17.27
Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Schön, dass Sie wieder da sind – wegen einer einzigen Rede, so ist das manchmal. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Dabei ist das gar nicht meine Rede, sondern die Rede meiner Kollegin Elisabeth Kittl. Sie fühlt sich leider nicht wohl und ist nach Hause gegangen, und ich darf jetzt ihre Rede einfach vorlesen. Ich möchte das extra betonen, weil manchmal eine Ichform gewählt wird. Das bin aber nicht ich, da müssen Sie sich denken: Es geht um Frau Kollegin Kittl.
Die UN-Menschenrechtscharta, der wir uns verpflichtet haben, beinhaltet auch das Recht auf Wohnen. Das kann natürlich nur verwirklicht werden, wenn Menschen es sich leisten können, zu wohnen. Einer, der dafür sorgen kann, ist natürlich der Staat.
Das Europäische Parlament bekundet in einer Entschließung, dass die Mitgliedstaaten als Ergänzung zu dem Angebot des privaten Immobilienmarkts ein Parallelangebot an sozialem Wohnraum aufbauen und organisieren sollen.
Österreich hat verschiedene Instrumente, um leistbaren Wohnraum einer breiten Masse an Menschen zur Verfügung zu stellen. Das Ziel ist eben, die Höhe der monatlichen Mietzinskosten zu beschränken und sie nicht alleine dem Markt zu überlassen.
Das ist einerseits das Mietrechtsgesetz mit seinen Mietpreisdeckelungen für Wohnungen in Häusern, die bis 1945 gebaut wurden, aber leider nicht oder nur eingeschränkt für die danach erbauten Häuser, was Frau Kittls Erachtens, aber auch meines Erachtens eine nicht erklärbare Ungleichbehandlung von Wohnimmobilien ist. Da wäre es wünschenswert, dass in Richtung Mietzinsobergrenzen auch des Neubaus, nach Amortisation, gedacht wird.
Die anderen Instrumente, um Mietzinse zu beschränken, sind Wohnungen, die mit öffentlichen Mitteln entweder gleich von der öffentlichen Hand selbst gebaut und vermietet werden, wie die Gemeindebauten, oder solche, die gefördert werden und von gemeinnützigen Wohnbauvereinigungen vulgo Genossenschaften gebaut werden.
Um die Letzteren geht es heute, und darum, dass Wohnungen, die mit öffentlichen Mitteln gebaut werden, auch dem Allgemeinwohl zugutekommen sollen. Das tun sie, indem die Mieten günstig bleiben.
Warum sind sie günstig? – Weil die Vermietung nicht auf den Gewinn der VermieterInnen ausgerichtet ist, sondern auf die Abzahlung der Darlehen und danach auf die gute Instandhaltung des Hauses. Das schafft, umgelegt auf die Menschen, die die Häuser nutzen, also die Mieter, sehr günstige monatliche Mieten und damit langfristig leistbaren Wohnraum.
Eine Musterstadt im sozialen Wohnbau wird von der ganzen Welt als Good-Practice-Beispiel angesehen, und das ist Wien, mit weit mehr als 40 Prozent der Wohnungen, die entweder Genossenschafts- oder Gemeindewohnungen sind. (Bundesrätin Schumann: Hört, hört!)
Frau Kittl ist sehr stolz darauf, ich auch im Übrigen. Kollegin Kittl durfte schon einmal in Deutschland davon erzählen, vor Hunderten von Menschen, die sehr lange dazu geklatscht haben. Sie selbst ist in einer Gemeindewohnung aufgewachsen, und ohne diese Gemeindewohnung wäre sie nicht dort, wo sie jetzt ist. Ich darf dazusagen: Ich wohne in einer Genossenschaftswohnung und auch das, Gott sei Dank, durch ein damaliges Darlehen der Stadt Wien.
