9.31

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Sehr ge-ehrter Herr Minister! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Liebe Gäste auf der Galerie! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte als Allererstes dir, liebe Christine Schwarz-Fuchs, unserer amtierenden Präsidentin, für deine Präsidentschaft danken, vor allem auch für deinen wertschätzenden Umgang mit allen Fraktionen. Natürlich freut mich deine Schwerpunktsetzung im Bereich Kinderbetreuung und Elementarbildung be-sonders – vielen herzlichen Dank dafür, und zusätzlich alles Gute zu deinem Geburtstag heute! (Allgemeiner Beifall.)

Ich möchte noch vorausschicken, auch unseren Zuseherinnen und Zusehern gegen­über, dass ich mich für die fremdenfeindliche Rede meines Vorredners Leinfellner eigentlich fremdschäme. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.) Unglaublich! (Bundesrat Spanring: Das ist ja fast wie ein Adelsschlag! – Bundesrat Steiner: Dann haben wir alles richtig gemacht, wenn sich die Sozialisten fremdschämen!)

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stimmen der Verlängerung dieser Covid-geschuldeten Sonderregelung zu. Sie vereinfacht da und dort, dass notwendige Einwilligungen et cetera abgegeben werden können, ohne persönlich vor Ort sein zu müssen. Da merkt man: Wenn die Umstände es verlangen oder der Wille da ist, kann man Dinge vereinfachen und auch kundenfreundlicher gestalten.

Im Ausschuss haben uns die ExpertInnen, die Auskunftspersonen, bestätigt, dass da und dort durchaus auch darüber nachgedacht wird, einige dieser Vereinfachungen ins Dauerrecht zu übernehmen, weil sie sich einfach bewährt haben.

Ich frage mich, warum diese Vereinfachungen nicht auch in größerem Stil passieren könnten, speziell was das Staatsbürgerschaftsverfahren betrifft, warum dies nicht generell bei Menschen, bei denen sonnenklar ist, dass sie über kurz oder lang die Staatsbürgerschaft erlangen werden, und bei denen noch klarer ist, dass sie ihr Leben hier in Österreich verbringen werden, möglich ist, warum dies so unnötig erschwert wird.

Da frage ich mich, was das insgesamt für einen Sinn hat, denn wir alle wissen, dass Österreich europaweit das reaktionärste und restriktivste StaatsbürgerInnenschaftsrecht hat. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Gott sei Dank! Wir sind ein Sozialstaat!) Wir matchen uns in diesem Fall, bei dieser Restriktion mit Ländern wie beispielsweise den Vereinigten Arabischen Emiraten oder Saudi-Arabien, und die Frage ist, ob man darauf stolz sein kann und das wirklich wollen soll.

Gerade wenn wir wissen, in wie vielen Branchen derzeit so dringend Arbeitskräfte gesucht werden und wir auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen sind, wie beispiels-weise im Gesundheitswesen und in der Pflege, müssen wir über Reformen nachdenken, und wir wissen zusätzlich schon längst, dass die Demografie in Österreich, also wie sich die Bevölkerung entwickeln wird, auch verlangt, dass Menschen zuziehen, und ehrlicherweise haben wir in Österreich, was das betrifft, auch eine sehr lange und sehr gute Tradition.

Das Problem fängt aber dort an, wo wir sagen: Ja, ihr könnt bei uns arbeiten, ihr könnt bei uns die schwierigen und ungeliebten Jobs machen, ihr könnt bei uns gerne Steuern zahlen, aber an den demokratischen Prozessen lassen wir euch lieber nicht teilhaben! – Das geht sich meiner Meinung nach nicht aus. Es muss beides gelten und es muss beides möglich sein.

Ich sage sogar, dass es für unsere Demokratie ein Problem ist, wenn Menschen hier leben, hier arbeiten, hier Steuern zahlen, aber nicht partizipieren können. Nur damit wir die Größenordnung kennen: Es geht um 250 000 Personen, die hier geboren sind (Zwischenruf des Bundesrates Steiner), ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben, aber keine österreichischen StaatsbürgerInnen sind und damit von Wahlen und anderen demokratischen Prozessen ausgeschlossen sind.

Es geht meiner Meinung nach um ein modernes Staatsbürgerschaftsgesetz, dass Men­schen, die schon etliche Jahre legal hier leben und Steuern zahlen, nach fairen Kriterien die Staatsbürgerschaft für sich und ihre Kinder bekommen.

Das ist aus meiner Sicht eine Notwendigkeit für unsere Demokratie. Die Erleichterung des Erwerbs der Staatsbürgerschaft ist aber zusätzlich auch eine Notwendigkeit für die Integration.

