld vor, aber gehandelt wurde im Innenministerium nicht. Das BVT ist in einem desaströsen Zustand, und der Innenminister weigert sich, dafür die Verantwortung zu übernehmen. Dabei wäre das nur recht und billig, weil es nämlich die Verfehlungen seiner Partei und seiner Vorgängerinnen und Vorgänger waren, die uns so weit gebracht haben. Allein das sollte dafür reichen, dass er daraus Konsequenzen zieht. (Beifall bei der SPÖ.)

Da darf man wohl die Metapher der Nebelgranate bemühen. Genau dieser Innenminister lässt ganz bewusst jede menschliche Regung vermissen. Kinder, die hier geboren sind, die hier in die Schule gehen, die gut integriert sind, die hier ihre Netzwerke haben, lässt er mit unsagbarer Brutalität abschieben – und ehrlich gesagt: Das ist zum Genieren!

Oder denken wir an den Finanzminister, der sein Geschäft ganz offensichtlich nicht kann, was in einer derartigen Krise grob fahrlässig ist, und an dem – es gilt natürlich die Un­schuldsvermutung – der Geruch eines zu lässigen Umgangs mit Korruptionsfragen doch ganz gewaltig klebt.

Da ist ein Klubobmann Wöginger, der unverfroren versucht, die Justiz anzupatzen, wobei ihm jedes Mittel recht scheint, um seine Leute aus der Schusslinie zu ziehen. Da und nur da scheint der Sager zu stimmen: „Koste es, was es wolle“, und wenn es die Unab­hängigkeit der Justiz ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Da ist ein Kanzler, der einen Brief an die Justiz schreibt, bei dem man den Eindruck bekommt, er will der Vorladung als Zeuge nur zuvorkommen, einen Brief, der nur dazu genützt wird, die Justiz neuerlich in ein schräges Licht zu rücken, einen Brief, der sug­geriert: Der Kanzler vertraut unserer Justiz nicht.

Passend dazu ist da eine Verfassungsministerin, die zu einer Pressekonferenz lädt, bei der die JournalistInnen fragen, was denn jetzt eigentlich der Neuigkeitswert der eilig ein­berufenen Pressekonferenz ist, aber dann wenige Tage später die Zerschlagung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ankündigt, die ja für die ÖVP vor allen Dingen – wenn wir die Aussagen des Kanzlers zitieren – eine störende Ansammlung von roten Netzwerken ist.

Ich darf schon darauf hinweisen, dass es seit Dezember 2008 keinen roten Justizminis­ter und keine rote Justizministerin mehr gibt. (Beifall bei der SPÖ.)

Was da von der ÖVP inszeniert wird, ist schlecht für den Rechtsstaat, ist schlecht für die Justiz und ist schlecht für die Demokratie.

Ich darf noch daran erinnern, dass es eine Wirtschaftsministerin gibt, die ganz nebenbei auch für die Digitalisierungsagenden zuständig ist. 1,3 Millionen Euro an Steuergeld wur­den mit dem Kaufhaus Österreich in den Sand gesetzt, und sie sagt noch: Es war aber schon eine gute Aktion!, ohne ein Beispiel nennen zu können, welchem von den Betrie­ben, die gerade jetzt die Hilfe so dringend brauchen, das geholfen hätte. Das Kaufhaus Österreich war nichts Besseres als ein Telefonbuch, das dann stillgelegt wurde. Weil es so gut ist? – Das sicher nicht. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

All das sind Sittenbilder, die erwähnt werden müssen und – so ehrlich muss man sein – die bei früheren, anderen Regierungskonstellationen nicht ansatzweise möglich gewe­sen wären. Es gibt ein Wort – um Vizekanzler außer Dienst Reinhold Mitterlehner zu zitieren –, das „Haltung“ heißt. (Beifall bei der SPÖ.)

Auf einen Player in diesem traurigen Schauspiel sollten wir nicht vergessen, das ist der grüne Koalitionspartner. Dieser ist leider mit den kleinen Versuchen, Oppositionsarbeit im Regierungschaos zu machen und sich aus der lähmenden Umklammerung des Part­ners zu befreien – wobei man übersieht, dass die Geschenke, die die Grünen von der ÖVP fürs Durchhalten erhalten, nicht annähernd den öffentlichen Schaden aufwiegen, der den Grünen entsteht –, zum nickenden Zaungast in der Regierung geworden.

Alles das muss hier und heute einmal gesagt werden, auch und gerade dann, wenn wir SozialdemokratInnen den Punkten, die wir heute behandeln, sehr wohl zustimmen, weil es unser Verständnis von guter Politik ist, Maßnahmen für die Menschen mitzutragen, zugleich aber auch die unglaubliche Gebarung der Regierung sichtbar zu machen und konkret darzustellen. (Beifall bei der SPÖ.)