Seit der Finanzkrise gingen die Wohnungspreise, Eigentum und Miete gleichzeitig, in Wien in schwindelerregende Höhen. Viele verdoppelten sich, in der Zwischenzeit verdreifachten sie sich. Das ließ natürlich auch Immobilienentwickler und -entwicklerinnen tüfteln, wie man zu günstigen Wohnungen kommt, um sie dann mit großem Gewinn weiterzuverkaufen. Genossenschaftswohnungen waren da ein unentdeckter Markt, den man sich einverleiben wollte. Es gab das bekannte Beispiel eines großen privaten Investors, der mutmaßlich mehrere gemeinnützige Bauvereinigungen mittels TreuhänderInnen gekauft hat, deren Sitz von Wien ins Burgenland verlegt hat und dort die Aberkennung der Gemeinnützigkeit beantragt hat.
Das wurde genehmigt, mit einer Bewertung der Immobilien, die sich als viel zu niedrig herausstellte. Der Investor konnte mit Wohnungen, die aus Mitteln der Allgemeinheit und mit dem Zweck, leistbaren Wohnraum für viele Menschen zur Verfügung zu stellen, sehr viel Gewinn machen. Das läuft eindeutig gegen den Willen des Gesetzgebers.
Heute nun wird die Revision präzisiert und erweitert sowie die Offenlegung von verwandtschaftlichen oder treuhandschaftlichen Naheverhältnissen in der Verwaltung oder Bauvereinigung gegenüber der Revision und der Aufsichtsbehörde eingeführt. Die Aufsichtsbehörde muss nun auch sogenannten Paketverkäufen zustimmen, das heißt, wenn mehr als drei Wohnungen oder Geschäftsräume verkauft werden. In Wien ist das Ziel, die günstige Miete zu erhalten. Hier wäre sehr stark darauf zu pochen, dass Grundstücke, die direkt oder indirekt der öffentlichen Hand gehören, nur mehr dem sozialen Wohnbau zur Verfügung gestellt werden, und wenn sie an gemeinnützige Bauvereinigungen vergeben werden, diese nur als Baurechte vergeben werden, denn das verhindert die Umwandlung in Eigentumswohnungen und ermöglicht den langfristigen Erhalt von leistbaren Mietwohnungen.
Das ist auch deshalb so wichtig, weil damit das Gesamtangebot an günstigen Mieten hoch bleibt. Die Mieten in Wien sind im weltweiten Vergleich für eine beliebte Großstadt verhältnismäßig günstig, und das deshalb, weil weit mehr als die Hälfte der Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen in Wien einen Preisdeckel haben und damit auch die Preisbildung am privaten Wohnungsmarkt beeinflussen beziehungsweise nach unten drücken. Wien ist, das ist so, eine Stadt der Mieten.
Am Land herrscht beim Wohnen die Form des Eigentums vor, daher tendiert man in den Bundesländern eher in Richtung Eigentumsaufbau. Aber auch hier soll die öffentliche Förderung nicht der Spekulation dienen, sondern dem Eigenbedarf. Daher wird heute auch die 15-Jahre-Spekulationsfrist auf neue geförderte Wohnungen, die sofort gekauft werden, ausgedehnt. Wird die Wohnung über dem Verkehrswert weiterverkauft, muss die Differenz zwischen Verkehrswert und Kaufpreis, also der Gewinn, an die Bauvereinigung zurückgezahlt werden. Zur Absicherung erhält die gemeinnützige Bauvereinigung ein Vorkaufsrecht. Zusätzlich werden diese sofort erworbenen Wohnungen 15 Jahre unter den Vollanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes gestellt, damit gilt der Richtwert.
Ich weiß, das sind keine großen Sprünge, aber es sind Zeichen, die eindeutig gegen Spekulation und für leistbaren Wohnraum sprechen. Daher bittet Frau Kollegin Kittl, aber auch ich, Sie, liebe SPÖ, um Ihre Zustimmung. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)
17.34
Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Herr Bundesminister Dr. Martin Kocher hat sich zu Wort gemeldet. – Bitte schön.