12.25

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Bundesräte! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gebe zu, ich bin emotionalisiert, zum einen, weil ich mich freue, dass Ihnen dieses Gesetz heute vorliegt, und weil ich hoffe und davon ausgehe, dass dieses Gesetz auch hier einstimmig beschlossen wird, indem nicht dagegen vorgegangen wird und kein Einspruch dagegen erhoben wird, so wie es auch im Verfassungsausschuss der Fall war, so wie es auch im Nationalrat der Fall war. – Das ist die Freude.

Zum anderen bin ich aber bei Bundesrat Schreuder, wenn ich sage, dass der Anlass für dieses Gesetz ein trauriger ist: Die Anzahl antisemitischer Vorfälle ist in den letzten Jah­ren in ganz Europa gestiegen, sie steigt in Österreich, und es zeigt sich, dass es mehr denn je notwendig ist, gegen jede Form des Antisemitismus vorzugehen (Beifall bei ÖVP und Grünen, bei BundesrätInnen der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky), egal ob er von rechts oder von links kommt, egal ob er importiert ist oder ob er autochthon ist, egal ob er antisemitisch oder antizionistisch ist. Wir haben die historische Verantwor­tung, gegen Antisemitismus in jeder Form vorzugehen. (Beifall bei ÖVP und Grünen, bei BundesrätInnen der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Ich bin emotionalisiert, wenn ich dieser Debatte hier folge, wenn ich hier ein Murren aus den Reihen der FPÖ höre, wenn Bundesrat Kolland hier darüber berichtet, was bei den Anticoronademonstrationen am Wochenende vor sich gegangen ist (Bundesrätin Stei­ner-Wieser: Der hat uns nur angeschüttet! Angeschüttet hat uns der!), wenn er berichtet, Frau Bundesrätin, dass Reichsfahnen geschwenkt worden sind, dass Sieg-Heil-Rufe ertönt sind, dass eine Covid-19-Impfung, auf die wir alle hingearbeitet haben, mit dem Zyklon-B-Gift, das zum Massenmord in der NS-Unrechtszeit verwendet worden ist, ver­glichen wird. Dann bin ich emotionalisiert, wenn hier ein Murren aus den Reihen der FPÖ kommt und wenn man das kritisiert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich eines sagen! Als Verfassungs­ministerin stehe ich zum verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht der Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Wie ist das mit dem Richter­posten?) Es ist wichtig, in einer Demokratie Kritik zu üben, es ist wichtig, dass Menschen die Möglichkeit haben, auf die Straße zu gehen, ihre Meinung kundzutun.

Nein, es muss nicht jeder mit allem, was die Regierung macht, einverstanden sein. Die Regierung hat mit der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg zu kämpfen, in welcher der Entscheidungsdruck jeden Tag groß ist, auf der einen Seite Menschenleben zu ret­ten, Gesundheitssysteme erhaltungsfähig zu machen und zu erhalten und auf der an­deren Seite größtmögliche Sicherheit und auch wieder Mobilität zu ermöglichen. Der Entscheidungsdruck ist groß, und es mag sein, dass nicht jede Entscheidung sich im Nachhinein als die richtigste herausgestellt hat. Das mag sein, es passieren auch Fehler, wenn gearbeitet wird.

Wenn es bei Demonstrationen aber plötzlich offensichtlich zumindest stillschweigend geduldet wird, dass Antisemiten und Neonazis, wegen Wiederbetätigung verurteilte Straftäter auf die Straße gehen, und der Zug unter anderen auch von gewählten Abge­ordneten dieses Hauses, von einem stellvertretenden Klubobmann angeführt wird, dann erwarte ich mir zumindest eine Distanzierung. Das hat dieses Land nicht verdient! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Wir sind uns offensichtlich alle einig, Gott sei Dank (Bundesrätin Steiner-Wieser: Ja, ja!), dass Jüdinnen und Juden dieses Land kulturell, geschichtlich, wissenschaftlich ge­prägt haben. Aus Ihren Reihen (in Richtung FPÖ) ist das auch gekommen. Ich sage, wir sind uns hier einig: von Hans Kelsen, der als Architekt der Bundesverfassung genannt worden ist, über Sigmund Freud, den Begründer der Psychoanalyse, bis hin zu den Gründern der Salzburger Festspiele, Hugo von Hofmannsthal etwa und Max Reinhardt. Ich möchte aber auch eine Frau nennen, zum Beispiel Hedy Lamarr. All das sind Be­rühmtheiten, die dieses Land dorthin gebracht haben, wo es heute ist. Darüber sind wir uns einig, und das ist gut.

Deshalb gehe ich auch davon aus, dass hier Einigkeit darüber besteht, dass man dieses österreichisch-jüdische Kulturerbe fördern muss, es sichtbar machen muss, damit es florieren kann. Das, meine Damen und Herren, ist der Grund dieses Gesetzes. Ich möch­te gleichzeitig folgende Message in die Welt senden: Wir sind ein Österreich, das sich der Verantwortung bewusst ist und das macht, was viele andere uns tatsächlich mittler­weile nachmachen wollen: Wir stellen langfristig im Sinne eines Gesetzes eine Förde­rung für die Israelitische Kultusgemeinde und die Religionsgesellschaft zur Verfügung. Darauf können und sollen wir stolz sein – das möchte ich an dieser Stelle auch einmal ganz deutlich sagen. (Beifall bei der ÖVP, bei BundesrätInnen der Grünen sowie der Bundesrätin Grimling.)

Frau Bundesrätin Gruber-Pruner hat es erwähnt: Es ist eine Maßnahme von insgesamt 38 – und, meine Damen und Herren, das ist nicht abschließend –, um gemeinsam mit einer Nationalen Strategie gegen Antisemitismus (das genannte Schriftstück in die Höhe haltend) in Europa voranzugehen, denn, ja, es ist auch ein Auftrag der Europäischen Kommission an jeden Mitgliedstaat der Europäischen Union, das zu machen. Wir sind eines der ersten Länder, und das hat die Europäische Kommission tatsächlich auch posi­tiv zum Ausdruck gebracht.

Ich sage es Ihnen ganz offen: Ich bin stolz darauf, weil der Prozess nämlich schon im Jahr 2018, während der österreichischen Ratspräsidentschaft, mit einer allgemeinen De­finition von Antisemitismus begonnen hat. Das ist nämlich die Voraussetzung: dass wir wissen, wogegen wir ankämpfen, wofür wir umgekehrt eintreten, nämlich für die Freiheit, auch für das Recht zu demonstrieren, aber bitte mit einer klaren Abgrenzung zu Dingen, die in die dunkelsten Kapitel der Geschichte zu verbannen sind und nie wieder, meine sehr geehrten Damen und Herren, in diesem Land auferstehen dürfen.

Ich danke Ihnen, dass Sie diesen Gesetzentwurf mittragen und keinen Einspruch erhe­ben. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

12.31

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank, Frau Bundesministerin.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bundesrat Steiner. – Bitte, ich erteile dieses.