11.36

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Wir haben in unserem Land riesige Herausforderungen zu bewältigen, und das nicht erst seit dem Krieg in der Ukraine. Die schwarz-grüne Regierung war kaum im Amt, da ging es auch schon mit der Coronapandemie und all ihren Folgen los. Was wir alle derzeit erleben, ist das Aufeinandertreffen von mehreren Krisen, wobei jede für sich genommen schon enorme Auswirkungen hat (Bundeskanzler Nehammer betritt den Saal und spricht mit den anderen Anwesenden auf der Regierungsbank. – Ruf bei der SPÖ: Sch!), zusammengenommen ergibt sich aber eine Dimension, bei der ein Weitermachen wie bisher, ein Kochen nach alten Rezepten einfach unverantwortlich ist. Klimakrise, Coronapandemie, Teuerungswelle, Energiekrise und Krieg in Europa fordern die Politik und die Regierung in einem Ausmaß, wie wir es die letzten Jahrzehnte eigentlich nicht gesehen haben; und diese Koalition arbeitet und liefert. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich habe mir extra die Anzahl der Bundesratssitzungen angeschaut: Während der letzten rot-schwarzen Koalition und während der türkis-blauen Koalition gab es pro Jahr im Durchschnitt 12 Bundesratssitzungen, während dieser Koalition sind es durchschnittlich 18, also nach Adam Riese eine Steigerung um 50 Prozent, die Hälfte mehr also. (Ruf bei der SPÖ: Das ist aber billig gerechnet! – Weiterer Zwischenruf bei der SPÖ.)

Was haben wir gemacht? – Klimamilliarden für den Ausstieg aus Öl und Gas bereit­gestellt, den Ausbau des öffentlichen Verkehrs vorangetrieben, das Klimaticket einge­führt, ein Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn) beschlos­sen, das eine historische Transformation hin zu den Erneuerbaren, eine Energiewende, einleitet, das Plastikpfand auf den Weg gebracht, die ökosoziale Steuerreform umgesetzt, und wir haben immer auch den Fokus auf die soziale Komponente gesetzt. Wir haben gezielt Schritte gesetzt, um Menschen mit niedrigen Einkommen zu entlasten, wir haben Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Ausgleichszulagenrichtsatz und Mindest­pensionen erhöht, eine Aus- und Weiterbildungsinitiative inklusive Bildungsbonus ge­startet, die vielen Menschen neue Chancen bietet und die auch im Bereich der Langzeit­arbeitslosigkeit sehr gut wirkt, zwei Mal einen Teuerungsausgleich beschlossen – das dritte Paket wird gerade verhandelt –, Ökostrombeiträge ausgesetzt und so weiter, und so weiter.

Und was kommt von der Opposition? Was kommt da? – Ich verstehe ja, dass das Kritisieren der Regierung zu den Aufgaben der Opposition gehört, das ist mir klar. Kritik ist das eine, aber einfach immer nur zu behaupten, diese Regierung unternehme nichts, ist angesichts der eben zitierten Bilanz einfach nur Realitätsverweigerung. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

An die Adresse der FPÖ gerichtet: Sich immer wieder hierherzustellen und immer wieder das alte Rezept auszupacken, immer wieder und wieder die alte Platte abzuspielen – da werden andere lächerlich gemacht und persönlich beleidigt –, das ist keine große Kunst. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Was ist das für ein Beitrag zur Lösung von Problemen? Was ist das für ein Beitrag zur Verbesserung? (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Was bringt es, wenn Sie einfach immer nur auf andere hindreschen? (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) – Mein Eindruck ist wirklich, dass einige von Ihnen ihre Reden offensichtlich nur deswegen halten, damit Sie in den sozialen Medien gut ankommen. Wo ist aber Ihr konstruktiver Beitrag? Wie bringt uns das weiter, wenn Sie sich über den soundsovielten Wechsel im Regierungsteam mokieren?

Wir haben in diesem Land riesige Herausforderungen zu bewältigen, und das seit mehr als zwei Jahren. Das ist alles andere als einfach, das bedeutet jede Menge Ver­antwortung und wohl auch jede Menge Druck. (Bundesrat Spanring: Muss man zur Kenntnis nehmen!) Ich möchte mich daher bei den neuen Regierungsmitgliedern bedanken, dass sie bereit sind, sich diesen Herausforderungen zu stellen, und wünsche ihnen viel Erfolg dabei. (Beifall bei Grünen und ÖVP. Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)

Auf zwei Minister möchte ich näher eingehen: Werter Herr Arbeitsminister und nun auch Wirtschaftsminister Kocher (Bundesrat Steiner: Der ist nicht da!), es wird Sie nicht überraschen (Ruf bei der FPÖ: Der hat’s nicht notwendig!), dass wir Grüne die Zusam­menlegung von Arbeit und Wirtschaft skeptisch sehen. Klarerweise gibt es da natürliche Interessenkonflikte, zum Beispiel von ArbeitnehmerInneninteressen auf der einen Seite und Wirtschaftsstandortinteressen auf der anderen. Wenn man sich jedoch die europäischen Volkswirtschaften im Vergleich ansieht, so stellt man schnell fest, dass gerade jene Länder wirtschaftlich stark sind, die einen starken Sozialstaat mit hohen Mitbestimmungsrechten der ArbeitnehmerInnen haben. Ich glaube, es war Christoph Leitl, der den Satz: „Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut“!, geprägt hat. (Bundesrätin Schumann: Na! Bundesrätin Zwazl: Das war der Leitl!) Ich meine, man muss diesen Satz umdrehen: Geht’s uns allen gut, geht’s der Wirtschaft gut!, denn Wirtschaft ist ja kein Selbstzweck. Am Ende sollte immer das Ziel stehen, ein gutes Leben für alle zu ermöglichen. Ich habe den Ausführungen des Herrn Minister Kocher auch entnommen, dass er diese Widersprüche möglichst gut auflösen möchte und dass er in der Zusammenführung auch Chancen sieht.

