20.20

Bundesrat David Egger (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Zusehe­rinnen und Zuseher im Hauptabendprogramm, falls Sie noch via Livestream dabei sind! Zwei Dinge, Herr Minister, muss ich Ihnen vorweg mitgeben: Ich schließe mich Kollegen Leinfellner – er ist gerade nicht da – an, Sie haben sich wirklich die Mühe gemacht, diese Anfrage seriös zu beantworten, und dafür möchte ich Danke sagen. Und eines möchte ich auch noch einmal anbringen: Ich bin mir sicher, Sie sind kein Türkiser, und das ist am heutigen Tag wichtig. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ sowie Beifall des Bun­des­rates Arlamovsky.)

Ganz ehrlich, am heutigen, innenpolitisch turbulenten Tag muss ich den Österreicherin­nen und Österreichern und allen, die hier leben, schon eines sagen: Österreich hat sich mehr verdient als dieses Regierungschaos, diese politische Selbstbeschäftigung der Regierung, Österreich kann mehr und Österreich hat sich mehr verdient, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Noch ein kleiner Exkurs, weil die Erfahrung aus dem Unterrichtsausschuss ja zum Bil­dungsminister und ein bisschen zur heutigen Aktuellen Stunde passt: Ich möchte schon den Elementarpädagoginnen und Elementarpädagogen draußen sowie allen Eltern erzählen, was vor zwei Tagen im Unterrichtsausschuss los war, und zwar zu unserem Antrag zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Pädagoginnen und Pädagogen, zum Beispiel durch kleinere Gruppen und bessere Bezahlung, zu unter dem Strich einer qualitativ besseren Betreuung der Kinder in unserem Land. Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister schreien schon nach Hilfe, die Gemeinden werben sich gegenseitig die Pädagoginnen und Pädagogen ab – das muss man sich einmal vorstellen!

Damit das jetzt auch alle draußen wissen, die, die demonstrieren gegangen sind, die Elementarpädagoginnen und Elementarpädagogen, die Eltern, die Kinder (Ruf: Die Wähler!) – absolut richtig –, die Wählerinnen und Wähler: Die ÖVP und die Grünen haben diesen konstruktiven Vorschlag der SPÖ abgelehnt! Die ÖVP ist gegen eine bessere Bezahlung, sie ist gegen eine bessere Betreuungsqualität, und das ist schade.

Es ist schade, und es erinnert mich ein bisschen an die Chats, in denen es darum ging, dass 1,2 Milliarden Euro in den Sand gesetzt worden sind, dass sabotiert worden ist. Das wäre ein erfolgreiches Modell von Mitterlehner und Kern gewesen – schade. An dieser Stelle möchte ich aber natürlich dem Ex-ÖVP-Obmann und seiner Familie alles Gute für die Zukunft wünschen, aber, liebe Bundesrätinnen und Bundesräte der ÖVP und der Grünen: Der Weg ist frei! Ich sage Ihnen, der Weg ist frei für eine anständige Familien- und Bildungspolitik, Sie müssen sich jetzt nicht mehr an das Kommando der türkisen Truppe halten, denn diese ist ja offenbar Geschichte, oder? – Das muss man einmal sagen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Ich verstehe, dass die Leute in unserem Land der Politik nicht mehr wirklich vertrauen. Jetzt braucht es Menschen, die das Richtige tun, und jetzt kommen wir auch zum Thema der Aktuellen Stunde. Ich sage immer: Das bringt mich zu den Menschen, zu den wahren Krisenmanagern in den Bildungseinrichtungen, und das sind die Lehrerinnen und Lehrer, die Direktorinnen und Direktoren gemeinsam mit den Eltern und den Schülerinnen und Schülern. Sie haben diese Krise gemanagt, sie haben diesen sogenannten Hybridunter­richt möglich gemacht und sie haben sich an dieser Stelle einen Applaus verdient! (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Steiner-Wieser und Arlamovsky.)

Ich habe mir heute vorgenommen, die konstruktiven Vorschläge extra hervorzuheben, damit es dann nicht wieder heißt: Die Opposition jammert nur! Ihr seid ja immer nur dagegen, im Nachhinein ist man gescheiter, ihr sucht ja nur irgendeinen Schuldigen! – Kollege Bader, am heutigen Tag war Sonderlandtag in Salzburg, und ich muss es dem Landeshauptmann hoch anrechnen, dass er eingesehen hat, dass es in Salzburg im Sommer Versäumnisse gegeben hat. Darin ist er Ihnen voraus, Kollege Bader! (Beifall bei der SPÖ.)

