20.33

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zu­seher! Die in Tagesordnungspunkt 33 zusammengefassten Gesetze sind ein echtes Foul. Wie konnte man dazu übergehen, zwei Gesetze miteinander zu junktimieren, die nichts miteinander zu tun haben, die Menschen aber ganz stark betreffen? Bei dem einen trifft es jene Menschen, die keine Arbeit haben – das ist die Regelung, mit der die Not­standshilfe auf die Höhe des Arbeitslosengeldes angehoben wird. Auf der anderen Seite ist es die Verlängerung der Frist, in der man die Kündigungsfristen von Arbei­terinnen, Arbeitern und Angestellten nicht zusammenführt, um weitere drei Monate.

Ganz ehrlich gesagt: Wer auf diese perfide Idee gekommen ist, diese beiden Gesetze ineinander zu verwurschteln – das ist für mich überhaupt nicht nachvollziehbar. Es geht um zwei ganz verschiedene Themen, es geht aber immer um Menschen, die Unter­stützung brauchen, und um Menschen, die jetzt endlich Anerkennung brauchen, vor allen Dingen die Gleichstellung der Kündigungsfristen von ArbeiterInnen und Ange­stellten. Das wäre mehr als notwendig.

Es kann doch nicht sein, dass wir Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit zwei Klassen schaffen. Das wollen wir nicht! Wir kämpfen als Gewerkschaft und auch als Sozialdemo­kratie schon so lange, dass diese Zweiklassengesellschaft der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufgelöst wird. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Es hat geheißen, mit 1.1. dieses Jahres wird diese Angleichung endlich umgesetzt. – Gut, dann wieder nicht. Man hat verhandelt, es ging um die Sonderbetreuungszeit. Jetzt wäre es Zeit gewesen, mit 1.7. hätte es umgesetzt werden sollen, und es wurde wieder nicht umgesetzt und wieder bis Oktober verschoben. Das klingt ja so: Na, mein Gott, was kann denn da sein? – Da geht es aber um Menschen und ihre Arbeitswelt und ihre Situation.

Ich weiß nicht, ob Ihnen bekannt ist, dass viele Menschen keine sechs Wochen Kün­digungsfrist haben, sondern einfach nur zwei Wochen oder eine Woche. Zwei Wochen haben Schlosser und Schlosserinnen, Mechaniker, Mechanikerinnen, Installateure, Installateurinnen, eine Woche haben Bäcker und Bäckerinnen, teilweise auch nur einen Tag. Die Ladnerinnen, jene Frauen, die Ihnen das Weckerl, das Mohnweckerl oder das Kornspitzerl über die Budel reichen, haben eine Kündigungsfrist von einem Tag, denn sie werden nicht als Handelsangestellte, sondern als Ladnerinnen geführt. Einen schlechten Verdienst und dazu noch eine solche Kündigungsfrist – das darf nicht sein! Wir kämpfen dafür, dass die Kündigungsfristen der Arbeiter und Angestellten endlich angeglichen, umgestellt und zusammengeführt werden, es ist aber noch immer nicht der Fall.

Dabei geht es ja um Schicksale, und wir wissen genau, dass es Branchen gibt, die eine Fluktuation von 80 Prozent haben. Das heißt, das gesamte Risiko der Auftragslage wird auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abgewälzt. Hire and fire: Komm her, wir brauchen dich jetzt als Arbeitnehmerin, als Arbeitnehmer!; dann: Jetzt brauchen wir dich nicht mehr! – Das kann es doch nicht sein! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Gewerkschaft hat gekämpft, um das in den Kollektivverträgen irgendwie auszu­gleichen. Es ist nicht gelungen, weil sich die Arbeitgeberseite total gegen eine An­gleichung verwehrt hat. Deshalb brauchen wir diese gesetzliche Angleichung. Es geht um die Wertschätzung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und es geht um die Wertschätzung der Arbeiterinnen und Arbeiter.

Wir wissen, in der Lockdownphase wurden in den ersten 14 Tagen 200 000 Menschen gekündigt, und ein Großteil von ihnen waren Arbeiterinnen und Arbeiter – es waren nicht die Facharbeiterinnen und Facharbeiter, sondern es waren jene, die ungelernt sind, die angelernt sind, die nur einen Pflichtschulabschluss haben. Sie haben ihre Arbeit verloren, bis dann das Kurzarbeitsprogramm gegriffen hat. Das heißt, das ist die am meisten gefährdete Gruppe, und wir brauchen endlich die Anpassung.

Es geht um die Menschen! Was einem dazu sofort einfällt, ist dieses berühmte SMS des Herrn Thomas Schmid: „Oh Gott. Reisen wie der Pöbel“ – Das ist der Begriff, der dahin­ter steht: der Pöbel. (Ruf bei der ÖVP: Gib mir dein Handy!) Das ist das Menschenbild, das dahinter steht, und das lehnen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ganz grundlegend ab. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wollen diese Schlechterstellung nicht, wir wollen eine Besserstellung, und wir werden diesen Gesetzen nicht zustimmen. Wir wissen, dass es dadurch zu keiner Schlech­terstellung für die Menschen kommt, die Notstandshilfe beziehen, weil ihre Summen aufgehoben und nachträglich bezahlt werden.

Ganz ehrlich, ich kann die FPÖ nicht verstehen, warum sie dieser Regelung zustimmt. Wenn man irgendwie ein Herz für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hat, kann man nicht zustimmen, dass die Angleichung der Kündigungsfristen noch einmal verschoben wird. Es ist mir unbegreiflich, wie man dazu sagen kann: Wunderbar, na machen wir das! Nur jene, die kein Herz für ArbeitnehmerInnen, für die Arbeiterinnen und Arbeiter haben, die mit voller Kraft unter den schwierigsten Bedingungen, unter oft schlechter Bezahlung hackeln, geben dazu ihre Zustimmung. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden das sicher nicht sein. – Glück auf! (Beifall bei der SPÖ.)

20.38

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Dipl.-Ing.in Andrea Holzner. – Bitte, Frau Bundesrätin.