Was in den letzten beiden Jahren jedenfalls gut gelungen ist – durchaus auch unter sehr konstruktiver Mitwirkung der Sozialpartner –, ist eine zukunftsweisende Arbeitsmarkt­politik. Wir haben heute die niedrigste Arbeitslosenrate seit 14 Jahren. Das ist ein klarer Erfolg, der nicht einfach vom Himmel fällt. Das waren die umfangreichen Arbeits­markt­pakete, die ihre Wirkung zeigen. Als karenzierter AMS-Mitarbeiter weiß ich genau, wie schwierig es ist, die Langzeitarbeitslosigkeit zu senken. Da gibt es nach wie vor etwas zu tun, aber da ist auch schon einiges gelungen. Gerade die Investitionen in Quali­fizierung, in Aus- und Weiterbildung in Zukunftsberufen zeigen, wie beide Seiten pro­fitieren können: die Arbeitslosen durch neue Chancen auf bessere Jobs und die Wirtschaft durch mehr Fachkräfte.

Wir stehen vor einer wirklich großen Transformation, vor allem durch die demografische Entwicklung und durch die Energiewende. Ihr Ministerium wird dabei eine wichtige Rolle spielen, wenn es darum geht, die Betriebe und die Menschen dabei möglichst gut mitzunehmen. Das ist keine kleine Aufgabe, wie ich meine, aber wenn wir da zuver­sichtlich an einem Strang ziehen, wird uns das auch gelingen.

Als Landwirt und Landeskammerrat möchte ich natürlich auch den neuen Land­wirt­schaftsminister Norbert Totschnig herzlich willkommen heißen. Gestern war Welt­bäue­rinnen- und Weltbauerntag – ein Grund mehr, sich anzusehen, wie die Lage in der Landwirtschaft aussieht. Wie sieht sie in Europa aus? – Laut einer aktuellen Studie des EU-Agrarausschusses werden bis 2040 6,4 Millionen Höfe – das sind 700 pro Tag – zusperren. Besonders betroffen sind kleine und mittlere Betriebe.

Die Anzahl der Betriebe wird sich bis 2040 von 10,3 Millionen auf 3,9 Millionen redu­zieren, das bedeutet, in den nächsten 18 Jahren geben zwei von drei auf – zwei von drei geben auf! Laut der Studie sind die Gründe ein fehlgeleitetes Fördersystem – Stichwort Flächenförderung –, magere Gewinnspannen, eine schlechte Verhandlungsposition der kleinen Höfe am Markt sowie das Fehlen von HofnachfolgerInnen. Oder anders gesagt: Es tut sich unter solchen Bedingungen schlicht und einfach keine und keiner mehr an, einen Bauernhof zu übernehmen.

Wenn wir das so weiterlaufen lassen, dann werden wir am Ende nur mehr große agrar­industrielle Betriebe haben, und das wird massive Auswirkungen haben. Ernährungs­sicherheit, Ernährungssouveränität, Regionalität, Eigenversorgungsgrad versus Abhän­gigkeit sind gerade jetzt in aller Munde. Wer Ernährungssicherheit will, der braucht die kleine Struktur: Wer, wenn nicht die vielfältigen und damit krisenfesteren, kleineren mittelständischen Betriebe bewirtschaften nachhaltig und verlässlich unser Land? – Dafür gilt es, die Rahmenbedingungen in Europa und in Österreich zu schaffen.

Wir brauchen eine Regionalisierung als Antwort auf die Abhängigkeiten, deshalb brauchen wir auch in der Herkunftskennzeichnung den nächsten Schritt: in der Gastronomie auf der Speisekarte. (Beifall bei den Grünen.)

Ich bin der festen Überzeugung, dass nur die kleinteilige Struktur resilient, anpas­sungsfähig und flexibel ist. Wir brauchen auch einen achtsamen Umgang mit den Tieren und mit der Natur. Wir brauchen ein hohes Maß an Biodiversität, denn sie ist der Ast, auf dem wir alle sitzen.

Herr Minister, hören Sie nicht auf die Lobbyisten, die jetzt im Windschatten der Krise versuchen, die Uhr wieder zurückzudrehen und Farm to Fork und Green Deal zu begraben, nur um kurzfristig ihre Gewinne zu maximieren. Seien Sie mutig! Die Land­wirtschaftspolitik braucht wieder Visionäre. Josef Riegler und Franz Fischler waren solche und haben über den Tellerrand geblickt. Herr Minister Totschnig, ich wünsche Ihnen viel Kraft und Erfolg! Seien Sie mutig! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

11.48

Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Eva Prischl. Ich erteile ihr das Wort.