Karoline Edtstadler, Ihre Ministerin, hat wortwörtlich gesagt: „Kritik muss möglich sein“. – Ja, das ist richtig – um besser zu werden! (Zwischenruf des Bundesrates Bader.) Ja, man sollte aus Fehlern lernen und besser werden, um Schuld nicht die ganze Zeit bei den anderen politischen Parteien oder irgendjemandem draußen in der Bevölkerung zu suchen. Liebe ÖVP, zeigt nicht immer mit dem Finger auf andere, auch wenn ihr bera­tungsresistent seid! (Bundesrätin Steiner-Wieser: Danke, David!) Aus Fehlern zu lernen ist der erste Schritt auf dem Weg zur Besserung. – Das ist der Tipp Nummer eins. (Zwi­schenrufe der BundesrätInnen Bader und Zwazl.)

Schauen wir uns das einmal genau an: aus Fehlern lernen. Wir schreiben den 18.11.: Ankündigung Lockdown. Kommt er? Kommt er nicht? Er wird von Oberösterreich nach Salzburg angekündigt, es ist der Tag der eigentlichen Selbstaufgabe der Regierung. Schlimmer geht es in der Kommunikation eigentlich nicht, das muss man ehrlich sagen, das ist die Wahrheit. Innerhalb von 6 Stunden wird vom Landeshauptmann zum Bil­dungs­minister ausgerichtet: Schulen offen, zu, offen, zu – gefühlte zehn Mal –, und eigentlich hätte man es besser wissen müssen. Vierter Lockdown: Alle Expertinnen und Experten sagen, da kommt im Herbst und Winter etwas auf uns zu, wir sollten uns vorbereiten. Und dann ist man wirklich dazu in der Lage, dass man sich das entsprechend unprofes­sionell über die Öffentlichkeit ausrichtet. – Man muss, glaube ich, einsehen, dass das besser hätte gemacht werden können. (Bundesminister Faßmann nickt.)

Da muss ich ganz ehrlich sagen – das wäre der Tipp Nummer zwei –: Es ist ja nicht so, dass Corona vor drei Wochen um die Ecke gebogen ist – leider nein, diese Krankheit und die Pandemie halten uns leider schon länger in Schach. Tipp Nummer zwei wäre also eine ordentliche Kommunikation. Da werden Sie mir recht geben.

Was folgt dann? – Der 24. November, eine Salzburger Tageszeitung titelt: „Jede Schule muss ihr eigenes Süppchen kochen.“ Ihre Parteikollegin, Bildungslandesrätin Gutschi, will komplett auf Distancelearning umstellen, Sie wollen die Schulen Gott sei Dank offen halten – dafür möchte ich mich bedanken. Die Landesrätin möchte sie zumachen, die Verantwortung wird schlussendlich an die Eltern abgeschoben, und das hätte auch nicht passieren sollen – das muss man sich ehrlich eingestehen.

Management by Chaos: kein gutes Rezept in der Krise. Wir stehen da und haben wieder dasselbe wie im letzten Sommer  leider zum zweiten Mal verschlafen. Man hätte sich besser vorbereiten können.

Das bringt mich zu Punkt drei: Eine ordentliche, einheitliche Strategie braucht es in der Krise, um das dann Punkt für Punkt – unter Anführungszeichen – „militärisch“ abzuar­beiten, wie es in einer Krise sein soll. Und das bringt mich zu drei zentralen Fragen: Wie geht es den Schülerinnen und Schülern? Wie geht es den Studentinnen und Studenten? Wie geht es den Lehrlingen wirklich, jenen, die motiviert sind, etwas zu schaffen, etwas weiterzubringen, die sich nach einem – wir haben es heute schon oft gehört – normalen Leben sehnen, auch nach dem Lernen sehnen, nach dem ersten Freund, der ersten Freundin oder danach sehnen, einfach einmal fortzugehen?

An Kollegen Gross – er ist gerade nicht im Saal –: Ich habe vor diesem Plenartag mit einigen Studenten gesprochen, und die haben mir gesagt: Das Studienleben ist nicht so rosig. Das sind Studenten, die sich meistens in der Gastro etwas dazuverdienen muss­ten, um durch das Studium zu kommen, um sich etwas für das tägliche Leben dazuzu­verdienen. Das Hauptproblem ist aber immer noch, dass es keine einheitliche digitale Lehre gibt, dass es Vorlesungen gibt, die nicht darauf ausgelegt sind, und manche Kurse leider auch gar nicht stattfinden. Da muss man besser werden, da muss man in die Gänge kommen – da werden Sie mir recht geben!

