20.44

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen! Ja, zur Kenntnis nehmen werden wir diesen Bericht in der formalen Form nicht, das darf ich gleich vorausschicken – wenngleich wir ihn natürlich kennen, aber die Geschäftsordnung gibt uns leider keine andere Möglich­keit, als die Kenntnisnahme in diesem Fall zu verweigern –, und zwar aus folgenden Gründen:

Im Wesentlichen geht es bei diesem Bericht darum, schleichend die Kompetenzen des europäischen Zentralwesens EU auszubauen, die Nationalstaaten und die Kompeten­zen der Nationalstaaten und daher die Demokratie und die demokratische Kontrolle auf nationalstaatlicher und regionaler Ebene weiter auszuhöhlen. Dies kann man anhand vieler Beispiele in jedem einzelnen Kapitel dieses Berichts festmachen.

Ich nehme zum Beispiel die Europäische Staatsanwaltschaft heraus. Die Europäische Staatsanwaltschaft ist ja keine wirklich europäische Sache, sondern ist nur ein Produkt der sogenannten vertieften Zusammenarbeit von 22 Mitgliedstaaten, da einige Staaten ja dabei die Mitarbeit verweigert haben, weil sie es nicht für erforderlich erachten, einer europäischen Institution auch Kontrolle oder Teilkontrolle über die eigenen Staatsan­wälte zu übergeben.

Ursprünglich war das da, um Betrugsfälle oder Missbrauchsfälle von europäischen För­derungen, europäischen Geldern zentral zu untersuchen – da konnte man nicht so ohne Weiteres sagen, das ist ein Blödsinn, das soll jeder Staat selber machen, jeder soll sich selbst strafrechtlich untersuchen –, dann ist das auf den Terrorismus ausgeweitet worden. Da muss man sich schon fragen: Aha, eine gemeinsame Zusammenarbeit bei den Polizeibehörden zur Prävention von Terrorismus, zur Ausforschung von Terroris­ten – meinetwegen; aber warum muss eine Europäische Staatsanwaltschaft unter­suchen, warum muss eine Europäische Staatsanwaltschaft Anklagehoheit haben, wenn ein terroris­tischer Akt in Österreich geschieht? Das ist schon wenig einsichtig.

Jetzt geht es aber noch weiter. Das ist noch nicht eine Kompetenz der Staats­anwalt­schaft, aber am Weg zum europäischen Strafrecht, nämlich: Delikte, die aus Hass­motiven gemacht worden sind, und Verhetzung sollen Gegenstand von europäischem Strafrecht werden. Die Frau Ministerin hat sich dazu in ihrem Bericht noch neutral ausgesprochen, weil sie gesagt hat, sie weiß noch nicht, was sich da dahinter verbirgt, aber wir wissen ungefähr, was sich dahinter verbirgt, nämlich: Die sogenannten Hass­delikte zeichnen sich dadurch aus, dass das Motiv der Tat, sei es jetzt Verhetzung oder sei es eine andere Tat, ein im Kern weltanschaulich-politisches ist. Das kann man einmal entzerrend so darstellen. Das Motiv ist also nicht Eifersucht auf die Frau, die einen anderen hat und die ich deshalb umbringe, sondern es ist im Wesentlichen weltan­schaulich, wobei auch rassistisch und alles in diesem Zusammenhang hineinfallen kann.

Ja, der Kampf gegen Hass, was ist der? Eine deutsche Kabarettistin hat, glaube ich, nicht unzutreffend kürzlich gesagt, dass der Kampf gegen Hass von seinen Betreibern dazu verwendet wird, diejenigen auszuschalten, auf die sie einen Hass haben. Ja, das ist gar nicht unzutreffend zusammengefasst. Man benennt - - (Zwischenruf des Bundes­rates Schreuder.) – Das ist auch kein Beispiel, mit dessen Nennung ich mich hier an Sie wende, Herr Kollege Schreuder. Dass Sie da nicht mitdenken wollen, verstehe ich noch. Das verstehe ich noch.

Was heißt das? – Wenn ich jemanden als Hasser bezeichne, wenn ich eine Weltan­schauung als hasserfüllt bezeichne, wenn ich eine Bewegung als hassend bezeichne, dann ermögliche ich es oder erleichtere ich es, diese Bewegung a) zu isolieren, in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen und b) letztendlich über das Strafrecht zu eliminieren oder ihr zumindest den Zugang zur Öffentlichkeit zu versperren. Ich habe also denjenigen, den ich gar nicht mag, auf den ich einen Hass habe, über den Umweg des Hasses ausgeschaltet. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Deswegen hat die Kabarettistin nicht so Unrecht.

