19.58

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­deskanzler! Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen, die Sie diese Debatte verfolgen! Ich denke, es besteht hohe Übereinstimmung in der Politik und in der Wissenschaft, dass Immunisierung not­wendig ist, um die Pandemie zu bekämpfen. Es gibt zwei Möglichkeiten der Immunisie­rung: die eine ist die Impfung, die zweite ist die Krankheit. Wir von der Volkspartei, aber auch viele andere, empfehlen die Impfung. Das ist einmal das Grundmuster.

Wenn man die heutige Debatte verfolgt hat, dann hat man registriert, dass sehr viel Zeit für persönliche Beleidigungen verwendet worden ist. Wie sehr umfangreiche persönliche Diffamierungen und Beleidigungen in einer Krisensituation helfen, bleibt dahingestellt.

In Tirol kam es, wie wir vernehmen konnten, zwischen Bundesregierung und Landes­hauptleuten, zwischen namhaften Politikern wie Schallenberg, Mückstein, Ludwig zu ei­ner gemeinsamen Vorgangsweise – ich habe jetzt diese drei genannt, weil sie a) nicht irrelevant sind, b) alle einer anderen Partei angehören –, und das war eigentlich, glaube ich, auch ein starkes Signal, das an die österreichische Bevölkerung ergangen ist, als man von Tirol ausgehend die Botschaft gehört hat, dass maßgebliche Kräfte dieses Lan­des, von der Bundesregierung, aber auch von Landeshauptleuten, parteiübergreifend Maßnahmen für unsere Bevölkerung setzen.

Ich darf daher sagen, dass ich heute etwas enttäuscht bin, wenn der Primärfokus darauf liegt, eine Sitzung hier dem Abarbeiten von Schuldzuweisungen zu widmen. (Bundesrat Steiner: Sondersitzung SPÖ!) Ich frage mich: Was helfen uns die Schuldzuweisungen in dieser Situation? (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Bundesrätinnen Grimling und Schumann.)

Ich darf auch ein paar Worte über den heurigen Sommer verlieren. Es war so, dass in diesem Sommer die Inzidenzzahlen tatsächlich niedriger waren. Es war tatsächlich so, dass dieser Sommer eine Zeit nach der letzten Welle war. Es war tatsächlich auch so, dass in diesen Wochen nicht nur die Freizeitwirtschaft, sondern auch die Bauwirtschaft und andere Bereiche unserer Volkswirtschaft angezogen haben. Das heißt, für diese Wochen, für diese Monate waren wir zu diesem Zeitpunkt nach der letzten Pandemie­welle.

Man kann natürlich darüber diskutieren, wie die eine oder andere Werbung zum dama­ligen Zeitpunkt anders hätte formuliert werden können. Was aber Tatsache ist, ist, dass nie bestritten worden ist, dass der Sommer dafür genützt werden muss, weiter zu impfen und zu verhindern, dass im Herbst, im Winter eine nächste Welle kommt. Niemand, nicht Bundeskanzler Kurz zur damaligen Zeit und auch nicht andere Mitglieder der Bundes­regierung, zumindest soweit mir erinnerlich ist, haben jemals in Abrede gestellt, dass es wichtig ist, dass weiter geimpft wird, damit die nächste Welle verhindert wird. (Zwischen­ruf der Bundesrätin Grimling.)

Bevor ich zur Abrundung noch einmal auf die unterschiedlichen Meinungen der Parteien eingehe, möchte ich schon sagen, dass ich auch als Konsument der Medien öfters Ex­perten  Politikexperten, Politikwissenschaftler  im Fernsehen vernommen habe. Zu­erst gibt es Nachrichten, dann kommt der Politikwissenschaftler und erklärt, was man in den Nachrichten gesehen hat. Eine dieser Politikwissenschaftlerinnen, kann ich mich erinnern – es hat mehrere gegeben –, hat dann erklärt, man hätte nur hergehen müssen und die Menschen befragen, was ihre Sorgen sind, dann auf diesen Sorgen die Kam­pagne aufsetzen, und dann hätten sich die Leute impfen lassen. – So weit die Theorie, die Frage ist nur, wie mitten im Sommer mit niedrigen Inzidenzzahlen eine solche Kam­pagne so super funktionieren kann, nur weil man die Menschen gefragt hat. (Zwischen­rufe der Bundesrätinnen Hahn und Schumann.)

Ich lade Sie alle ein, folgendes Bild vor sich zu haben: Sie entwickeln gemeinsam mit einer Werbeagentur einen Slogan, der festhält, warum es so super ist, sich im Sommer impfen zu lassen, über all die Argumente, die wir schon gebracht haben, hinausgehend. Dann gehen Sie zu Herrn Kickl, dann gehen Sie zu Herrn Steiner und zeigen ihnen diese Botschaft und dieses Plakat, und da werden die natürlich in die Knie gehen und sich sofort impfen lassen. – Jetzt sage ich einmal: Ganz sicher nicht! Zugegebenermaßen gibt es etliche Menschen (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann), die einfacher zu überzeugen sind, aber Tatsache ist: Die Theorie ist da um vieles einfacher als die Praxis.

