14.43

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Hübner, wenn ich die Dossiers lese, die der estnische Russlandforscher Kalev Stoicescu im „New Lines Magazines“ veröffent­licht hat, dann entnehme ich, dass Sie ja sehr gut mit der Medienlandschaft in Russland vernetzt sind, vor allem mit dem Unternehmen Malofejew. Das steht zumindest so in den Medienberichten. Dieser Mann hat ja unter anderem sehr viele Treffen mit rechtspopulis­tischen und rechtsextremen Parteien in Europa organisiert.

Wenn ich aus einem Bericht von orf.at zitieren darf: „In einem weiteren zugespielten Dokument aus dem Februar 2016 schlägt eine Mitarbeiterin der Zargrad-Gruppe“ – Sie kennen die Mediengruppe, glaube ich, ganz gut, das ist die Mediengruppe von Herrn Malofejew, einem Oligarchen, der sehr nahe an Putin und am Kreml arbeitet – „rund um Malofejew vor, dass sich der FPÖ-Politiker Johannes Hübner in Österreich für die Aufhe­bung der Sanktionen gegen Russland einsetzen könnte.“ – (Bundesrat Steiner: Ja! Und weiter?)  „Zusätzlich sollte eine Medienkampagne aufgestellt werden, die über die ‚irre­parablen Schäden‘ der österreichischen Wirtschaft wegen der Sanktionen gegen Russ­land berichten sollte.“ – (Bundesrat Steiner: Und jetzt?)

„In dem von der Mitarbeiterin erstellten Dokument, bei dem es sich anscheinend um eine Art Honorar für eine Dienstleistung handelt, stellt sie fest, dass ein solches Vorhaben 20.000 Dollar [...] kosten würde, ‚im Falle einer erfolgreichen Abstimmung‘ weitere 15.000 Dollar. Im Juni 2016 brachte Hübner tatsächlich einen unselbstständigen Ent­schließungsantrag mit dem Titel ‚Aufhebung der Sanktionen gegen Russland‘ im Parla­ment ein.“ – Ich zitiere nur. (Zwischenruf des Bundesrates Krumböck. – Bundesrat Stei­ner: Aber was ist daran ...?)

Sie kennen die russische Medienlandschaft ja anscheinend sehr gut, Sie könnten eigent­lich Ihre Rede – das würde ich Sie wirklich bitten, da Sie so gute Connections zu Russ­land haben –, Ihre Brandrede für die Freiheit der Presse Ihren Freunden in Russland halten. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Dort wird man bereits verhaftet, wenn man einen weißen Zettel in die Höhe hält, wo nichts draufsteht. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Dort sind Worte verboten, und zwar ist es verboten, die Wahrheit zu sagen. Es ist Krieg und es entstehen Kriegs­verbrechen, und zwar seitens Russlands – das darf man dort nicht sagen. (Bundesrat Hübner: ... Unwahrheiten ...!)