Zu denen, die einen Lehrabschluss machen wollen und eine Lehrstelle finden müssen: Ja, da könnten Sie einmal mit Ihrem Kollegen Blümel reden (Bundesrätin Schumann: Den gibt’s nimmer mehr! ...!), um mehr Geld für die Gemeinden zur Verfügung zu stellen, zusätzliche Lehrstellen in den Gemeinden einzurichten und dann wirklich aktiv etwas gegen die Jugendarbeitslosigkeit zu unternehmen. Das wäre etwas, das sie tun können, wenn Ihnen die Jugend am Herzen liegt!

Zu den Schülerinnen und Schülern, die für die Matura lernen oder das unter diesen Umständen zumindest probieren, die sich nach der Matura zum ersten Mal auf eigene Füße stellen oder vielleicht studieren: Geben Sie – Tipp Nummer vier – diesen jungen motivierten Menschen, die unser Land weiterbringen wollen, endlich eine echte Per­spektive!

Wie kann man das Lehrpersonal – haben wir heute schon oft gehört – unterstützen? – Mehr Personal, besonders auch auf der Verwaltungsebene. Schuldirektorinnen und -direktoren, das werden Sie wahrscheinlich täglich hören, sind schon mit so viel Büro­kratie überlastet, müssen dann vielleicht noch supplieren. Bitte schieben Sie den Ball nicht wie so oft zwischen Gemeinden und Ländern hin und her, machen Sie da mehr Budgetmittel locker, um die Schulen auch wirklich zu unterstützen, natürlich auch mit besserer Ausstattung! Sie haben schon den ersten Schritt gemacht, aber ein Laptop für drei, seien wir uns ehrlich, das ist zu wenig, es sollten drei für drei sein. Es ist in jeder Firma so, wenn man in einem Bürojob anfängt, dass jeder seinen Laptop bekommt.

Ich sage Ihnen, Tipp Nummer fünf: investieren. Sie sind dabei, aber bitte weitermachen, investieren, investieren, investieren, in die Schulen, in mehr Personal, in mehr Ausstat­tung!

Wie geht es den Eltern? Wie schaut die Lebensrealität draußen aus? – Diese Fragen muss man sich stellen. Das Homeschooling, die Telearbeit, die Doppel- und Dreifach­belastung: Ich habe mit vielen Bekannten und Freunden in meinem Umfeld, die Eltern sind, gesprochen, das ist die Realität. Die rutschen ja quasi aus, im wahrsten Sinne des Wortes, am Vorzimmerboden zwischen Waschmaschine, Küchenarbeit, vielleicht noch etwas einkaufen gehen, Homeschooling und dem Videomeeting.

Vielleicht ist Ihnen jetzt bei diesen drei zentralen Fragen etwas aufgefallen. Die drei zentralen Fragen: Wie geht es den Lehrern? Wie geht es den Schülern, Studenten und Lehrlingen? Wie geht es den Eltern? Wir sind vor exakt zehn Monaten und fünf Tagen genau hier gestanden und haben versucht, gemeinsam diese Fragen zu beantworten. Leider: Es hat sich schon ein bisschen etwas getan, da gebe ich Ihnen recht, aber zu wenig – zu wenig! Es hat sich zu wenig getan, vor allem war es nicht sehr förderlich, im Sommer zu plakatieren: Die Pandemie ist gemeistert – ein Versprechen, das gebrochen worden ist, und so verlieren wir natürlich das Vertrauen der Menschen. Das ist nicht gut, sage ich Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Ich möchte noch einmal zu den Krisenmanagern in den Schulen kommen, den Lehrern, den Direktoren, den Eltern und den Schülern, und möchte ihnen noch einmal ganz herzlich danken. Wir müssen diesen permanenten Krisenmodus, da sind wir uns alle einig, beenden, wir müssen aus dieser Krise kommen, und das geht nur, wenn ein Umdenken passiert. Das geht auch nur mit neuen Kräfteverhältnissen und einer starken Sozialdemokratie.

Es geht darum, dieses Land nachhaltig aufzustellen, damit wir nicht im nächsten Winter wieder so dastehen. Wir müssen das Land nachhaltig aufstellen, in die Schulen, in die Krankenhäuser investieren. Es braucht Gerechtigkeit für unser Land und für die Men­schen. Ich sage eines: Österreich kann mehr und hat sich mehr verdient. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

20.33

Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler. Ich erteile es ihr.