13.12

Bundeskanzler Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kollegen auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Damen und Herren Bun­desräte! Erlauben Sie mir, dass ich an dieser Stelle vor allem die neuen und wieder­gewählten Mitglieder des Bundesrates aus Oberösterreich ganz herzlich willkommen heiße. – Ich freue mich auf die gute Zusammenarbeit mit Ihnen. (Beifall bei ÖVP und Grünen, bei BundesrätInnen der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Die vergangenen Wochen waren innenpolitisch durchaus turbulent. Regieren heißt aber, Verantwortung zu übernehmen, und so überraschend diese neue Rolle als Bundes­kanzler für mich persönlich ist, so entschlossen bin ich, sie mit aller Kraft, aber auch mit dem notwendigen Respekt wahrzunehmen. Als mich Sebastian Kurz gefragt hat, ob ich mir vorstellen könnte, seine Nachfolge in diesem Amt anzutreten, war für mich klar, dass Zögern in dieser schwierigen Stunde einfach keine Option ist. Zu viel gibt es in unserem Land, in unserer Republik zu tun, und wir alle haben die Verantwortung, auch einen Beitrag zu leisten – im Parlament, in den Ministerien und in der Koalition.

Unsere erste Aufgabe als Bundesregierung ist und war es in den vergangenen Wochen, unsere Koalition nach dieser Krisenzeit wieder in ruhigere Gewässer zu führen, und ich denke, das gelingt uns ganz gut – Schritt für Schritt, manchmal Trippelschritt für Trippel­schritt. Die Regierung arbeitet professionell zusammen, und wir setzen konsequent, Maßnahme für Maßnahme, das Regierungsprogramm um. Mit dem präsentierten Bud­get und der Steuerreform als größtem Entlastungspaket der Zweiten Republik stellen wir sicher, dass die Arbeit in Österreich weitergeht, dass kleine und mittlere Einkommens­empfänger entlastet werden, dass Familien profitieren und dass auch all jene mehr be­kommen, die ihr Leben lang für dieses Land hart gearbeitet haben.

In der letzten Woche konnten wir zudem einen wichtigen Schritt für ein krisensicheres Österreich vorstellen. Mit dem Krisensicherheitsgesetz schaffen wir einen wahrlichen Paradigmenwechsel hin zu effektiverer Koordinierung in allen Bereichen der nationalen Sicherheit und der Krisenvorsorge.

Mit der Etablierung des Grace-Period-Gesetzes wird mit einer Schonfrist die Übergabe von Unternehmen erleichtert.

Erst heute konnten wir im Ministerrat wieder einige wichtige Projekte auf den Weg bringen. Mit dem ÖBB-Rahmenplan geht eine der größten Investitionen in den öffent­lichen Verkehr einher und wird auf Schiene gebracht. Von zentraler Bedeutung sind dabei die Verbesserung der Schieneninfrastruktur, die Modernisierung der Bahnhöfe und das Vorantreiben der Elektrifizierung des Schienennetzes. Wir vereinen damit unser Ziel des Klimaschutzes und das Ziel der Stärkung der Regionen.

Mit der Bewerbung um das Europabüro des International Vaccine Institute haben wir zudem die Chance, den europäischen Amtssitz einer weiteren internationalen Organi­sation hierher nach Wien zu bringen.

In diesem Sinne wollen wir auch damit weitermachen – Maßnahme für Maßnahme, Woche für Woche –, das sehr substanzielle Regierungsprogramm, das die Basis dieser Arbeit, unserer Arbeit ist, umzusetzen.

