18.29
Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Werter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Werte Interessierte, die zu Hause via Livestream dabei sind!
Wir beschäftigen uns jetzt mit den Novellierungen des Marktordnungsgesetzes 2007, des Landwirtschaftsgesetzes und des AMA-Gesetzes. Wie meine Vorredner ganz richtig gesagt haben, sind das die Gesetze, mit denen die zugrundeliegenden EU-Verordnungen für die nächste Periode bis 2027 national umgesetzt werden. Das heißt, wir reden hier über Gesetze, die die Agrarpolitik bis 2027 ganz nachhaltig, ganz maßgeblich bestimmen.
Sie haben vorhin gesagt, der erste Meilenstein war der GAP-Strategieplan, den Österreich im Dezember 2021 durch Landwirtschaftsministerin Köstinger abgegeben hat und der nicht ganz so kritiklos angenommen wurde. Ich erinnere nur daran, dass es in den Observation Letters über 250 Anmerkungen und Kritikpunkte gab. (Bundesrat Preineder: Das ist normal!) Und in diesen Gesetzen, die wir hier jetzt beschließen, wurde kein Kritikpunkt berücksichtigt. Keiner! Ich finde – und das gehört gesagt –, das ist einfach alles in allem zutiefst enttäuschend. (Beifall bei der SPÖ.)
Ihre Vorgängerin hat es eingebracht, und – bei allem Dank, den Frau Miesenberger ausgesprochen hat – dann ist sie zurückgetreten, ohne es fertigzumachen. Mit Ihnen hatten wir noch keine Möglichkeit, darüber zu reden, wie wir das jetzt miteinander sinnvoll gestalten und in Ordnung bringen können – weder wenn es um die Verteilungsgerechtigkeit bei den Agrarfördermitteln geht, nämlich zwischen den Großbetrieben und den Kleinen, noch wenn es um die sozialen Dienste geht, nämlich darum, was Herr Lackner angesprochen hat, um das Sterben der kleinen Höfe und die Abwanderung; auch nicht, wie es denn erreicht werden kann, dass Maßnahmen und Ziele zur CO2-Einsparung berücksichtigt werden oder dass chemisch-synthetische Pestizide eingeschränkt werden; und das ist eine ganz, ganz wesentliche Forderung für diese GAP-Periode.
Völlig ambitionslos, aber wirklich völlig ambitionslos, ist das Tierschutzpaket im Hinblick auf alles, was mit Tierwohl und Tiergesundheit zu tun hat. Es fordert die GAP aber für jede Periode, dass die Geldmittel für Verbesserungen eingesetzt werden, dass es keinen Stillstand geben darf, wenn es um das Tierwohl geht. Unser Tierschutzpaket, Herr Minister, ist eine Mogelpackung: Vollspaltenböden, Kastrieren von Ferkeln ohne Betäubung, Tiertransporte von Kälbern – all das ist weiterhin möglich.
Ich möchte von Ihren diversen Interviews aus dem Interview mit der „Kronen Zeitung“ am 21.5. zitieren, in dem Sie sagen: „Das ist der Stand, den wir derzeit haben, und für mich ist er so zur Kenntnis zu nehmen.“ – Jetzt aber nicht wirklich, Herr Minister! Das kann nicht Ihr Anspruch sein, etwas zur Kenntnis zu nehmen und zu sagen: Ist halt so, so gehe ich an meine neue Aufgabe, das nehme ich halt zur Kenntnis!
Sie sagen: „Ich bitte um Verständnis, dass ich mich in erster Linie um meine wirklichen Kernbereiche kümmere.“ – Nein, dafür habe ich kein Verständnis, denn ein Kernbereich der Landwirtschaft ist auch die Tierhaltung. (Beifall bei der SPÖ.)
Herr Minister, Sie sagen auch: „Tierwohl ist immer wichtig, aber Tierwohl ist im Zuständigkeitsbereich des Herrn Gesundheitsministers.“ – Das stimmt so nicht. Das Bundesministeriengesetz regelt Zuständigkeiten, und da sind alle allgemeinen Vorgaben für den Tierschutz drinnen, aber das Tierschutzgesetz hält ganz eindeutig fest, dass in einzelnen Bereichen, Tiergruppen betreffend und Nutztierhaltung betreffend, ein Einvernehmen hinsichtlich der Verordnungen, die erlassen werden, zwischen dem Gesundheitsminister und dem Landwirtschaftsminister herzustellen ist. (Bundesrat Preineder: Na, hoffentlich!) Der Gesundheitsminister kann keine Verordnung erlassen, mit der Sie nicht einverstanden sind. Es ist also sehr wohl in Ihrer Zuständigkeit, dass Sie Verordnungen erlassen können, die eben dem Tierwohl zuträglich sind. Wenn der Gesundheitsminister das ohne Sie macht, dann ist es ein rechtsungültiger Akt. Darin sind wir uns einig. Es ist in Ihrer Verantwortung! Wenn Sie es schon moralisch nicht verantworten wollen, aus Ihrer Verantwortung als Landwirtschaftsminister können Sie da nicht heraus. Sie haben maßgeblichen Einfluss, das können Sie nicht von sich weisen.