Eine Sache unterscheidet uns auch, Herr Hübner, und das ist wirklich eine ganz, ganz - - (Zwischenruf des Bundesrates Hübner.) – Nein, Herr Hübner, Sie waren am Wort, jetzt darf ich kurz mit Ihnen reden. Wir können gerne eine Freiheitsdiskussion führen - - (Bun­desrat Spanring: Aber nicht mit euch! – Zwischenrufe der BundesrätInnen Ofner und Steiner-Wieser.– Ihr wisst noch gar nicht, was ich sage, also regt euch wieder ab! Cool down, Herr Kollege Ofner! – Wir können gerne eine Freiheitsdebatte darüber führen (Bundesrat Leinfellner: Machen wir das beim Tagesordnungspunkt ...!), was tatsächlich eine erstrebenswerte Form von Freiheit ist. Ist es Freiheit, dass ich hetzen und diskrimi­nieren kann, gegen wen ich will (Bundesrätin Steiner-Wieser: Das tuts ja ihr Grünen!), oder dass Gruppen, die diskriminiert werden, Freiheit vor Diskriminierung, Freiheit vor Hass, Freiheit vor Hetze haben, weil wir sagen, in einer diversen Gesellschaft sollen sich alle frei entfalten dürfen, ohne dass man ihnen Steine, ohne dass man ihnen Hass, ohne dass man ihnen alles entgegenwirft, was man ihnen nur entgegenwerfen kann? (Bun­desrat Ofner: Na und ihr dürft das?!) Das ist meine Idee von Freiheit. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich will jetzt aber wieder auf den eigentlichen Bericht zurückkommen, um den es geht. (Bundesrat Steiner: Aber gilt das für die Ungeimpften auch?) Es geht um die EU-Vor­haben im Bereich der Justiz. (Bundesrat Steiner: Oida, gilt das auch für die Ungeimpf­ten?) Auch der Vorhabensbericht der Triopräsidentschaft Frankreich, Tschechische Re­publik und Schweden für die nächsten 18 Monate hat natürlich die Punkte im Vorder­grund, die auch in anderen Ressorts ganz stark im Vordergrund stehen, nämlich die Maßnahmen im Kampf gegen die Klima- und Umweltkrise, die Covid-19-Pandemie und die Digitalisierung, die natürlich auch im Bereich Justiz ganz entscheidend sein wird.

Manchmal wird man vielleicht ein bisschen überrascht sein, dass Klimaschutz und Covid-19-Angelegenheiten auch im Justizressort und nicht nur im Sozialressort und im Klimaschutzressort passieren, sondern dass das ein allgemeiner, ressortübergreifender Zugang ist.

Interessant fand ich in diesem Vorhabensbericht, der ja tatsächlich noch vor dem Krieg geschrieben worden ist, Folgendes – ich zitiere wörtlich –: „Zudem betont die Kommis­sion unter anderem die Bedeutung der Konzepte im Bereich Digitalisierung und die Be­mühungen auf Basis des Aktionsplans für Demokratie, um die Rechtsstaatlichkeit zu verteidigen und zu stärken, die Grundwerte der Union zu schützen und die Widerstands­fähigkeit der Demokratie auszubauen.“

Ich finde, dieser Satz hat aufgrund der unfassbaren Ereignisse in der Ukraine einfach noch eine andere Bedeutung bekommen. Ich finde es ganz wichtig, es gerade in einem Parlament zu sagen: Sosehr Kollege Hübner und ich hier manchmal über einen Frei­heitsbegriff streiten mögen, aber wir in Österreich und wir in Europa haben eine Demo­kratie, in der dieser Streit im Parlament ausgetragen wird. Wir haben eine Demokratie, und in der Ukraine sterben derzeit Menschen, weil sie sich für diese Demokratie einset­zen und weil sie in dieser Freiheit leben wollen. Das müssen wir uns immer wieder be­wusst machen.

Bei den schwierigen Herausforderungen unserer Zeit – Klimawandel, Digitalisierung, die natürlich viele Bereiche betrifft, und auch aktuell der Krieg – ist es keine Frage, dass diese Themen – auch wenn es manchmal ermüdend ist, es immer wieder zu betonen – natürlich die Aufgaben sind, die unsere Generation jetzt zu bewältigen hat.

Die Relevanz der Stärkung der Rechtsstaatlichkeit bedeuten etwa auch ein entschloss­enes Vorgehen gegen Formen von Terrorismus, gegen Formen von Radikalisierung und gewaltbereitem Extremismus sowie die Bemühungen um einen besseren Schutz der Opfer, der Opfer von Terrorismus. Das ist aus meiner Sicht Freiheit: dass man Opfer beschützt. (Bundesrat Steiner: Was ist mit den Opfern der Corona...?)