Dabei, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist natürlich die Bekämpfung der Co­ronapandemie weiterhin unsere wichtigste, ja vielleicht sogar unsere schwierigste Auf­gabe. Diese Woche ist die neue Regelung für 3G am Arbeitsplatz in Kraft getreten, und aufgrund der stark steigenden Zahlen hat die Bundesregierung gemeinsam mit Experten und mit den Landeshauptleuten einen Fünfstufenplan auf den Weg gebracht. Unser ge­meinsames Ziel ist klar – und ich glaube, das eint uns alle –: die Ansteckungszahlen einzudämmen und eine Überlastung unseres Gesundheitssystems mit allen Mitteln zu verhindern. (Bundesrat Hübner: Das hören wir schon seit ...!)

Um etwas ganz klar zu machen: Das einzige Exitticket aus dieser Pandemie, der einzige Wellenbrecher, der uns zur Verfügung steht (Bundesrat Steiner: Ist der Rücktritt der Bundesregierung!), ist die Impfung. Deshalb werden wir als Bundesregierung unsere Aufklärungsarbeit, unsere Überzeugungsarbeit fortsetzen, damit sich noch mehr Men­schen impfen lassen, damit wir möglichst wieder vollständig zur Normalität zurückkehren können. Ich bitte dabei ausdrücklich alle Parteien um Unterstützung bei dieser sehr schwierigen Aufgabe, die vor uns steht. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundes­rates Arlamovsky.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Trotz der Pandemie hat der Wirtschaftsaufschwung in Österreich erfreulicherweise stärker und rascher eingesetzt, als wir das ursprünglich erwartet hätten. (Zwischenruf des Bundesrates Hübner.) Mit fast 5 Prozent Wirtschafts­wachstum und einer Arbeitslosigkeit auf Vorkrisenniveau müssen wir nun sicherstellen, dass dieser Aufschwung auch bei allen Menschen ankommt. Alle Menschen in Öster­reich, die arbeiten können, sollen auch arbeiten, und alle, die arbeiten, müssen auch von ihrer Arbeit leben können. Das ist ein ganz klares Bekenntnis dieser Bundesregierung. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Die laufende Umsetzung der ökosozialen Steuerreform ist ein wichtiger Schritt, um diese Ziele auch wirklich zu erreichen. Mit dieser Reform vereinbaren wir steuerliche Entlas­tungen mit ambitioniertem Klimaschutz und sozialer Verträglichkeit. Das ist eines der Herzstücke unserer Regierungsarbeit. Wir werden aber auch in anderen Bereichen unseren Weg der Modernisierung sehr konsequent fortsetzen: durch die im Budget verankerten Investitionen in den Bereichen Bildung, Forschung und Digitalisierung. Ebenso werden wir die begonnenen Reformprozesse im Bereich der Pflege sowie am Arbeitsmarkt mit aller Kraft vorantreiben. Wir wollen in einem Land leben, in dem alle, die es können, auch wirklich einen Beitrag am Arbeitsmarkt leisten und jeder Mensch auch in Würde altern kann.

Im Bereich der Migration und Integration werden wir als Österreich unseren Weg auch sehr konsequent fortsetzen. (Bundesrat Hübner: Das ist ja ...!) Wir werden einerseits in Krisensituationen großzügig vor Ort helfen, aber gleichzeitig illegale Migration nach Österreich entschieden unterbinden. (Bundesrat Steiner: Ja, das funktioniert ja tadel­los! – Bundesrat Hübner: ... in Afghanistan ...!) Unsere wichtigste Aufgabe in diesem Bereich ist, dass jene Menschen, die seit 2015 zu uns gekommen sind, unsere Sprache lernen, am Arbeitsmarkt Fuß fassen und sich auch tatsächlich in die Gesell­schaft inte­grieren können, denn nur so kann Integration auch wirklich gelingen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Auch außenpolitisch werden wir unseren Kurs fortsetzen. Bei der COP 26 Anfang dieser Woche in Glasgow habe ich den Standpunkt verdeutlicht, dass wir beim Klimaschutz tatsächlich vor einer globalen Aufgabe stehen. Es ist gut, wenn Europa vorangeht, und Europa ist der einzige Kontinent, der gesetzlich verankerte Klimaziele hat, aber Europa alleine wird das Weltklima nicht retten können. Es ist daher wichtig, dass wir jetzt alle anderen Regionen der Welt sehr deutlich an ihre Verantwortung erinnern, denn letztlich müssen auch sie ihren Beitrag leisten, wenn wir der Erderwärmung Einhalt gebieten wollen.

