14.06
Bundesrat Mag. Franz Ebner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Zu Beginn möchte ich gleich einmal einige Feststellungen und Fakten außer Streit stellen:
Ja, das Thema Pflege ist für alle Betroffenen ein wichtiges und dringendes Thema. Das ist ja auch schon bei den Vorrednern durchgeklungen. Ja, die demografische Entwicklung bedingt, dass wir bis zum Jahr 2030 – je nach Prognose, aber in etwa – 75 000 neue Pflegekräfte brauchen werden. Ja, es braucht dringend notwendige Reformmaßnahmen, um einem drohenden Pflegenotstand entgegenzuwirken, teilweise gibt es ihn schon. Und ja, die Coronapandemie hat auch bei den Problemen im Pflegebereich als Brandbeschleuniger gewirkt. Ja, ein Altern in Würde und bestmögliche Versorgung und Betreuung für alle, die sie benötigen und insbesondere für die ältere Generation, die unseren Wohlstandsstaat maßgeblich aufgebaut hat, müssen unser aller Anspruch sein.
Das heißt, wir brauchen jetzt eine gewaltige gemeinsame Kraftanstrengung, denn für Streitereien, für Schlechtreden ist das Thema einfach zu wichtig, weil es sehr, sehr viele Menschen direkt oder indirekt betrifft: als zu Pflegende, als pflegende Angehörige oder natürlich auch als im Pflegebereich tätige Pflegefachkräfte.
Was brauchen wir jetzt dazu? – Wir brauchen dringend die Personaloffensive. Dazu darf ich den ehemaligen Landeshauptmann von Oberösterreich, Josef Pühringer, zitieren, der sagt: Heime kann man bauen, Finanzierung kann man schaffen, medizinische Geräte kann man kaufen, aber ohne genügend Menschen, die sich für den Pflegeberuf entscheiden, wird jede Pflegereform und jedes Pflegekonzept scheitern.
Sieht man sich die demografische Entwicklung an, wird klar, dass die Ausbildungsoffensive jetzt wichtig ist. Dazu brauchen wir junge Menschen im Pflegeberuf, wir brauchen Berufsumsteigerinnen und -umsteiger, wir brauchen Wiedereinsteigerinnen und Wiedereinsteiger, und wir müssen vor allem die Barrieren, die da herrschen, abbauen, damit ein leichterer Zugang zum Pflegeberuf möglich wird. Und – der Herr Minister hat es schon gesagt – wir müssen natürlich dafür sorgen, dass die Pflegekräfte, die bereits im Pflegeberuf tätig sind, diesen Beruf möglichst lange gut ausüben können. Da geht es natürlich vor allem auch um die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung.
Sehr geehrte Damen und Herren, ja, heute ist es soweit, heute, am Tag der Pflege, hat die Bundesregierung eine Pflegereform präsentiert, die diesen Namen schon verdient, das muss ganz klar gesagt werden (Beifall bei ÖVP und Grünen): 1 Milliarde Euro, eine Pflegemilliarde, die in diesem Bereich wirklich gut wirken wird. Die Reform besteht aus 20 Maßnahmen. Es ist eine wichtige, es ist eine große Reform, aber es ist ein erster Schritt. Da sind wir, glaube ich, auch einer Meinung.
Die Maßnahmen wurden angesprochen, die wichtigsten in den drei großen Bereichen möchte ich kurz herausgreifen: neues Personal im Zuge einer Ausbildungsoffensive gewinnen, Unterstützung der pflegenden Angehörigen und auch insbesondere Maßnahmen betreffend die Bezahlung. Da ist natürlich der Gehaltsbonus wichtig, da ist die zusätzliche Urlaubswoche wichtig, da sind aber auch die Kompetenzerweiterungen für Pflegeassistenten und Pflegefachassistenten von großer Bedeutung.
