12.34
Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister, grüß Gott! Frau Präsidentin, ich habe gesehen, Sie sind nach mir zu Wort gemeldet. Das wird interessant.
Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Ja, danke schön.
Bundesrat Dr. Johannes Hübner (fortsetzend): Das ist sehr gut, da kann ich Ihnen als Vertreterin der Regierungsparteien gleich ein paar Fragen stellen, da kann ich gut darauf eingehen. Wir haben jetzt gehört, der Bundesrat wäre angeblich ein Zukunftsinstitut oder ein Zukunftsrat. Ich glaube, in der Zukunft können wir das alles machen, jetzt sollten wir allerdings einen Gegenwartsrat machen und über die gegenwärtigen Probleme, die riesig sind, sprechen und beenden, uns selber zu belobigen, wie das die Regierung bis jetzt gemacht hat.
Ich fange einmal beim Thema Nummer eins an, der Inflation. Es ist mir völlig unverständlich, dass die derzeitigen Teuerungsraten, die so hoch sind wie schon seit 50 Jahren nicht mehr, in einer Weise bagatellisiert werden, wie es der Herr Vizekanzler gemacht hat. Er sagt, gegen die Inflation kann man nichts machen, die kommt von außen, man kann nur die Folgen lindern.
Das ist vielleicht in einem kleinen Teil wahr, weil wir unsere Kompetenzen, volkswirtschaftlich und währungspolitisch autonom zu entscheiden, aufgegeben haben. Das haben wir nach Brüssel oder eigentlich nach Frankfurt delegiert. Dort wird über die Geldmenge und damit über die Inflationsrate entschieden.
Daran sind wir selber schuld. Wenn man also dagegen etwas tun will, dann sollte man einmal dieses System infrage stellen und sich fragen, warum wir wirklich eine Nullzinspolitik fahren müssen, nur damit Staaten, die 140, 150 Prozent ihres Bruttosozialproduktes an Schulden angehäuft haben, ihre Staatsanleihen bedienen können. Das wäre einmal eine interessante Frage, die ich auch von einer Bundesregierung, einem Kanzler, einem Vizekanzler oder einem Minister erwarte. Die hören wir aber nicht. (Beifall bei der FPÖ. – Vizekanzler Kogler: Gegenfrage: Euroaustritt?)
Aber ich bin gerne zu einem - - (Vizekanzler Kogler: Treten wir aus dem Euro aus?) – Das führt jetzt ein bisschen zu weit (Vizekanzler Kogler: Das führt nämlich genau dorthin!), aber die Eurozone, wie sie jetzt besteht, ist sicherlich unhaltbar. Ich will jetzt mit Ihnen keine Eurodiskussion führen, das ist jetzt nicht mein Thema, aber à la longue ist das natürlich zu überlegen. Die Eurozone, wie wir sie haben, ist hoffnungslos gescheitert. Da können viele Volkswirtschaften nicht mit, weil sie zu teuer ist. Eine Nullzinspolitik ist für uns eine Katastrophe. Man kann natürlich sagen: Es ist alles egal, es ist egal, ob das für Österreich eine Katastrophe, gut oder schlecht ist, wichtig ist die europäische Solidarität. (Präsidentin Schwarz-Fuchs übernimmt den Vorsitz.)
Es gibt ein Axiom, einen Glaubenssatz: Die Welt ist Europa, Europa ist die Welt! Ohne Europa lebt die Welt nicht mehr, die Welt ist die Europäische Union! Wenn die Europäische Union nicht gestärkt wird, dann kann Europa nicht leben und wir damit nicht! (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.) Das ist natürlich eine Blase der Realitätsverweigerung, über die wir uns ein bisschen erheben sollten.
Gehen wir zurück: Warum kann man eigentlich gegen die Inflation nichts tun? Das ist ähnlich wie Corona. (Vizekanzler Kogler: Wer sagt denn das?) – Das sagt der Vizekanzler (Vizekanzler Kogler: Nein, das ist falsch!): Die kommt von außen, wir können nur die Folgen mildern.
Schauen Sie einmal zu Ihren grün-rot-gelben Kollegen nach Deutschland. Die haben sehr wohl etwas gegen die Inflation gemacht. Zum Beispiel haben sie die Mehrwertsteuer auf Treibstoff gesenkt, nämlich um 17 Cent für Diesel und, ich glaube, um 22 oder 25 Cent für Benzin (Zwischenruf des Bundesrates Steiner), was dazu führt, dass nach Jahren in Deutschland Benzin günstiger ist als in Österreich. Oder schauen Sie nach Italien: Da hat noch im Februar der Diesel genauso wie Super 40 bis 50 Cent mehr als in Österreich gekostet, jetzt kostet er in Österreich mehr als in Italien. Schauen Sie sich die Teuerungsraten an: Die liegt bei uns jetzt im Mai bei 8,1 Prozent, und selbst traditionelle Hochinflationsländer wie Italien und Frankreich liegen darunter.