Innovation ist sicher der wichtigste Schlüssel, um die Menge der Treibhausgase nach­haltig zu senken. Dafür brauchen wir die Wirtschaft, dafür brauchen wir den Privatsektor. Wirtschaft und Klimaschutz dürfen nie ein Gegensatz sein, sie müssen Hand in Hand gehen. Der Schutz der Schöpfung und der Schutz der sozialen Sicherheit dürfen kein Widerspruch sein, im Gegenteil: Sie bedingen einander in Wirklichkeit, und das müssen wir auch immer deutlicher machen.

Es ist außerdem kein Zufall, dass meine erste Auslandsreise als Bundeskanzler mich nach Brüssel geführt hat (Bundesrat Steiner: Statt in den Bundesrat!), wo ich Arbeits­gespräche mit dem Präsidenten des Europäischen Rates Charles Michel und Kommis­sionspräsidentin Ursula von der Leyen geführt habe.

Bei allen Themen, die uns aktuell unter den Nägeln brennen – sei es der Klimaschutz, die Coronapandemie, Wettbewerbsfähigkeit, Migration, Außengrenzschutz –, ist Europa weiterhin der wesentliche Bezugsrahmen, der entscheidende Hebel, an dem wir anset­zen können und auch müssen. Wir werden selbstverständlich auch weiterhin unsere besondere Verantwortung für unsere Nachbarschaft, insbesondere für den Westbalkan, wahrnehmen und uns mit aller Kraft für die Umsetzung der EU-Perspektive dieser Länder einsetzen.

Ich bin in diesem Zusammenhang sehr froh und dankbar, dass wir mit Michael Linhart einen ausgewiesenen und erfahrenen außenpolitischen Profi für das Amt des Außen­ministers gewinnen konnten. Ich kenne und schätze ihn seit vielen Jahren und ich habe größtes Vertrauen in ihn. Ich muss dir ganz persönlich danken, Michael, dass du in dieser entscheidenden Phase bereit warst, diesen Schritt zu machen und aus Paris nach Wien zurückzukehren, um das Amt des Außenministers zu übernehmen. Herzlich will­kommen im Team! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Sehr geehrte Damen und Herren, meine Botschaft, die ich heute an Sie habe, ist klar: Meine Hand ist ausgestreckt, unsere Hand ist ausgestreckt, denn in entscheidenden Fragen unserer Zeit werden wir nur Erfolg haben, wenn wir auch wirklich bereit sind, zusammenzuarbeiten. Auch das Wiedererstarken des Vertrauens der Menschen in uns, in unser Handeln, in unsere Politik werden wir nur erreichen, wenn wir zusammenarbei­ten, wenn wir die Sacharbeit wieder ins Zentrum stellen.

Ich hatte in den vergangenen Wochen seit meinem Amtsantritt Gelegenheit, mit den Landeshauptleuten, Sozialpartnern und Vertretern der Parlamentsparteien persönlich zu sprechen, und ich werde diese Gespräche auch fortführen. Meine Tür wird auch in Zukunft offenstehen. Ich bin nach diesen Gesprächen zuversichtlich, dass es uns ge­lingen kann, in den kommenden Monaten und Jahren durchaus kritisch in der Sache, aber bitte respektvoll im Ton miteinander umzugehen und zusammenzuarbeiten, denn das werden wir, wird unser Land in diesen herausfordernden Zeiten brauchen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.22

Präsident Dr. Peter Raggl: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler für seine Ausführun­gen und erteile dem Herrn Vizekanzler das Wort für seine Erklärung vor dem Bundesrat.