Ja, Frau Kollegin Schumann, nehmen wir vielleicht Ihren Antrag, der ist ja ein Muster­beispiel dafür. Da gibt es einen Entschließungsantrag – der wird vielleicht von Ihnen eh viel zu wenig vorgelesen oder erörtert –, der lautet: betreffend „Gesamtgesellschaftliche Sensibilisierungsoffensive gegen antisemitische Verschwörungstheorien“. Der ist zwar schon ausgeteilt, aber noch nicht formal eingebracht – das wird aber jetzt in Kürze erfolgen, weil er zu diesem Punkt eingebracht werden soll. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Ist schon eingebracht? Okay. Er ist schon eingebracht, gut, aber noch nicht vorgebracht – sagen wir es einmal so: eingebracht, aber noch nicht vorgebracht. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Entschuldigen Sie diese semantische Unpräzision. Also er ist eingebracht, aber noch nicht vorgebracht.

Also das ist ein gutes Beispiel, wie der Kampf gegen Hass so funktioniert, wie man sozusagen mit dem Kampf gegen Hass denjenigen ausschaltet, auf den man einen Hass hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich muss diesem Antrag, weil er ein so perfektes Beispiel dafür ist, mehr Raum geben, als er eigentlich verdient, aber er passt so gut.

Es geht darum, dass da „Anti-Corona-Demonstrationen, Hass und Antisemitismus“ be­handelt werden. Anticoronademonstrationen sind mit Hass und Antisemitismus in einem Boot. Da habe ich mir gedacht, das schaue ich mir jetzt einmal an, das ist interes­sant: Wieso sind die Anticoronademonstrationen mit Antisemitismus verbunden? (Bun­des­rat Schreuder: Da hätten Sie gestern bei der Gedenkveranstaltung dabei sein sollen! ...!) – Wart einmal! Eine Gedenkveranstaltung ist ja keine Anticoronademons­tration. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) – Ja, ja, ja.

Na, wir werden jetzt einmal die Argumentation verfolgen: Anticoronademonstrationen, Hass und Antisemitismus. (Zwischenruf des Bundesrates Köck.) Die werden also, wie Sie schreiben, regelmäßig in Deutschland, Österreich und anderen EU-Mitgliedstaaten abgehalten. Da „marschieren“, wie Sie schreiben, „Rechtsradikale, Neonazis, Reichsbürger*innen, Wutbürger*innen [...] bei diesen Demos mit linken Organisationen und einfach gelangweilten Bürger*innen“.

Also man kann es sich aussuchen. Wenn man nicht so einer linken Organisation an­ge­hört, was bleibt einem dann übrig? – Man ist ein Rechtsradikaler, Neonazi, Reichsbür­ger, Wutbürger oder einfach gelangweilter Bürger. (Beifall bei der FPÖ.) Das mag dem­jenigen – wie Kollegen Schreuder –, der einen Hass auf die Leute hat, die dort sind, gefallen (Bundesrat Schreuder: Was?) und vielleicht auch einigen in der SPÖ, aber ob das so redlich ist?

Schauen wir einmal weiter! Wie heißt es dann weiter? – „Ein weiteres“ (Zwischenruf bei der SPÖ) – zuhören, interessant!; ein SPÖ-Antrag – „wesentliches Merkmal dieser Demonstrationen ist die Berufung auf die Verteidigung der freien Gesellschaft und die damit kausal verbundene unterstellte Bedrohung dieser durch die Staatsgewalt bzw. durch global agierende, vernetzte Mächte.“ (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) – Petutschnig würde in seinem Spot sagen: Na ja, kann man stehen lassen. (Heiterkeit des Bundesrates Ofner.)

Wie geht es dann weiter? – „Grundlage dieser Bedrohungsnarrative sind zum Großteil antisemitische Weltverschwörungstheorien.“ (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) „Dazu werden NS-Entrechtungssymbole (Judensterne) zur Versinnbildlichung verwendet, was wiederum zu einer perfiden Täter-Opfer-Umkehr und zur damit verbundenen Rela­tivierung des Holocaust führt.“

Da hat man jetzt sozusagen den Weg ins Strafrecht geschafft: Delikte nach § 3g, § 3h Verbotsgesetz (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann), mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren, in besonders gefährlichen Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu 20 Jahren bedroht. Da hat man schon eine gewisse Kriminalisierung, und jeder, der das jetzt einmal liest, denkt sich: Boah! Das sind aber gefährliche Leute, die relativieren den Holocaust.