Ich erzähle es immer wieder, vielleicht habe ich es auch hier schon erzählt: Ich mache immer wieder Workshops mit Jugendlichen und Kindern zum Thema Kinderrechte, zum Thema Jugendrechte, und da geht es irgendwann natürlich auch immer um das Thema politische Bildung und Teilhabe, eine ganz wichtige Säule in den Kinder- und Jugend-rechten. Nicht selten erlebe ich, dass mir junge Menschen dann frustriert und auch zornig sagen – zu Recht, wie ich finde –: Schön und gut, dass ihr das Wahlalter auf 16 Jahre gesenkt habt, schön und gut, dass ihr Wahlen und Volksabstimmungen so emporhebt und dass diese für euch so wichtig sind, aber warum schließt ihr mich dann davon aus?

Ehrlicherweise darf man sich dann auch nicht wundern, finde ich, wenn diese jungen Menschen sich nicht ganz zugehörig fühlen und zu Recht als Menschen zweiter Klasse in Österreich fühlen, obwohl sie hier geboren sind. Ich finde, dass das schon ein Thema für unsere Integration ist und es nicht integrationsförderlich ist. Darum fordern wir unter anderem, dass sechs Jahre in Österreich rechtmäßig aufhältig zu sein genügen müssen, um die Staatsbürgerschaft bekommen zu können, dass die Kosten für einen Antrag österreichweit vereinheitlicht werden müssen, dass auch die Einkommenshürden über­dacht werden müssen und dass Kinder, die in Österreich geboren sind und deren Vater oder Mutter bereits seit fünf Jahren legal hier aufhältig ist, auch das Recht auf die österreichische Staatsbürgerschaft haben sollten.

Ich möchte mit einem persönlichen Beispiel schließen: Es geht um einen meiner wert­geschätztesten Mitarbeiter bei mir in der Arbeit, ich nenne ihn jetzt A., weil er anonym bleiben will. A. arbeitet seit 2016 bei mir im Team. Er ist insofern besonders, als er mehrfacher Kickboxstaatsmeister, -vizeeuropameister und - - (Bundesrat Steiner: Jetzt ist er sicher anonym! Das mit der Anonymität hat super funktioniert!) – Ja, stimmt, da habe ich ihm möglicherweise nichts Gutes getan, ich hoffe, dass ihm das nicht zur Last wird. (Bundesrat Steiner: Das ist sozialistisches Denken, sensationell! Sozialismus auf höchstem Niveau!)

Das Spannende ist, dass er über diesen Zugang ganz tolle Möglichkeiten gefunden hat, mit jungen Menschen zu arbeiten, und gerade im Bereich der jugendlichen Geflüchteten tolle Erfolge erzielt, weil er über diesen Sport Zugang zu Jugendlichen findet und so mit ihnen auch über Themen reden kann, die ihm wichtig sind.

Ich hoffe, dass er bei uns bleibt, aber was er uns erzählt, was er mir erzählt, ist, dass er versucht hat, die österreichische Staatsbürgerschaft zu beantragen. Weil die Einkom­menshürden so hoch sind, musste er die nebenberufliche Abendschule, die er neben seinem Job macht – die Handelsakademie möchte er abschließen –, abbrechen, auch beim Sport musste er pausieren, weil er zwei Jobs nachgehen muss, um diese Einkom­menshürden zu bewältigen. (Bundesrat Steiner: Dann zahlen Sie dem zu wenig! Dann zahlt die sozialistische Partei zu wenig! Zahlt ihm mehr!) Zusätzlich zu all dem wurde ihm noch vorgeworfen, dass er in einer WG wohnt, in der ein Lehrling wohnt, und dadurch sozusagen auch seine Kriterien nicht erfüllt werden. Also es sind zwei redliche Menschen, die beide arbeiten, einer macht gerade den Lehrabschluss, und trotzdem wird ihnen verwehrt, die Staatsbürgerschaft zu beantragen, und ich frage mich: Was machen diese zwei Menschen falsch? Wir müssten froh sein, dass sie sich hier bei uns einbringen!

Zusammenfassend möchte ich sagen: Wir brauchen ein modernes Staatsbürgerschafts­recht, das zu unserer Demokratie passt, das auch die Notwendigkeiten unserer Wirt­schaft berücksichtigt und das die Integration von Menschen unterstützt. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

9.40

Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir begrüßen den neu hinzugekom­me­nen Herrn Bundesminister Johannes Rauch. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Weiters begrüßen wir auf unserer Galerie eine weitere Schulklasse, die uns heute be­sucht, und zwar aus Tirol. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte sehr.