13.24

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte ZuseherInnen auf der Galerie! In Österreich und überhaupt in Europa sind wir ja sehr stolz auf die hohen Standards der Menschenrechte, wie sie eben in der Europäischen Menschen­rechtskonvention und den verfassungsrechtlichen Grundrechten festgeschrieben sind, und auch auf die im internationalen Vergleich sehr hohen Umweltstandards, die wir ja noch weiter anheben wollen. Gut, nach der Rede des Kollegen Köck bin ich mir nicht ganz so sicher, ob wir alle das wollen, aber grundsätzlich hätten wir schon das Ziel, möglichst rasch Klimaneutralität in Europa zu erreichen. (Beifall bei der SPÖ.)

Gleichzeitig lassen wir es aber zu, dass auf unserem Staatsgebiet, auf europäischen Märkten, Produkte gehandelt werden, die unter Missachtung sämtlicher ökologischer und sozialer Standards produziert wurden, halt irgendwo, nicht in Europa, sondern irgendwo.

Wenn für Anbauflächen zum Beispiel Regenwälder durch Brandrodungen vernichtet werden, wenn für die Bestandteile von Handys, Laptops oder E-Motoren Rohstoffe, sel­tene Erze unter prekärsten, gefährlichsten Bedingungen abgebaut werden, in Ländern, in denen ökologische, soziale, humanitäre Standards praktisch nicht existent sind, wenn mit gefährlichen, bei uns längst verbotenen Pestiziden in der Landwirtschaft gearbeitet wird und wenn Kinder, statt in die Schule zu gehen, T-Shirts nähen oder auf der Plantage arbeiten müssen, eben Geld verdienen müssen, anstatt eine unbeschwerte Kindheit erleben zu dürfen – weil eben ihre Eltern so wenig verdienen, dass sie den Unterhalt für die Familie nicht bestreiten können, wobei mitunter auch Zwangsarbeit an der Tages­ordnung ist –, dann müssen wir uns im Klaren darüber sein, dass wir, wenn wir nicht den gesamten Entstehungsprozess eines Produktes im Auge haben, diese Menschen­rechtsverletzungen nach Europa importieren und fördern.

Da müssen wir, und da stimme ich Herrn Kollegen Köck zu, natürlich auch die Ent­wicklungszusammenarbeit ganz besonders im Auge haben, denn wir können es natür­lich auch nicht verantworten, dass diese Familien dann völlig vor dem Nichts stehen und praktisch verhungern. Das heißt, da müssen wir natürlich auch alles daransetzen, dass die Entwicklungszusammenarbeit auf den höchsten Standard gehoben wird und dass Fairtrade-Produkte Standard sind, eine Selbstverständlichkeit sind, denn dann gibt es solche Zustände einfach nicht mehr.

Bisher, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist man immer den Weg der Frei­willigkeit gegangen und hat an die Eigenverantwortung der Konsumentinnen und Konsu­menten appelliert – und damit aber die Verantwortung auf jene abgeschoben, die diese Verantwortung in Wahrheit nicht tragen können. Die Mutter, die nach Dienstschluss durch den Supermarkt hetzt, um den Wochenendeinkauf zu erledigen, kann nicht die Lieferketten überprüfen. Sie kann nicht überprüfen, ob die sozialen und ökologischen Standards, die sie gerne hätte, alle eingehalten wurden. Das kann auch der Mindest­pensionist nicht, der schaut, dass er einigermaßen über die Runden kommt, und zum billigsten Diskontartikel in der Produktgruppe greifen muss, weil er sich nichts anderes leisten kann. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Da muss man auf der anderen Seite wieder die Einkommenssituation der Menschen im Auge haben. Das heißt: Rauf mit den Sozialleistungen, rauf mit den Mindestpensionen, rauf mit den Gehältern, damit sich die Menschen das Leben auch wirklich leisten können und auch die fair gehandelten Produkte leisten können!

Auch mit den Zertifikaten, mit den freiwilligen, selbst kreierten Zertifikaten, die da auf den Verpackungen prangen, schaut es nicht so gut aus, denn diese sind nicht aussage­kräftig, sie sind verwirrend und teilweise auch verfälscht. Die sind, außer ein paar einzelne, praktisch wertlos.

Der Weg der Freiwilligkeit ist also gescheitert. Das hat jetzt auch die EU-Kommission endlich eingesehen und eben diesen Richtlinienentwurf eines Lieferkettenregelwerkes vorgelegt. Einzelne Staaten wie zum Beispiel Deutschland und Frankreich haben das Problem schon früher erkannt und haben nationale Lieferketten- beziehungsweise Sorg­faltsgesetze erlassen. Österreich hätte das aber auch schon tun können, denn bereits vor mehr als einem Jahr hat die SPÖ dazu einen umfassend ausformulierten Antrag eingebracht, der aber von – damals noch Türkis- – Schwarz-Grün mit Begräbnis letzter Klasse bestattet, sprich vertagt, wurde. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt hat eben die EU den Ball aufgegriffen und diesen Kommissionsvorschlag vorgelegt, der Großkonzerne treffen soll, nämlich nach derzeitigem Plan Betriebe ab einem Umsatz von 150 Millionen Euro und ab 500 Beschäftigten, wobei in risikogeneigten Branchen wie Textilindustrie, Bergbau, Landwirtschaft und Lebensmittelerzeugung ein geringerer Schwellenwert angesetzt werden soll.