In diesem Zusammenhang möchte ich einfach auch etwas politisch Faktisches sagen, das relevant ist: 70 Prozent Impfquote ist natürlich, wie wir wissen, für die Herausforde­rungen, die wir haben, zu wenig. Normalerweise würde man in der Politik auf 70 Prozent Zustimmung mit: Hurra, hurra, hurra!, reagieren. Für jede Partei, für jede Regierung (Zwi­schenruf der Bundesrätin Schumann), für jedes politische Anliegen wären 70 Prozent großartig. Es ist nicht einfach, auf diese 80 Prozent zu kommen.

Was bedingt das also? – Es bedingt einen Schulterschluss, es bedingt ein gemeinsames Vorgehen. Das ist immer wieder versucht worden, und daher wissen die Menschen vor den Fernsehgeräten ja auch, dass es auch die Sozialdemokratie war und dass es auch die NEOS waren, die die Impfung gleichfalls empfohlen haben. Es ist ja also nicht nur die Bundesregierung gewesen, die die Impfung empfohlen hat, sondern es sind auch die Sozialdemokratie und die NEOS gewesen, und trotzdem haben wir die Impfquote, die wir haben. (Bundesrat Schumann: Im Burgenland ...! – Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)

Liebe Kollegen von der Sozialdemokratie! Wissen Sie, was Sie im Sommer gemacht haben? – Ich will es nur sagen: Wenn ich die Hauptschlagzeilen Revue passieren lasse, die die Sozialdemokratie im Sommer produziert hat, dann waren es jene (Bundesrätin Hahn – einen Ausdruck mit der Überschrift „Wie oft die ÖVP die Pandemie beendete“ in die Höhe haltend –: Wir haben die Maßnahmen ...!), dass Frau Vorsitzende Rendi-Wagner gesagt hat, dass Landeshauptmann Doskozil „inkonsequent“ und „unehrlich“ ist. Das war die Debatte, die im Sommer bei der Sozialdemokratie im Vordergrund gestan­den ist. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Daher darf ich sagen: Ich glaube, wir wissen alle, was es politisch bedeutet, auf eine größere Zustimmung als 80 Prozent zu kommen. Das ist sehr, sehr herausfordernd. Die­se Bundesregierung ist sehr bemüht, es ist so, dass es - - (Bundesrätin Schumann – erheitert –: Ja, ja!) – Ja, lacht nur, ich bringe euch gerne einen Vergleich: Es mag für uns nicht immer einfach sein mit den Grünen, es mag für die Grünen nicht immer ganz ein­fach sein mit uns, wenn ich das aber mit der Perspektive vergleiche, dass wir im Kri­senmanagement jetzt Frau Rendi und Herrn Kickl hätten, und ich mir die heutigen Standpunkte anhorche, komme ich nicht zur Auffassung, dass ein solches Krisenma­nagement größere Chancen gehabt hätte. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das wäre aber die Alternative gewesen, die wir vor einigen Wochen gehabt haben. Da­her darf ich sagen, in der Demokratie geht es manchmal, wenn alle unterschiedliche Meinungen haben  wenn die einen A sagen und die anderen B sagen , auch darum, dass irgendwann einmal beide gemeinsam sagen: Trotzdem muss aber einmal eine Ent­scheidung getroffen werden! – Diesbezüglich sind jetzt Entscheidungen getroffen wor­den. Es sind Entscheidungen getroffen worden, hinter denen eine große Mehrheit im Parlament steht, Entscheidungen, hinter denen ein großer Teil der Bevölkerung steht, hinter denen sowohl im Parlament als auch in der Bevölkerung nicht alle stehen – aber es sind notwendige Entscheidungen.

In einer Krise ist es wichtig, das Gemeinsame zu suchen, und da darf ich auch den Wiener Bürgermeister zitieren, von dem ich heute im „Kurier“ gelesen habe. Ich weiß das Zitat jetzt nicht wortwörtlich, aber ich bemühe mich, es sinninhaltlich wiederzugeben. Er hat sinngemäß formuliert: Wenn die Krise einmal vorbei ist, dann fällt ihm noch einiges zur Bundesregierung ein, was er an der Bundesregierung kritisieren möchte. – Das finde ich legitim und wunderbar; mir fällt auch einiges zur Wiener Stadtregierung ein, das ich kritisieren möchte, wenn die Krise vorbei ist. Ich gebe ihm aber in dem Punkt recht (Bun­desrätin Schumann: Aber geh! ...!), dass wir gegenwärtig die Priorität haben, gemein­sam über Parteigrenzen hinweg (die Bundesrätinnen Grimling und Schumann: Jo!) da­nach zu trachten, diese Krise zu bewältigen.

Das ist das, was sich die Menschen erwarten, das ist das, was sich die Menschen er­warten dürfen, und daher, denke ich, sollten wir diese Stunde dazu nützen – und das mache ich auch (neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Grimling) –, um einen Aufruf zu machen, sich impfen zu lassen. Jede Bürgerin, jeder Bürger, der oder die sich impft, schützt seine Gesundheit, schützt die Gesundheit anderer, stärkt die österreichische Wirtschaft und stärkt sein Land. (Beifall bei der ÖVP.)

20.09

Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Andreas Arthur Spanring. Ich erteile ihm dieses.