9.02
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Liebe Österreicherinnen und Österreicher und Menschen, die in Österreich leben! Vor fast einem Monat haben Elli Köstinger und Margarete Schramböck ihren Rücktritt bekannt gegeben, beide haben sich diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Es gebührt ihnen von meiner Seite ein großes Danke für ihren Einsatz für die Republik Österreich. Die berufliche Herausforderung als Ministerin in einer besonders intensiven Zeit hinterlässt Spuren, und dieser Entschluss ist natürlich vollumfassend zu respektieren.
Jede Veränderung bringt auch neue Chancen. Wir als Bundesregierung haben die Möglichkeit genutzt, aufgrund dieser Veränderung die Strukturen der Ministerien neu zu ordnen, um einerseits die Transparenz und auf der anderen Seite aber auch die Effizienz in den Häusern an sich zu stärken. Wir haben aus zwei Ministerien ein großes gemacht, das zwei Themen miteinander vereint, die aus meiner Sicht nicht zu trennen sind: Arbeit und Wirtschaft. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Die beiden bedingen einander: Es braucht mutige Unternehmerinnen und Unternehmer, die Arbeitsplätze schaffen, und es braucht gut ausgebildete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die entsprechende Voraussetzungen vorfinden, um in den Unternehmen arbeiten zu können. Das alles zusammen schafft Wohlstand in diesem Land und sorgt für den Ausgleich, sorgt auch für den sozialen Wohlfahrtsstaat, auf den wir alle zu Recht gemeinsam stolz sind. – Daher ist das aus meiner Sicht, lieber Martin, eine gute neue Kombination, und ich wünsche dir alles Gute für deine neue Aufgabe. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
Das Landwirtschaftsministerium ist jetzt klar restrukturiert, in seiner ursprünglichen Form – im wahrsten Sinne des Wortes: zurück zum Ursprung –, mit den Hauptthemen, die die Landwirtschaft betreffen. – Lieber Norbert, du hast dieses Ressort in einer Zeit übernommen, die mehr als fordernd ist. Der Krieg in der Ukraine, die nach wie vor herausfordernde Situation, das dort geerntete Korn, den Mais, die Ölsaaten außer Landes zu bringen, um die Welt zu ernähren, von Nordafrika beginnend bis Pakistan und Indien, all das sind große Aufgaben, die gelöst werden müssen. Die Lebensmittelversorgungssicherheit ist jetzt auch als viel präsenteres Thema als noch vor vielen Jahren im Bewusstsein der Menschen in Österreich angekommen, gleichzeitig haben wir aber eine stete Herausforderung im Bereich des Wettbewerbes, tatsächlich auch die Qualität der Lebensmittelproduktion und die Vielfalt in den landwirtschaftlichen Betrieben, bei den Bäuerinnen und Bauern aufrechtzuerhalten. Lieber Norbert, ich wünsche dir für diese fordernde Aufgabe alles Gute! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
Wir haben in der Bundesregierung dem Themenkomplex Jugend mit einem eigenen Staatssekretariat großen Platz eingeräumt, und dieses wird jetzt um die Zivildienstagenden erweitert. Claudia Plakolm als Staatssekretärin nützt ihre Funktion, um über die Disziplinen der Ministerien hinaus Themenfelder, die die Jugend an sich betreffen, die wichtig sind – sei es in der Ausbildung, sei es in der Lebensgestaltung –, mitzugestalten, mitzubesprechen. Mit den Zivildienstagenden hat sie jetzt eine neue, zusätzliche Aufgabe. – Claudia, ich bin überzeugt davon, dass du diese Aufgabe genauso gut meistern wirst wie deine bisherigen. Alles Gute für diesen neuen Aufgabenbereich! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
Der Themenkomplex Digitalisierung ist einer, der uns ja schon seit vielen Jahren antreibt, eine Notwendigkeit, die umzusetzen ist. Es braucht dafür volle Konzentration auf dieses für die Infrastruktur in Österreich so wichtige Projekt. Wir haben das Thema Digitalisierung zurück ins BMF, in das Finanzministerium, gegeben, dorthin, wo es immer war. Für das Bundesrechenzentrum als einem der größten Dienstleister in der Republik ist die Frage der digitalen Verwaltung ein zusätzlicher großer Themenkomplex. Mit Florian Tursky an der Spitze des neuen Staatssekretariates ist das aus meiner Sicht in sehr, sehr guten und bewährten Händen, jetzt schon mit den ersten großen Schritten in die richtige Richtung, dass Behördenwege bis 2024 digitalisiert werden. – Lieber Florian, für diese Aufgabe, die den Menschen ihren Lebensalltag deutlich erleichtern soll, alles Gute in deiner Funktion! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
Es hat sich in den letzten 2,5 Jahren gezeigt, dass der Tourismus, ein wichtiger Bereich in unserem Wirtschaftssystem, durch die Pandemie massiv gefordert war. Wir brauchen neue Initiativen, wir brauchen neue Ideen, neue Ansätze. Ich bin froh, dass ich eine Expertin für die Funktion der Staatssekretärin gewinnen konnte, Susanne Kraus-Winkler. – Liebe Susanne, das sind tatsächlich große Aufgaben. Du bist für einen Themenbereich mit Menschen zuständig, die hochmotiviert und leistungsbereit sind, aber noch viel vor sich haben, weil die letzten 2,5 Jahre tatsächlich schwierig waren. Für diese große Aufgabe wünsche ich dir alles Gute, schön, dass du bei uns im Team bist! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
Die Lage an sich ist ja ohnehin mehr als ernst. Wir haben mehrere Krisen, die ineinandergehen. Das Coronavirus verschafft uns derzeit eine Atempause, ist aber noch nicht vorbei. Der Krieg in der Ukraine ist seit 24.2. das dominierende Thema und beginnend mit November letzten Jahres auch die steigenden Energiekosten, die Teuerung und damit auch die steigende Inflation.