Abschließend noch zum AMA-Gesetz: Die Agrarmarkt Austria wird wirklich gut gefördert. Was aber ist denn dieses Gütesiegel wert? – Angesichts der jüngsten Beispiele aus einem Schweinebetrieb sei erlaubt, da einmal genauer hinzuschauen. Sie haben heute in Ihrer Antrittsrede davon gesprochen, dass Sie auf Nachhaltigkeit im Stall ein Augenmerk legen wollen. Wie nachhaltig ist es, wenn Schweine auf Vollspaltenböden mit Eiterbeulen, abgebissenen Schwänzen ohne jede Bewegungsfreiheit gehalten werden? Wie nachhaltig ist das? – Und dann bekommt das Fleisch noch das AMA-Gütesiegel!
Sie sagen im „Standard“-Interview von heute, dass das Geld für das Agrarumweltprogramm wunderbar investiert ist. Die Bekanntheit des AMA-Gütesiegels zeigt, wie gut investiert das Geld für Werbung ist. – Zitatende. So Ihre Worte in diesem Interview.
Die AMA-Werbung kennen wir alle, da heißt es: Ich schaue auf das große Ganze. „Ich schau auf Sorgfalt und Kontrollen.“ – Und genau da hapert es aber. Es gibt viel Geld für diese Werbung, so wie es die ÖVP halt gerne hat: toll verpackt mit Werbung und viel Geld, außen alles toll, außen hui, aber innen sehr oft pfui. Und warum? – Weil es bei den Kontrollen hapert.
Ich weiß nicht, wer sich damit beschäftigt hat, aber der Grundbaustein für die AMA-Kontrolle ist Eigenverantwortung, Selbstevaluierung. Da bewerten sich die bäuerlichen Betriebe mit einer Checkliste selbst. Das ist, wie wenn Schüler ihre Schularbeiten selber verbessern oder Autofahrer ihre Geschwindigkeitsüberschreitungen selbst zur Anzeige bringen – das ist nicht ausreichend.
Verpflichtend von staatlicher Seite ist, dass 2 Prozent der Betriebe pro Jahr kontrolliert werden müssen. Rein rechnerisch heißt das dann, dass jeder Betrieb alle 50 Jahre einmal drankommt. Das kann nicht reichen! Auch die Vorgabe, dass bei auftretenden Problemen die Kontrolle engmaschiger wird, wird nicht erfüllt. Das haben wir gerade im aktuellen Fall gesehen. Der war nämlich als problematisch eingestuft, aber es hat zwei Jahre lang keine Kontrolle von der AMA gegeben.
Ich möchte dann noch Herrn Kollegen Lackner sagen, was schon stimmt: Alles, was mit Bio zu tun hat, ist wirklich gut verhandelt, und wir haben 26 Prozent Biobetriebe. Mein Mann führt einen Kleinstbetrieb, einen Biobetrieb mit unter 5 Hektar. Was die AMA nicht schafft, das schafft die Bio Garantie. Die kommen nämlich jedes Jahr und kontrollieren mehrere Stunden, mehrere Stunden jährlich für einen Pimperlbetrieb – ich sage es jetzt einmal so, wie es ist –, und die schauen ganz genau hin. Und das schafft die AMA mit dem vielen Geld nicht? – Das kann so nicht sein!
Herr Minister, von mir gibt es keine Vorschusslorbeeren. Sie müssen schon durch das, was Sie tun, beweisen, wie gut Sie sind. Es reicht für mich auch nicht, dass Sie ein Bauernsohn sind, dass Sie bis zu Ihrem 18. Lebensjahr am Hof angepackt haben, denn nicht jeder Medizinersohn ist ein toller Arzt, nicht jedes Kind eines Weltmeisters wird ein Weltmeister und nicht jeder Bauernsohn wird der beste Landwirtschaftsminister sein. (Beifall bei der SPÖ.)
Ich glaube, was ich mir am allermeisten von Ihnen wünsche und von Ihnen fordere, ist: Nehmen Sie Ihre moralische Verantwortung wahr, nicht nur für einen nachhaltigen Ackerbau, sondern für eine Tierzucht, Tierhaltung, Fleischproduktion, die Sie moralisch verantworten können! Letztlich werden Sie daran gemessen werden, was durch Ihre Maßnahmen für die Zukunft besser wird, und die Zukunft sind die nachfolgenden Generationen. Daran werden Sie gemessen und daran werden Sie sich selber einmal messen müssen. Man kann also alle Verantwortungen wegreden, aber nicht die moralische. Es braucht keine Mogelpackungen, sondern was es braucht, ist ein Mitteleinsatz in diesem Bereich, damit Mensch, Tier, Umwelt und Natur in Zukunft eine Chance haben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Schartel.)
18.39
Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Otto Auer zu Wort gemeldet.