14.15
Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrter Herr Außenminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, die auch aufgrund des festlichen Anlasses da sind, Familienangehörige, ich vermute aus Oberösterreich! Als in Bad Ischl Aufgewachsener schaue ich natürlich auch immer besonders in Richtung Oberösterreich und sage natürlich auch im Namen der grünen Fraktion allen Oberösterreicherinnen und Oberösterreichern: Herzlich willkommen bei uns im Gemeinderat – im „Gemeinderat“, sage ich, ich meine, bei uns im Bundesrat! (Heiterkeit.)
Ich habe deswegen an den Gemeinderat gedacht, weil ich ja in Wien als Gemeinderat politisch aktiv geworden bin, und als Wiener Mitglied des Bundesrates möchte ich mich natürlich auch ganz besonders an Wolfgang Beer erinnern. Er war doch sehr, sehr viele Jahre im Bundesrat. Das erste Mal, als ich hier war, war er schon mein Kollege. Er war ein sehr engagierter sozialdemokratischer Kämpfer aus dem, wie ich finde, wunderbaren Wiener Bezirk Favoriten – das sage ich als Rudolfsheimer –, und er hat in diesem Haus sehr viel zu den Themen Sicherheit und Landesverteidigung beigetragen. Ich möchte einfach im Namen der gesamten grünen Fraktion seiner Familie, den Angehörigen, seinen Freundinnen und Freunden, aber natürlich auch der gesamten sozialdemokratischen Fraktion unser Mitgefühl aussprechen und viel Kraft für die Bewältigung dieses bestimmt sehr schmerzhaften Ereignisses wünschen.
Heute sind wir aber zusammengekommen, weil auch eine andere Form von Bewältigung zu erledigen war, die diese Republik doch sehr bewegte und die nunmehr erledigt werden konnte. In diesem Sinne heiße ich Sie, Herr Bundeskanzler – wir kennen uns ja schon aus anderen Funktionen –, sehr herzlich hier im Haus willkommen.
Auch Sie, Herr Außenminister Linhart – wir kennen einander noch nicht –, möchte ich ganz herzlich hier im Bundesrat willkommen heißen. Ich sage – auch an Sie, Herr Vizekanzler – gleich zu Beginn etwas, das normalerweise das Schlusswort ist: Ich freue mich tatsächlich aufrichtig auf die zukünftige Zusammenarbeit.
Diese Zusammenarbeit ist nämlich auch das, was es tatsächlich zu sichern galt und immer noch unentwegt zu sichern gilt. Zusammenarbeit von so unterschiedlichen Kräften mit so verschiedenen Perspektiven in vielen Fragen – und das ist bei der ÖVP und den Grünen natürlich so – ist auch eine Garantie für Stabilität und Vertrauen. Die Menschen in Österreich müssen darauf vertrauen können, dass sowohl Regierende als auch im Parlament in beiden Kammern arbeitende Menschen und Vertreter von Parteien miteinander arbeiten können, wenn es notwendig ist, in all ihrer Verschiedenheit und bei allem Streitpotenzial.
Das Wort „Streitpotenzial“ meine ich nicht einmal negativ. Der Streit um die besten Ideen, die besten Konzepte ist nämlich eine Grundvoraussetzung der Demokratie. Wenn dieser Streit aber den Boden der Ideen verlässt und nur noch dazu dient, zu spalten, zu diskreditieren, zum Beispiel mit Namensspielen, wenn Machtstreben einen höheren Stellenwert bekommt als der Dienst an den Menschen für das Wohl des Landes, ja wenn dieses Streben diesem Wohl sogar schadet und das Ziel, unseren Kindern und zukünftigen Generationen einen lebenswerten Planeten zu übergeben, aus dem Fokus gerät, wenn wissenschaftlicher Konsens nicht mehr als Ausgangspunkt politischen Handelns anerkannt wird, dann ist das nicht gut für die Republik und für uns alle.
So gesehen sind die großen Herausforderungen, die es nun zu bewältigen gilt, nur dann zu bewältigen, wenn Stabilität und Vertrauen wiederhergestellt werden können. Neuwahlen oder auch eine Dauerdebatte über anderweitige, möglicherweise illegale Handlungen durch Regierungsmitglieder hätten dies nicht zustande bringen können. Reden wir also über diese großen Herausforderungen!
Da ich hier im Haus nicht nur der Fraktionsvorsitzende der Grünen, sondern – das ist halt so in einer kleinen Fraktion – auch der außenpolitische Sprecher bin, kann ich nicht eine zweite Runde zur Außenpolitik machen. Es ist nur ein Grüner im Außenpolitischen Ausschuss, deswegen möchte ich mich, Herr Außenminister, gleich einmal vorab entschuldigen, dass das Thema Außenpolitik in meiner Rede vielleicht etwas zu kurz gerät, aber ich muss hier sozusagen beide Hüte aufsetzen.
Die großen Themen aber, die uns jetzt ohnehin auf nationaler wie auf europäischer wie auch auf internationaler Ebene bewegen, sind ja im Grunde die gleichen: die Pandemiebekämpfung, in welchen Systemen wir weltweit leben und die Klimakrise. Zeit haben wir nicht mehr viel. Es ist ganz klar, dass ich die menschengemachte Klimakrise in meiner Rede natürlich in den Vordergrund rücken möchte, gerade wenn jetzt der Weltklimagipfel in Glasgow anläuft und es mehr als spannend wird, ob die Erde es noch schafft beziehungsweise ob, wie man immer so schön sagt, die Leader dieser Erde es schaffen, die Erderwärmung noch auf 1,5 Grad zu beschränken, oder ob sie doch 2,7 Grad, was im schlimmsten Fall passieren kann, erreicht.