Zu den pflegenden Angehörigen: Der Angehörigenbonus ist eine wichtige Anerkennung der Pflege zu Hause. Es gibt in Österreich 950 000 Menschen, die in der Angehörigenpflege tätig sind, die einen Familienangehörigen – entweder alleine oder mit mobiler Unterstützung – zu Hause betreuen, und 80 Prozent aller zu Pflegenden werden zu Hause im Familienverbund in dieser Form betreut. Da ist auch die Höherbewertung der Demenz bei der Pflegegeldeinstufung ein ganz, ganz wichtiges, aber vor allem auch notwendiges Signal. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
Zur Ausbildungsoffensive: Natürlich ist das Pflegestipendium wichtig, der Ausbildungszuschuss ist wichtig, aber ich breche da auch eine Lanze für die Einführung der Pflegelehre, denn wir brauchen junge Menschen. Ich möchte auch kurz ausführen, warum diese in den Pflegeberuf gehen: Jetzt ist es so, dass man frühestens mit 17 Jahren eine Pflegeausbildung beginnen kann. Mit der Einführung der Pflegelehre – österreichweit, vorerst einmal als Modellversuch – kann diese Ausbildungslücke, die es jetzt zwischen Pflichtschule und dem 17. Lebensjahr gibt, geschlossen werden, und es gehen nicht so viele junge Menschen für den Pflegeberuf verloren – denn wenn man sich mit 15 für einen anderen Beruf entschieden hat, dann ist man sozusagen weg und es werden nur wenige zurück in den Pflegeberuf kommen. Wer einmal eine andere Ausbildung begonnen oder diese abgeschlossen hat, ist wahrscheinlich für den Pflegeberuf verloren, obwohl womöglich dafür Interesse bestanden hätte.
Ja, natürlich kommt es auf die richtige, auch altersgerechte Gestaltung der Ausbildung an: Zu Beginn muss schwerpunktmäßig der theoretische Teil liegen, in der weiteren Folge der praktische. Die Jugendlichen müssen behutsam an die Praxis der Pflege herangeführt werden. Frau Kollegin Schumann, ich gebe Ihnen da teilweise recht (Bundesrätin Schumann: Jössas na!): Die Lehre ist nicht die Lösung des gesamten Pflegeproblems, aber sie muss Teil der Lösung des Pflegeproblems sein. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
Ich darf ein Beispiel aus dem Land Oberösterreich nennen, wo es bereits einen Ausbildungsversuch, ein Pilotprojekt gibt und gab, wo dieser Lückenschluss geschaffen wurde, denn die landwirtschaftlichen Berufs- und Fachschulen wurden dort sehr erfolgreich auch für Pflegeausbildungen geöffnet.
Sehr geehrte Damen und Herren, erkennen wir an, dass viele gute, notwendige und dringende Maßnahmen in diesem Pflegereformpaket enthalten sind, um insbesondere dem Personalmangel entgegenzuwirken, aber auch, um die pflegenden Angehörigen zu unterstützen!
Ich habe es gesagt: Denkt man an eine bessere Förderung der 24-Stunden-Betreuung, so stellt man fest, dass aber auch noch weitere Schritte folgen müssen, damit diese leistbar bleibt. Neun von zehn zu Pflegenden wollen, so lange es geht, in ihren eigenen vier Wänden, zu Hause betreut werden. Eine höhere Unterstützung bei der 24-Stunden-Betreuung kommt der öffentlichen Hand immer noch günstiger als die vollständige Finanzierung eines Pflegeheimplatzes.
Ja, und es müssen weitere Schritte folgen, wenn man an eine leistbare Kurzzeitpflege, beispielsweise nach einem unfallbedingten Spitalsaufenthalt, oder an den Ausbau der Tagesbetreuungsplätze, die insbesondere auch für pflegende Angehörige sehr, sehr wichtig sind, denkt.
Eine große Bitte habe ich zum Schluss: Wer mit Menschen, die im Pflegeberuf tätig sind, spricht und gut zuhört, weiß, es ist ein sehr erfüllender Beruf, den die allermeisten trotz vieler Herausforderungen von Herzen gerne machen, für die der Beruf zur Berufung wurde. Die Herausforderungen müssen gelöst werden, und dazu wurden heute wichtige Meilensteine vorgestellt. Wichtig ist aber auch: Reden wir alle auch positiv über den Pflegeberuf, denn der Pflegeberuf muss vom Mangelberuf wieder zum Traumberuf werden! – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
14.16
Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank. Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. Ich erteile dieses.