Dazu zählt auch Hetze. Dazu zählt auch Hasskriminalität als Straftatbestand. Das ist auch deswegen wichtig, weil, wenn man diese Daten auch tatsächlich erfasst, man in ganz vielen anderen Bereichen – sei es in der Pädagogik, sei es in der Wissenschaft, in der Soziologie, sei es in all diesen Bereichen, in der Psychotherapie – dann viel, viel leichter damit umgehen kann, wenn man die Daten überhaupt einmal erheben kann. (Bundesrat Steiner: Was ist mit der Hetze gegen Ungeimpfte?) – Sie können sich gerne zu Wort melden, wenn Sie mir etwas ausrichten wollen, jetzt bin ich am Wort. (Bundesrat Steiner: Nur eine Zwischenfrage, Oida!)

Auch die Zusammenarbeit innerhalb der EU wird im Justizbereich verstärkt, und das ist auch wichtig: die Übertragung von Strafverfahren, die gemeinsamen Anstrengungen gegen Umweltkriminalität, das E-Evidence-Paket, das länderübergreifenden Zugriff er­leichtert – und das natürlich unter Wahrung aller Grundrechte. Ein sehr wichtiges Ziel nennt unser Dreiervorsitz derzeit auch den Datenzugang und die gemeinsame Nutzung, Bündelung und Weiterverwendung von Daten, um diese zu verbessern.

In diesem Zusammenhang ist auch der Regelungsrahmen für Onlineplattformen zu ver­stehen, um eine Stärkung ihrer Verantwortlichkeiten für einen sicheren digitalen Raum zu schaffen und den Kampf gegen illegale Onlineinhalte zu intensivieren. Dies geschieht auch derzeit ganz entscheidend im Digital-Services-Act, und da schließt sich der Kreis ja auch wieder zu Hass und Hetze. (Bundesrat Steiner: Was ist mit Hetze gegen Unge­impfte?)

Im Bereich der Unternehmensführung und der Kontrolle wird der Dreiervorsitz die Ein­führung von Sorgfaltspflichten in Bezug auf die Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt fördern und im Hinblick auf ein EU-Modell verantwortungsvoller Unter­nehmen die Festlegung von EU-Standards für die Berichterstattung über die Nachhaltig­keit von Unternehmen unterstützen.

Zum Schluss möchte ich noch zwei Themen nennen, die sicher auch noch ein gewisses Gezerre und auch ein Verhandlungsgezerre zur Folge haben werden, aber die für mich ganz, ganz entscheidend sind, um auch Beispiele aus dem Umweltschutz und aus dem Klimaschutz zu bringen:

Das sind natürlich die Lieferketten und dementsprechende Regelungen. Es muss in Eu­ropa ein erklärtes Ziel werden, sich für ein konsequentes Eintreten gegen Menschen­rechtsverletzungen und Umweltzerstörungen auf allen Ebenen sowie das Einfordern unternehmerischer Verantwortung durch diese verbindlichen Regeln einzusetzen.

Ein anderer Punkt – und den finde ich besonders schön, weil der auch im Bericht vor­kommt – betrifft ein Recht – und das sage ich mit ein bissel Bedauern, weil ich gerne Appleuser bin, aber das ist wirklich ein Problem –: das Recht auf Reparatur. Dieses Recht ist ganz, ganz entscheidend, um von einer Wegwerfgesellschaft weg und wieder hin zu einer Kreislaufgesellschaft zu kommen.

Wir haben gerade gestern im EU-Ausschuss über Müllsysteme gesprochen: wie viele Rohstoffe, die jetzt mittlerweile auch seltener werden, wir eigentlich noch wegwerfen und dann auch einfach in andere Länder verfrachten, obwohl wir das sehr, sehr gut nutzen könnten. Das ist ein Riesenthema. Es steht in diesem Bericht – tatsächlich im Justizbe­reich – drinnen, und ich finde das ganz wichtig.

Wir nehmen daher diesen Bericht sehr gerne zur Kenntnis. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.53

Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Eduard Köck. Ich erteile ihm das Wort.