Die Energiekosten sind und bleiben weiterhin ein bestimmendes Thema für die Menschen. Deswegen freut es mich sehr, dass es gelungen ist, mit dem Verbund Entlastungsmaßnahmen zu setzen, die unmittelbar wirken: auf der einen Seite, dass Verbund-Kunden zwei Monate und Menschen, die ein besonders geringes Einkommen haben, vier Monate der Stromrechnung sozusagen storniert werden. Es gibt eine Sonderdividende in der Höhe von 400 Millionen Euro, die den Menschen auch wieder durch Entlastungsleistungen zurückgegeben wird. Und für den Staat insgesamt ist wichtig: Durch all diese Maßnahmen ist der Wert des Verbundes noch zusätzlich gestiegen. Warum ist das für die Republik entscheidend? – 51 Prozent gehören der Republik Österreich, und das war und ist unser Beitrag dazu, die Menschen dort spürbar zu entlasten, wo es möglich ist. Ich hoffe, dass dem Beispiel des Verbundes noch weitere, viele in dieser Frage folgen werden.
Das ist einer von vielen Entlastungsschritten, Entlastungspakete sind schon geschnürt. Der Arbeitsminister und der Finanzminister arbeiten jetzt mit Hochdruck daran, dass die nächsten Entlastungsschritte beschlossen und umgesetzt werden.
Das ist übrigens ein Phänomen, das nicht nur Österreich, sondern ganz Europa trifft, und zwar in einer Wucht, die allen Regierungschefs große Sorge bereitet. Ich war erst beim Rat in Brüssel, wo das und vor allem auch die Möglichkeiten, Maßnahmen zu setzen, die auch tatsächlich entgegenwirken, natürlich auch das dominierende Thema war.
Darüber hinaus nehmen wir das Thema Energieversorgungssicherheit sehr ernst. Der nächste Winter gehört gut vorbereitet. Es hat sich derzeit an den Lieferquantitäten vonseiten der Russischen Föderation, was das Gas betrifft, nichts verändert. Wir nutzen jetzt die Zeit, um die Speicher in Österreich zu füllen, und unterstützen das auf der einen Seite, indem wir eine eigene staatliche strategische Reserve von 20 Terawattstunden Gas anlegen. Was bedeuten 20 Terawattstunden? – Damit Sie einen Vergleich haben: In einem energieintensiven Monat wie dem Jänner braucht Österreich 10 Terawattstunden, in einem energiearmen Monat wie Juli, August 4,6 Terawattstunden. Die Speicherstände steigen, wir haben die 30 Terawattstunden in Summe überschritten. Es wird jeden Tag eingespeichert.
Für die Speicher, die nicht genutzt werden, wie der Speicher in Haidach – er gehört Gazprom und hat derzeit tatsächlich noch einen Füllstand von 0,0 Prozent –, haben wir jetzt die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Speicher, wenn sie nicht genutzt werden – so wie dieser von Gazprom –, privatrechtlich anders vergeben werden. Ich habe auch Putin persönlich davon in Kenntnis gesetzt, dass das eine Maßnahme ist, die wir umsetzen werden, weil es eben um die Frage der Versorgungssicherheit geht. Haidach hat eine strategisch besonders wichtige Bedeutung: Dieser Speicher versorgt die Bundesrepublik Deutschland und darüber hinaus auch Tirol und Vorarlberg. Nach dem Prinzip: use it or lose it, haben wir hier jetzt auch Rahmenbedingungen geschaffen, um das Thema Energieversorgungssicherheit für den Winter voranzutreiben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich freue mich auf eine konstruktive Diskussion im Bundesrat. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
9.12
Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank, Herr Bundeskanzler, für die Ausführungen.
Nun erteile ich dem Herrn Vizekanzler zur Abgabe einer Erklärung das Wort.