Es gibt leider schon sehr viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die von diesem Szenario ausgehen. Gerade heute hat Johan Rockström, der renommierte Klimaforscher aus Schweden, eindringlich skizziert, was eine Erderwärmung um 2,7 Grad bedeuten würde: Es würde bedeuten, dass 3,5 Milliarden Menschen auf diesem Planeten in gesundheitsgefährdenden Gebieten leben müssten. Dürren, Überschwemmungen, Waldbrände – wir kennen es gerade aktuell auch aus Niederösterreich –, Krankheiten und unerträgliche Hitzewellen würden in einer Häufigkeit vorkommen, dass die Erde kein besonders schöner Planet mehr zum Leben wäre.
Derzeit kennen wir aber nur einen Ort, der lebenswert ist, wo es eine angenehme Atmosphäre und eine schöne Natur gibt, das ist unser Raumschiff Erde, und um das müssen wir uns kümmern. Ich wünsche daher der Bundesregierung, den europäischen Verbündeten und natürlich der ganzen Welt einen erfolgreichen Weltklimagipfel. Ein Scheitern ist vor allem für die zukünftigen Generationen einfach keine Option.
Auch auf nationaler Ebene, in unserem kleinen, aber eben als Alpennation in dieser Klimafrage gar nicht so unbedeutenden Land, ist vieles im Regierungsprogramm enthalten, und vieles ist davon auch umgesetzt. Vieles steckt noch in den Startlöchern und braucht eine stabile und verantwortungsbewusste Regierung. Ich möchte nur daran erinnern, dass wir es geschafft haben, mit einem beispiellosen Projekt wie dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz dafür zu sorgen, dass ab 2030 jede Steckdose Strom aus erneuerbarer Energie liefern wird. Das ist in seiner Dimension, glaube ich, noch gar nicht wirklich bei allen angekommen, aber das ist wirklich ein Riesenschritt. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)
Das Klimaticket – ich besitze eines – revolutioniert gerade den Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln und ist zu Recht ein vieldiskutiertes Thema von CNN bis Al Jazeera. Gleichzeitig hat der Nationalrat auch Budgetmittel bereitgestellt, die den Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel vorantreiben werden – gerade hier in der Länderkammer ja eine sehr gute Nachricht!
Ebenso gut ist übrigens auch die Nachricht, dass wieder ein Pfandsystem für mehr Recycling sorgen wird. Die ökosoziale Steuerreform hat dazu geführt, dass eine CO2-Bepreisung kommen wird, und das ist eine fundamentale Änderung der Steuerlandschaft, die sich gewaschen hat.
Andere Themenbereiche kann ich in meiner Rede freilich nur schnell durchstreifen: Wir haben im Budget das größte Gewaltschutzpaket beschlossen, das es in dieser Republik je gab. Das ist vor allem für Frauen enorm wichtig. Es sind noch viele Bereiche aufzulisten, in denen etwas zu tun ist: Die Justiz ist zu beschützen, damit sie frei ermitteln kann, auch – das hat sich bewährt – die Pressefreiheit ist zu beschützen. Es ist insbesondere auch im Bereich der Korruptionsbekämpfung und der Transparenz noch viel zu tun. Eines der besten Mittel gegen Korruption waren und werden immer Transparenz und Offenheit samt zugänglicher, öffentlicher Daten sein. Deshalb ist neben Open Data ein Informationsfreiheitsgesetz so enorm wichtig. Das sage ich auch ganz bewusst in der Länderkammer, weil es durchaus von den Ländern noch Bedenken gibt, die wir auch ernst nehmen müssen, aber: einen offenen und transparenten Staat zu schaffen – auch daran werden wir gemessen werden müssen.
Dass die Pandemiebekämpfung stabile Regierungen auf Bundes- und Landesebene braucht, ist bereits mehrfach hier geäußert worden, auf das möchte ich jetzt nicht mehr genauer eingehen. Ich möchte aber zum Schluss vielleicht doch noch kurz – Frau Kollegin Eder-Gitschthaler hat es auch schon angesprochen – auf das Sterbeverfügungsgesetz zu sprechen kommen. Der Zugang zur Hilfe zum Suizid ist auf dauerhaft schwer kranke oder unheilbar kranke erwachsene Personen beschränkt, die eine Sterbeverfügung bei Notaren oder Patientenanwälten errichten dürfen. Dafür müssen noch zwei Ärzte oder Ärztinnen konsultiert werden, und dann ist man berechtigt, ein tödliches Präparat über eine Apotheke zu beziehen.
Dieses schwierige Thema, dieses hochsensible Thema hat gezeigt, wie zwei Gruppierungen, die sehr unterschiedliche Ansichten haben, auf hochsensiblem Gebiet gemeinsam eine gute Lösung finden können. Deswegen finde ich es so wichtig, dass wir weiter zusammenarbeiten, und ich wünsche Ihnen daher auch alles erdenklich Gute dafür. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
14.26
Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile dieses.