Deshalb darf ich Ihnen erklären, dass wir inhaltlich an Bord sind, weil viele unserer sozial­demokratischen Forderungen durchgesetzt werden konnten. So beschließen wir heute die Ausweitung der Möglichkeiten der Teststrategie, die so um Tests in Apotheken und auch zu Hause erweitert werden, nach einer Forderung, die zuerst und exklusiv von der SPÖ aufgestellt wurde – auch das ist festzuhalten. Dass es jetzt fünf Tests pro Monat geworden sind, scheint wirklich niedrig gegriffen zu sein. Es wäre mehr als sinnvoll, da keine Kontingentierung vorzunehmen, aber gut: Kleine Schritte helfen auch etwas, füh­ren vielleicht auch zum Ziel. Nicht gut ist aber, dass jene ausgeschlossen sind, die sich von Elga abgemeldet haben. Das muss verändert werden. Ganz wichtig wäre auch die Anerkennung solcher Wohnzimmertests als Eintrittstests. Das wäre der Schritt, der jetzt folgen müsste (Beifall bei der SPÖ), und zwar gerade dann, wenn man jetzt sagt: Wir brauchen die Öffnung der Wirtschaft, wir brauchen die Öffnung der Gastronomie und weiterer Sektoren. So kämen wir einen Schritt weiter in Richtung Normalität, und das brauchen wir. Daher bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Anerken­nung von Wohnzimmertests als Eintrittstests“

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pfle­ge und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, dem Nationalrat und dem Bundesrat um­gehend eine Gesetzesvorlage zur Beschlussfassung vorzulegen, in dem die Antigen­tests zur Eigenanwendung als Eintrittstestungen zugelassen sind. Zur Sicherstellung der Richtigkeit der Ergebnisse und der klaren Zuordnung zur getesteten Person, sind die Durchführung vor Ort und die Einführung eines Vier-Augen-Prinzips vorzusehen, um die technischen Hürden so gering wie möglich zu halten und eine flächendeckende Test­strategie in greifbare Nähe rücken zu lassen, die den Menschen in Österreich ein Stück Normalität und Freiheit zurückgibt und um eine möglichst breite Öffnung der Wirtschaft und eine Sicherung von Arbeitsplätzen zu befördern.

*****

Bitte gehen Sie da mit! Wir brauchen diese Anerkennung der Wohnzimmertests als Ein­trittsmöglichkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch der Verlängerung der so wichtigen Stundungen von Sozialversicherungsbeiträgen lassen Sie uns heute zustimmen, ebenso wie der automatischen Genesungsbescheini­gung, die es Menschen möglich machen wird, ihren Status nach einer Covid-Infektion auch amtlich bestätigt in Händen zu halten, oder der Ausweitung der Berufsgruppen, die testen dürfen, um damit unsere sozialdemokratische Strategie – testen, testen, testen! – endlich weiter umzusetzen und auch ein umfassendes Contacttracing zu ermöglichen, damit wir Infektionsketten überall durchbrechen können!

Wieso es Ihnen aber wieder nicht gelungen ist, liebe ÖVP, als Föderalismuspartei den Bundesrat gleich mitzudenken, bleibt kritisch zu hinterfragen. Man muss schon sagen: Kärnten befindet sich drei Tage vor einer wesentlichen Gemeinderatswahl. Brauchen wir jetzt unbedingt diese Sondersitzung? Ich hoffe nicht, dass dabei, die gerade jetzt einzu­berufen, eine Spur Kalkül von der ÖVP und den Grünen dabei ist. Ich kann Ihnen sagen: Wir werden es nicht vergessen. (Bundesrat Schennach: Da ist nichts zu holen für die ÖVP in Kärnten!) Wir werden sehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn wir übernächste Woche wieder zu einer Sitzung zusammenkommen werden, dann gilt es, jetzt noch einmal ernsthaft darüber zu sprechen: Wie kurbeln wir den Arbeitsmarkt an? Wie schaffen wir es, den Menschen Hoffnung und Perspektive zu geben? Wie un­terstützen wir die Aktion 40 000, damit jene Menschen, die jetzt keine Chance auf einen Arbeitsplatz haben, einen bekommen werden? – Da wird es richtig und wichtig sein, zu handeln. Das wäre sinnvoller als die Plattitüden des Kanzlers im Nationalrat zu wieder­holen, in denen er stolz betont, wir seien Spitzenreiter bei der Unterstützung der Unter­nehmen.

Wäre die ÖVP wirklich jene Wirtschaftspartei, die sie vorgibt zu sein, dann müsste doch klar sein: Es geht nicht um die Menge des ausgegebenen Geldes, sondern es geht um den erzielten Effekt. Ob Sie vielleicht in Zukunft mehr auf die Einbindung der Opposition setzen, damit man Ihnen die Ankündigungen von Transparenz und Informationsfreiheit auch wirklich abkaufen kann – nicht nur, wenn es um die politische Beruhigungspille für das leise flüsternde Gewissen der Grünen geht –, ob es Schule macht, dass unsere Vorschläge, die – wie beim Nichtanheben der Richtwertmieten – wirklich exzellent sind, endlich mehr Platz gewinnen, das werden wir sehen.

Es braucht jetzt zahlreiche Maßnahmen, um den Arbeitsmarkt anzukurbeln, es braucht zahlreiche Maßnahmen, um Konjunkturpakete zu schnüren, und es braucht stille Beteili­gungen an Unternehmen, denn auch die müssen gerettet werden. Es braucht jetzt klares Handeln und keine Showpolitik. Damit das auch die Spindoktoren der ÖVP verstehen: „A little less conversation, a little more action“! Zusammengefasst: Geschwurbelt ist ge­nug. Jetzt geht es ums Arbeiten für die Menschen in diesem Land. Dafür sind wir alle eigentlich da. – Glück auf! (Beifall bei der SPÖ.)

13.37

Präsident Mag. Christian Buchmann: Der von den Bundesräten Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Anerkennung von Wohnzimmertests als Eintrittstests“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Herr Bundesminister Rudolf Anschober hat sich zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm die­ses. – Bitte, Herr Bundesminister.