Na ja, jetzt geht es weiter, jetzt wird einmal die Geschichte des Antisemitismus erzählt. Das fängt im Jahr 1150 an, damals gibt es die erste da zitierte antisemitische Ver­schwörungstheorie von Thomas von Monmouth – also ich kenne die nicht, aber da gibt es die –, und das führt dann weiter zu den Protokollen der Weisen von Zion und über die Protokolle der Weisen von Zion zu Adolf Hitler und zum Holocaust. (Zwischenrufe der BundesrätInnen Schumann und Schreuder.)

„Die Tatsache, dass das Gedankengut dieser Hetzschrift“ – da sind die Protokolle gemeint, wissen Sie? – „100 Jahre später, 2020/2021, eine Renaissance erlebt, stimmt mehr als nachdenklich, verdeutlicht jedoch gleichzeitig die Notwendigkeit, Gegenmaß­nahmen zu setzen.“ – Aha! Was haben die Protokolle der Weisen von Zion mit Corona­demonstrationen oder Widerstand gegen Coronamaßnahmen zu tun? Das ist interes­sant. (Bundesrätin Schumann: Na geh! ...!) Die Erklärung wird vielleicht kommen.

„Corona – Verschwörungstheorien landen ‚mitten in der Gesellschaft‘“. – Aha!

„In der Pandemie hat, was durch die Teilnehmer*innen bei den sogenannten ‚Anti-Corona-Demonstrationen‘ deutlich wird“ – das steht so drin; ich lese das vor – „, die Akzeptanz von antisemitischen Verschwörungstheorien zugenommen.“ (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) – Es geht um antisemitische Verschwörungstheorien, so.

Also: „Welche [...] ‚Befürchtungen‘ werden erhoben“, welche „antisemitischen Verschwö­rungstheorien“? – Da habe ich mir gedacht: Jetzt kommt es! Und da sehe ich als Erstes die Erklärung: „Bill Gates (der z.T.“ – zum Teil – „judaisiert wird)“ – von wem bitte, wer judaisiert Bill Gates, was soll das überhaupt heißen? – „, will die Macht über die Welt durch Überwachung erreichen.“ – Aha! Deswegen sind die Coronademonstranten oder die Anticoronaaktivisten offenbar so gefährlich. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Sonst finde ich nichts dazu, warum die so gefährlich sind.

Aber jetzt die Tatsache, die daraus folgt: „Warum ist der Antisemitismus der Anti-Corona-Bewegung so gefährlich?“ Warum? – „Mit der Wiedererstarkung der antisemitisch-anti­freimaurerischen Verschwörungstheorien ist die ‚Rückkehr‘ von alten antijudaistischen und antisemitischen Hetznarrative“ – ohne n geschrieben; egal – „und Hetzbilder“ – das steht so da – „verbunden. Diese bilden starke Anker für weitere Vorurteilsnarrative, die zudem im hohen Maße als vernunftresistent zu bezeichnen sind.“

Damit ist der Kreis sozusagen geschlossen: Die Coronabewegung führt zum Wieder­erstarken „der antisemitisch-antifreimaurerischen Verschwörungstheorien“ und zu Vor­urteilsnarrativen, die „im hohen Maße [...] vernunftresistent“ sind. Damit kann sich der oberflächliche Betrachter zurücklehnen und sagen: Ach, Gott sei Dank, dass diese Demonstrationen verboten sind; das sind ja Leute, die den Holocaust relativieren, die antijüdische oder antisemitische Verschwörungstheorien - -

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich darf Sie bitten, zum Schluss zu kommen. Sie haben die Redezeit bereits mehr als überschritten.

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (fortsetzend): Ja, ja, ja. Ich bin auch schon am Schluss des Antrages.

Diese Leute kann man dann plattmachen. Damit hat dankenswerterweise die SPÖ ein gutes Beispiel vorgelegt, warum diese sogenannten Kämpfer gegen Hass und Hetze so gefährlich sind. Sie werden Verständnis dafür haben, dass wir diesem Antrag unsere Zustimmung nicht erteilen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schennach: ... eine Zumutung! – Bundesrätin Schumann: Eine Zumutung, ja!)

20.56

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin MMag.a Elisabeth Kittl. – Bitte, Frau Bundesrätin.