Jetzt kann man natürlich sagen: Da kann man nichts machen, wir verteilen das eh irgendwohin um! Wir machen nichts gegen die Inflation, aber wir verteilen dann 150-Euro-Gutscheine, die man irgendwann einmal kriegt, denn gegen die Inflation etwas zu tun – na ja. Sie sagen nicht, warum Sie nichts machen, Sie tun es einfach nicht.
Es ist nicht erforderlich, dass man die höchste Mineralölsteuer beziehungsweise den höchsten Mineralölsteuersatz in Europa hat. Das ist nicht erforderlich. Es ist nicht erforderlich, dass wir die Mehrwertsteuer auf Treibstoffe nicht senken.
Es ist auch nicht erforderlich, dass wir Krokodilstränen – wo ist Kollege Lackner? – über das Verschwinden des Bauernstandes und das Aufgeben von Millionen Bauern in Europa vergießen, wenn wir als Ausgleich für die enorme Belastung, die die Bauern dadurch haben, dass allein der Treibstoff 40 Prozent mehr kostet, ein Modell entwickeln, bei dem sie pro Liter – das ist dieser Teuerungsausgleich, von dem Sie reden, also die Milderung der Folgen – 7 Cent ersetzt bekommen, aber nicht an der Tankstelle, sondern nach Ausfüllen eines sechsseitigen Formulars, vielleicht in einem Jahr und gedeckelt mit 30 Millionen Euro. Das heißt, wenn mehr als 30 Millionen Euro beantragt werden – das wird in der Jahresschau erst ermittelt –, dann wird entsprechend gekürzt und es bleiben nur 3 oder 4 Cent übrig.
Der Verwaltungsaufwand, der da dahintersteckt – jetzt rede ich gar nicht von der Arbeits- und Lebenszeit der Bauern, die diese Anträge ausfüllen müssen; das ist ja bei allen Bürgern so, die Hilfen beantragen, dass man im Wesentlichen Zetteln ausfüllt, von dem rede ich gar nicht –, der Verwaltungsaufwand der Republik allein würde es wahrscheinlich rechtfertigen, diese 7 Cent den Bauern sofort zu schenken. (Beifall bei der FPÖ.)
Na ja, ich will aber, wenn wir jetzt schon beim Agrardiesel sind, noch auf die Ausführungen des Kollegen Lackner eingehen und auf die Krokodilstränen über das Verschwinden der Bauern. Wir hören immer von allen Ministern für Landwirtschaft, von allen Grünabgeordneten, wie wichtig die Regionalisierung für den Erhalt der regionalen Landwirtschaft und die regionale Versorgung unseres Landes ist. Ja, was steht denn dieser Regionalisierung entgegen? Der Vizekanzler wird es sicher wissen. Was steht denn der Regionalisierung entgegen? – Na in erster Linie der gemeinsame europäische Markt, der ja eine Globalisierung in europäischen Maßstäben ist, der Artikel 50 der Verträge über die Arbeitsweise der Europäischen Union, der jede Art von Beeinflussung des Marktes auf nationaler oder regionaler Grundlage unmöglich macht.
Es ist eine Verletzung der Verträge, wenn ich die Landwirtschaft regionalisiere, es ist eine Verletzung der Verträge, wenn ich der Firma San Lucar den Zugang zum österreichischen Markt tarifär oder nicht tarifär erschwere. Wie soll denn bitte die regionale – wir haben hier ja ohnedies genug Landwirtschaftsvertreter – Gemüse- oder Obstlandwirtschaft funktionieren, wenn sie mit San Lucar konkurriert? Das sind Firmen, die 250 000 Hektar selbst oder über Kontrakte bearbeiten, im Wesentlichen mit halb bis vollständig illegalen marokkanischen Wanderarbeitern die Felder betreuen, die Chemiedünger in einer Weise verwenden, die bei uns unvorstellbar ist, und die mit subventionierten Transportkosten freien Markt in Österreich haben. Wer davon redet, der muss auch den Grund nennen, warum die Regionalisierung nicht möglich ist, und das ist der freie europäische Markt. (Beifall bei der FPÖ.)
Ich bin für die Regionalisierung, hundertprozentig. Das ist der einzige Weg, unsere Landwirtschaft zu erhalten. Wir können aufgrund unserer Strukturen, unserer Geografie und so weiter – Kollege, Sie wissen es ohnehin – mit industriellen Multis wie San Lucar und Co – ich habe San Lucar nur herausgegriffen, weil das jeder aus der Billafiliale kennt – nicht konkurrieren. Und wir können uns nicht darauf verlassen, dass es, wie Sie ohnehin schon gesagt haben, Hofübernehmer gibt mit der Hoffnung, dass sie vielleicht eine Mutterkuhprämie von der EU bekommen, obwohl sie mit der Milch keine kostendeckenden Produkte erzeugen können. Darauf können wir uns nicht verlassen.