Der Entwurf ist sehr ambitioniert, würde ich einmal sagen, geht auch über das deutsche Gesetz hinaus; aber das alles muss jetzt noch im eigentlichen Gesetzgebungsorgan, nämlich im Europäischen Parlament und im Rat der Mitgliedstaaten, verhandelt werden. Da wird es sich dann zeigen, was die Absichtserklärungen, die heute hier abgegeben wurden und werden und bisher schon getätigt wurden, wirklich wert sind, was dann von diesem Richtlinienentwurf tatsächlich übrig bleibt, ob die Betriebsgrößen, diese Schwel­lenwerte, so halten, wie die Sorgfaltspflichten konkret definiert werden.

Der Endverkäufer soll ja in die Pflicht genommen werden und sich nicht mehr auf Zwi­schenhändler ausreden können. Die gesamte Wertschöpfungskette muss sauber sein von Kinderarbeit, Zwangsarbeit und Umweltzerstörung. Das muss selbstverständlich kontrolliert und dokumentiert werden. Die Verletzung dieser Sorgfaltspflichten muss und soll spürbare Konsequenzen haben. Von Menschenrechtsverletzungen und auch Um­weltverschmutzung Betroffene sollen auch auf Schadenersatz klagen können.

Da wird noch zu klären sein, wie die Beweislast konkret ausgestaltet wird, wie die Anfor­derungen an die Beweislast dann tatsächlich gestellt werden, damit diese Rechte auch durchsetzbar sind, und noch viele andere Fragen, wie sie auch Kollegin Kittl schon ange­sprochen hat, etwa wie das aussieht mit den etablierten Geschäftsbeziehungen, die eben für die Sorgfaltspflichten relevant sein sollen.

Gerade bei den weiteren Verhandlungen zu den heiklen Punkten in den EU-Gremien, wenn es ums Eingemachte geht, sieht man aber schon, dass die Bremser, Bremserinnen schon ihre Bremssignale abgeben. Zuletzt konnten wir dieses Argumentarium des Bremsmanövers schon bei der Aktuellen Europastunde im Nationalrat erahnen, als Abgeordnete Winzig vor dem „Bürokratiemonster“ gewarnt hat, Vergleiche zum Green Deal gezogen hat – auch der scheint in der EVP nicht überall so gut anzukommen – und darauf verwiesen hat, dass da nur ja nicht die Betriebs- und Produktionsgeheimnisse irgendwie angetastet werden, dass nur ja nicht zu viele Betriebe erfasst werden. Da wird offensichtlich in EVP-Kreisen an Hintertüren gebastelt, damit dieser Lieferkettenrichtlinie die Zähne gezogen werden können und damit letztendlich ein zahnloser Tiger übrig bleibt.

Hier werden aber, das muss man schon sagen, die Falschen geschützt, denn wieder einmal sollen die kleinen Betriebe vorgeschoben werden, um die großen zu schützen, die aber in Wahrheit mit ihren unfairen Wettbewerbspraktiken ganze Branchen in Öster­reich und Europa ausradiert haben, wie zum Beispiel die Textilproduktion, die es praktisch in Europa nicht mehr gibt.

Auch wird da immer wieder vor höheren Preisen gewarnt. In diesem Zusammenhang würde ich aber eher von Kostenwahrheit sprechen; denn Arbeit, meine sehr geehrten Damen und Herren, muss auch einen Wert haben, und auch lange Transportwege und Umweltverschmutzung müssen einen Preis haben. Es kann nicht sein, dass Rindfleisch aus Argentinien billiger ist als das Rindfleisch vom Bauern aus der Region. Da braucht es Kostenwahrheit.

Wir müssen auch die Bedingungen der Preisbildung unter die Lupe nehmen, die Han­delsspannen beispielsweise und auch die Mechanismen der Preisbildung. Zum Beispiel auch bei den Energiepreisen ist zu hinterfragen, warum man sich da am teuersten Energieträger orientiert. All das muss man sich genau anschauen, denn wenn man sich das genau anschaut und es hinterfragt, müssen die Preise nicht zwangsläufig in die Höhe schnellen.

Bei den Ratsverhandlungen wird es sich also spießen. Da hoffe ich, dass Tschechien, das ja demnächst die Ratspräsidentschaft übernimmt, diese Entschlossenheit der fran­zösischen Ratspräsidentschaft mitübernimmt und an diesem Richtlinienwerk weiter ent­schlossen arbeitet und dass Sie, liebe Frau Ministerin, von Ihren Kolleginnen und Kolle­gen in der Bundesregierung nicht allein im Regen stehen gelassen werden. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

13.35

Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Dr. Johannes Hübner ist als Nächster zu Wort gemel­det. – Bitte schön.