18.55

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Minister!  Werte Bundesratskolleginnen und -kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher via Livestream! Herr Minister, meine Klubvorsitzende, Korinna Schumann, ist bereits sehr konkret auf den Bericht Ihres Ministeriums zur Jahresvorschau 2021 der EU eingegangen. Um bei der EU zu bleiben: Ich komme aus der Nuts-3-Region Steyr-Kirchdorf, einer Region, die gerade durchgerüttelt wird. Die Unverschämtheit, mit der MAN in die Verhandlungen eingestiegen ist, sollte keinen, der mit Arbeit seinen Lebensunterhalt verdient, kaltlassen. Steyr geht uns alle an! (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist eigentlich unfassbar: Vor einem Jahr unterschreibt der MAN-Vorstand noch einen Vertrag, der den Standort bis 2030 garantieren sollte. Dafür haben die 2 356 Mitar­bei­terinnen und Mitarbeiter mehr gearbeitet, und der Staat hat Förderungen überwiesen. Am Standort Steyr wurden in den vergangenen Jahren von MAN stattliche Gewinne pro Jahr erzielt, aber das war und ist noch immer zu wenig für die Konzernführung. Ginge und geht es nach MAN, sind Verträge für andere da. Wer ist denn heute noch so naiv und glaubt, dass ein Konzern sein Wort hält, wenn keine Sanktionen zu befürchten sind?

MAN will sich aus der Verantwortung für die Region ziehen und wandert nach Polen ab. Der wirtschaftliche Wettlauf um kostengünstigere Standorte geht weiter, quasi mit Steu­erflucht und Lohndumping zu höheren Gewinnen. (Beifall bei der SPÖ.)

Damit nicht genug: Ein verantwortungsvoller Konzern, der mit Steuergeldern gefördert wurde, hätte von Anfang an Übernahmeverhandlungen mit mehreren Investoren führen müssen. Aber weit gefehlt: MAN entschied sich frühzeitig dafür, nur mit einem einzigen Investor – Siegfried Wolf – Verhandlungen zu führen. Warum das so war, bleibt offen. Jedenfalls war das Angebot Wolfs der Belegschaft und der Region gegenüber nicht gerade fair. Viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hätten bei diesem Angebot ihre Arbeit verloren, und obendrein hätte es für die Übriggebliebenen Lohneinbußen gegeben. Man stelle sich die erdrückende Situation vor, ein Abzählspiel: Eins und zwei, und du gehst, oder geht doch erst drei? Und eins, schätz du dich jetzt gefälligst glücklich, du bleibst. Dafür bekommst du 15 Prozent weniger. – Das ist kein Angebot, das ist ein Gegen­einanderausspielen! Das ist eine moralische Zumutung! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Konzernzentrale rührte dazu noch die Werbetrommel für Wolf, und Wolf war sich nicht zu schade, mit einem Detroit in Österreich zu drohen; so die Situation vor der Urabstimmung. Aber die Belegschaft ließ sich nicht auseinanderdividieren. In einem solidarischen Akt stimmte sie gegen das schlechte Angebot des Herrn Wolf.

Der Betriebsrat, die Gewerkschaften, Bürgermeister Gerald Hackl und die regionale Politik ließen und lassen nicht locker. Sie kämpfen um jeden Arbeitsplatz. Ihr Einsatz zeigt erste Wirkungen.

Die gestern abgehaltenen Gespräche mit dem MAN-Konzern waren konstruktiv. Zum ersten Mal hat die MAN-Konzernleitung ein Entgegenkommen beim Sozialplan signa­lisiert. Ebenso konnten Fortschritte bei der Frage nach möglichen Investoren gemacht werden. Nachnutzungskonzepte unter Beteiligung der MitarbeiterInnen sollen möglich werden, wenn ein entsprechendes industrielles Konzept vorgelegt wird.

Die Erfüllung der im Standortsicherungsvertrag festgehaltenen Investitionszusage bleibt in den Verhandlungen – ein Erfolg: ein Erfolg der Beschäftigten, der Gewerkschaft, ein Erfolg der regionalen Politiker und Politikerinnen! Unsere Wertschätzung soll ihnen uneingeschränkt entgegengebracht werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben sich nicht mit dem abgefunden, was ihnen gnädigerweise zugedacht wurde. Anders der Bund: Der ließ alles ohne gestalterischen Beitrag laufen.

Wo sind die tauglichen Lösungen der Bundesregierung? Steht diesbezüglich irgend­etwas in den vorgelegten Berichten, Herr Minister? Das Problem ist ja nicht neu, bereits seit einem Jahr liegt der Fall MAN auf dem Tisch. Kanzler Kurz hat ihn sogar zur Chefsache gemacht – und geschehen ist: nichts.

Die Bundesregierung hätte zur Unterstützung viele Hebel bewegen können, um die über 8 000 Arbeitsplätze in Oberösterreich zu retten. Sie hätte damit den Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stärken können. Der Bundeskanzler hätte eine öffentliche Ermahnung an den MAN-Konzern richten können – Verträge sollten ja doch für alle gelten. Auch die Beteiligung der Öbag hätte in den Raum gestellt werden sollen.

Aber die Regierung – und auch Sie, Herr Minister – glänzt durch noble Zurückhaltung und Abwesenheit, wenn es um den tatsächlichen Einsatz für die arbeitenden Menschen geht! (Beifall bei der SPÖ.)

Hauptsache, die Marketingmaschinerie läuft wie geschmiert, damit alle getäuscht werden können. Wir rufen nicht nach Verstaatlichung für gestrige Strukturen und Tech­nologien, wie uns die Türkisen mit ihren verschrobenen Retroansichten vorhalten. Es geht um etwas ganz anderes: Es braucht den Staat, um die Transformation der Indus­trieproduktion erfolgreich zu vollziehen. Dieser Wandel muss fair, sozial, ausge­wogen und auf Augenhöhe mit den Menschen erfolgen!

Wir brauchen die Transformation in eine Green Economy, und dazu brauchen wir auch einen Social Deal. Es braucht Tempo, es braucht Einsatz – nicht übermorgen, sondern jetzt!

Somit bringe ich einen Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Retten Sie 8.000 Arbeitsplätze in Steyr. Lassen Sie die Menschen nicht im Stich, Herr Bun­deskanzler!“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, alles dafür zu tun, den durch den VW/MAN-Konzern von der Schließung bedrohten LKW-Produktionsstandort in Steyr zu erhalten und damit rund 8.000 Arbeitsplätze in der Region zu sichern. Dafür sollen alle zur Verfügung stehenden Instrumente, dazu zählt auch eine mögliche Minderheitsbe­teili­gung gem. § 7 Abs. 5 des ÖIAG-Gesetztes, eingesetzt werden.“

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Gehen Sie mit, unterstützen Sie die arbeitenden Menschen in unserem Land! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.04

Präsident Mag. Christian Buchmann: Der von den Bundesräten Korinna Schumann, Genossinnen und Genossen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Retten Sie 8.000 Arbeitsplätze in Steyr. Lassen Sie die Menschen nicht im Stich, Herr Bundes­kanzler!“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Der nächste Redner ist Bundesrat Andreas Lackner. – Bitte, Herr Bundesrat.