Wir brauchen ein komplettes Umdenken, und das muss eine Lösung für unsere Verhältnisse sein, abgestimmt auf unser Land und nicht vorgegeben von einer Europäischen Kommission oder von multinationalen Agrarkonzernen, die dort das Sagen haben. Diese Realität wird verleugnet. Man freut sich vielmehr darüber, dass es jetzt ja wieder eine Konferenz über die Reform der Europäischen Union gegeben hat. Super, da fällt natürlich auch das österreichische Vetorecht, wenn das alles umgesetzt wird. Da gibt es einen Zug zur Zentrale, da gibt es die Durchsetzung des gemeinsamen Marktes ohne Wenn und Aber. Da kann sich niemand mehr dagegen wehren. Das wird auch unterstützt. Wir werden ja sehen, das wird ja auch diskutiert werden. Das wird bei uns auch in die Foren kommen, das war auch gestern im EU-Ausschuss. Wir werden ja sehen, wie sich die Leute, die Krokodilstränen über die Zerstörung unserer regionalen Wirtschaft, die Krokodilstränen über die Industrialisierung der Landwirtschaft vergießen, dann verhalten werden, ob die dann sagen: Nein, nein, nein! Genug ist genug! Wir brauchen Kompetenzen zurück, wir müssen diesen Wahnsinnsglobalisierungsirrsinn auf europäischer Ebene stoppen und den Regionen und den Ländern ihre Souveränität in lebenswichtigen Fragen wie der Lebensmittelproduktion wieder zurückgeben. – Da bin ich dann wirklich gespannt.
Jetzt noch ein Letztes, und das ist die Coronapandemie, denn auch da haben wir natürlich gehört, wie super die bewältigt wurde und was für Opfer da alle gebracht haben. Da haben wir uns alle bei den scheidenden Ministern dafür bedankt, was die in dieser Pandemie geleistet haben. Eines hätte ich gerne gehört, Herr Bundeskanzler: Wer wird denn dafür zur Verantwortung gezogen, dass in Österreich mit österreichischen Steuergeldern 52 Millionen Impfdosen angekauft wurden? 52 Millionen Dosen von Impfstoffen, die nicht einmal eine Zulassung haben, nur eine vorläufige Zulassung, die diese Zulassung aus gutem Grund bis heute nicht haben und die mit Sicherheit nicht mehr brauchbar sind, weil sie bereits seit sechs Monaten anerkannt vollkommen wirkungslos sind. Bereits gegen Omikron haben diese Impfstoffe keine Wirkung. (Beifall bei der FPÖ.)
Es ist schwer, jetzt zu sagen, dass es so ist, weil die Spitäler natürlich dazu angehalten sind, keine Informationen darüber herauszugeben. Aber es gibt da immer so kleine Lichtpunkte, Frau Kollegin Zwazl, wo man die Realität durchleuchten sieht, und das ist die Universitätsklinik Innsbruck. Die gibt nämlich immer bekannt, wie viele von den Patienten mit Corona auf den Intensivstationen geimpft, also geschützt sind und wie viele nicht. Wenn Sie da die letzten Zahlen, die veröffentlicht worden sind, anschauen, dann stellt man fest: Meistens sind sie zu einem Anteil, der bei 100 Prozent liegt – sowohl bei den Insassen als auch bei den Belegern der Intensivstationen, der ICUs, wie sie jetzt heißen –, geimpft. Das müsste einem zu denken geben. Und jetzt wird weiter Geld oder ORF-Sendezeit – der ORF veröffentlicht entgegenkommend unentgeltlich – für eine Mitteilung der Bundesregierung verwendet. Da sieht man die Leute: Wir haben keine Maske mehr, jetzt lassen wir uns alle impfen! Impfen hilft, impfen für alle!
Wann wird man damit aufhören, wenn man doch keinen Impfstoff hat, der irgendetwas Sinnvolles ist? Wollen Sie jetzt mit dem nicht zugelassenen, bereits gegen die jetzigen Varianten von Corona vollkommen wirkungslosen Impfstoff gegen die Affenpocken impfen, oder was soll das Ganze? (Beifall bei der FPÖ.)
Ich könnte die Liste meiner Schmankerln, die ich dem Herrn Bundeskanzler gerne servieren würde, noch lange fortsetzen. (Bundesrat Obrecht: Nein, danke!) Da aber die Mittagszeit heranbricht und Frau Kollegin Zwazl dringend auf all meine Fragen antworten und eingehen will, überlasse ich ihr die Bühne und danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FPÖ.)
12.47
Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.
Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sonja Zwazl. Ich erteile dieses.