12.00
Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! An der Rede meines Vorredners hat sich wieder manifestiert: FPÖ steht für Freunde Putins in Österreich. (Bundesrat Steiner: Da hast du wieder einmal nicht zugehört!) Der Kontext zu Kollegen Hübner: Er war ja selbst im Dezember 2016 Mitglied der Delegation, die in Moskau den Freundschaftsvertrag mit der Partei Putins unterschrieben hat – mit Putin, dem Aggressor in diesem Angriffskrieg. Es ist keine Aggression der Ukraine oder der Nato oder der EU, sondern einzig die Aggression von Putin. (Beifall bei BundesrätInnen von ÖVP, SPÖ und Grünen.)
Wer noch Zweifel an dessen Intention hat, den möchte ich erinnern, dass auch sein Außenminister und Sprachrohr Lawrow letzte Woche gesagt hat: Es geht um nichts Geringeres als die Begründung einer neuen Weltordnung!
Der Aggressor heißt Putin, aber nicht das russische Volk, da muss man unterscheiden, das wäre sonst das falsche Signal. Auch Russinnen und Russen setzen ihre Freiheit, ihre Sicherheit und vielleicht sogar ihr Leben aufs Spiel, wenn sie im eigenen Land gegen diesen Angriffskrieg demonstrieren. Es wurden in den letzten eineinhalb Wochen Tausende verhaftet. Es drohen ihnen bis zu 15 Jahre Haft. Die Medienfreiheit und andere Grundrechte wurden beseitigt. Putin macht Russland zu einem zweiten Nordkorea.
Es spielt für Europa eine entscheidende Rolle, was in der Ukraine passiert. Die Sicherheit Europas wird in der Ukraine von tapferen Ukrainerinnen und Ukrainern, denen mein tiefer Respekt gilt, verteidigt. Die Freiheit Europas steht auf dem Spiel. Was bedeutet dieser Angriffskrieg auch für das Baltikum, für Moldau, für den Westbalkan? Österreich und Europa müssen da klar Stellung beziehen, nicht nur Hilfe leisten.
Wir müssen uns als Politikerinnen und Politiker und als Gesellschaft die Frage stellen: Wie konnte es so weit kommen? Wie konnte die Friedens- und Sicherheitsordnung, die für uns so selbstverständlich war, plötzlich so brüchig werden? Wie konnten wir im Umgang mit Putin so blind sein? Auch hoch- und höchstrangige Vertreterinnen und Vertreter Österreichs haben sich an einer Appeasementpolitik beteiligt, sich mit Putin und Lukaschenka gerne ablichten lassen und mit ihnen gescherzt – auch, als die Aggression Putins schon auf dem Tisch lag: Georgien 2008, Krim und Donbass 2014. Wir brauchen ein Ende dieser Naivität.
Mittelfristig müssen wir uns die Frage stellen: Was bedeutet das für Europa und für Österreich? Ein Kalkül Putins ist nämlich nicht aufgegangen. Europa agiert – zumindest in den Fragen der Wirtschaftshilfen und der Sanktionen – geschlossen. Das war nicht immer zu erwarten. Das war auch in der Vergangenheit nicht immer so. Die Wirtschaftssanktionen sind massiv. Die werden auch wir, die werden alle Bürgerinnen und Bürger in Europa massiv spüren. Einige Unternehmen in Österreich sind bereits in Kurzarbeit. Das ist erst der Anfang. Das ist aber auch notwendig, das ist der Preis der Freiheit.
Jetzt stellen sich einige die Frage: Was wären mögliche weitere Eskalationsschritte? Was passiert, wenn die Gaslieferungen gestoppt werden – egal, von welcher Seite das ausgeht? – Dann muss die strategische Unabhängigkeit Europas von Gasimporten das Ziel sein. Dann braucht es einen Plan. Umweltministerin Gewessler hat zwar gesagt, dass die Abhängigkeit reduziert werden muss. Das ist aber eine mittelfristige Frage, so viel Zeit wird die Industrie nicht haben. Wir erwarten uns von der gesamten Bundesregierung, gemeinsam mit den europäischen Partnern einen Plan auf den Tisch zu legen, was passiert, wenn die Gasimporte kurzfristig zu Ende sind. Was bedeutet das einerseits für die Haushalte? – Wobei man da ein bisschen die Panik besänftigen muss: Die Haushalte verbrauchen 20 Prozent des Erdgases, 10 Prozent des in Österreich verbrauchten Erdgases werden sowieso innerhalb Österreichs gefördert. 50 Prozent verbraucht die Industrie, aber 25 bis 30 Prozent Gasverbrauch dienen – insbesondere im Winterhalbjahr – der Stromerzeugung in Österreich.
Europa ist wirtschaftlich stark genug, ein Gegengewicht zu bilden, aber nur dann, wenn wir endlich souverän agieren. Das kann man auch als Strategiefähigkeit bezeichnen. Diese Strategiefähigkeit fehlt Europa in verschiedener Hinsicht. Österreich muss dazu sowohl in wirtschaftlicher, aber auch in militärischer Hinsicht einen Beitrag leisten. Wir NEOS begrüßen es, wenn das Budget des Bundesheeres erhöht wird. Die Frage der äußeren Sicherheit gehört genauso wie die innere Sicherheit und die Justiz zu den Kernaufgaben des Staates – aber nicht bedingungslos. Eine wichtige Bedingung wäre ein gemeinsames Vorgehen mit unseren europäischen Partnerinnen und Partnern.
Die Erhöhung des Heeresbudgets begrüßen wir dann, wenn es in einem europäischen Verbund der gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik passiert: mit der Idee einer gemeinsamen Beschaffung, einer gemeinsamen Luftraumüberwachung, mit der Idee und Perspektive einer Wehrfähigkeit auf europäischer Ebene im Sinne eines europäischen Heeres. Es gibt das spätantike Sprichwort: Si vis pacem, para bellum! – auf Englisch: Speak softly and carry a big stick! – Annegret Kramp-Karrenbauer von der CDU hat vor eineinhalb Wochen gesagt – Zitat –: „Wir haben die Lehre von Schmidt und Kohl vergessen, dass Verhandlungen immer den Vorrang haben, aber man militärisch so stark sein muss, dass Nichtverhandeln für die andere Seite keine Option sein kann.“
Deswegen muss der Weg der einer diplomatischen Lösung sein, aber dafür braucht es auch eine Souveränität und Handlungsfähigkeit Europas mit einer gemeinsamen Außenpolitik und einer gemeinsamen Russlandpolitik, einer strategischen Russlandpolitik, die unabhängig davon ist, wer gerade US-Präsident ist. Das ist eine Zeitenwende, die entweder dazu führt, dass Europa zersplittert, oder dazu, dass wir uns auf die Füße stellen und zu einem souveränen, vereinten, handlungsfähigen Europa kommen: in Verteidigungsfragen, in Sicherheitsfragen, in außenpolitischen Fragen, in Außenwirtschaftsfragen, in diplomatischen und in strategischen Fragen. Wir bevorzugen den Weg der klaren Perspektive, nämlich der Vereinigten Staaten von Europa. – Danke.
12.07
Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Marco Schreuder. – Bitte.