18.51

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsi­dent! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause via Livestream! Ja, ich wollte schon unbedingt mit unserem Herrn Bundesminister sprechen – darum meine Eile –, aber jetzt ist es ja so weit.

Kurz umrissen: Es gibt Licht und Schatten in dieser Gesetzesvorlage. Worum geht es genau? – Es geht um die semestrierte Oberstufe, um Maßnahmen, Möglichkeiten be­treffend Covid-19, um individuelle Lehrplanbestimmungen, um Wahlpflichtfächer, um die Bildungsanstalten für Leistungssport, um Lehrgänge für Elementarpädagogik, um Sprachkenntnisse von Lehrkräften an Privatschulen und um vieles andere mehr. Es geht also um viele unterschiedliche Themen, wenn man so will, um ein Sammelsurium an Themenbereichen.

Der eine oder andere Bereich ist durchaus als positiv zu bewerten, andere Bereiche sind dagegen leider wieder einmal als nicht genügend oder nicht zufriedenstellend im Lichte der jetzt kommenden Zeugnisverteilung zu bewerten.

Für uns wäre, glaube ich, eine getrennte Abstimmung in diesem Fall eine Möglichkeit, damit wir zumindest einem Teil hier unsere Zustimmung erteilen könnten, aber diese Möglichkeit haben wir im Bundesrat nicht, wie wir wissen, und diese Möglichkeit wollen offensichtlich auch die Regierungsfraktionen nicht, aber sei’s drum.

Kommen wir zunächst zur Überführung der Schulversuche Most, also der modularen Oberstufe, und Novi, der neuen Oberstufe mit verstärkter Individualisierung, wie es so schön heißt, ins Regelschulwesen! Für uns ist nicht wirklich nachvollziehbar, warum diese gesetzliche Implementierung wieder nicht flächendeckend umgesetzt wird. Schul­ver­suche dazu laufen ja bereits seit vielen Jahren, nämlich seit dem Schul­jahr 2005/2006. Es wurde also inzwischen, glaube ich, genügend evaluiert und optimiert, um einen tatsächlichen und echten Systemwandel angehen zu können.

Aus unserer Sicht ist es natürlich gut und sinnvoll, dass nicht gleich ein ganzes Schuljahr mit allen Gegenständen wiederholt werden muss, wenn ein Nicht genügend im Zeugnis steht, sondern dass nur das jeweilige Fach, in dem das Nicht genügend zum Tragen kommt, wiederholt beziehungsweise mit diesem einen Semester wiederholt werden muss. Das war auch immer eine Forderung der Sozialdemokratie.

Dass unter Umständen auch ein Fach in einem höheren Semester besucht werden kann, ist aus unserer Sicht eine gute Sache. Damit können vor allen Dingen auch Stärken und Interessen von SchülerInnen besser abgebildet werden.

Es bleibt ein Aber. Das große Aber bleibt nämlich aufgrund der Tatsache, dass jede einzelne Schule selbst im Schulgemeinschaftsausschuss, im SGA, entscheiden kann oder vielmehr muss, ob sie auf die Sost umstellen möchte oder nicht. Schulautonomie heißt es so schön. – Ja, eh.

In Wahrheit entsteht aber – und diese Befürchtung haben wir – ein gewisses Misch­masch an verschiedenen Schulsystemen, bei dem wir uns dann doch fragen: Wo bleibt die Vergleichbarkeit innerhalb dieses Systems? Wo bleibt die Transparenz, vor allen Dingen auch bei Übertritten in eine andere Schulform? Wo bleibt auch die Transparenz, was die Beurteilung betrifft?

Ein ganz konkretes Beispiel, bei dem Sie mir vielleicht eine Erhellung geben können: Wenn zum Beispiel ein Schüler aus einer semestrierten Oberstufe kommt, seinen Wohnsitz wechselt und dann in eine andere Schule gehen muss, die nicht modular geführt wird, wenn also dieser Schüler vielleicht dann noch Fächer eines anderen Semesters besucht hat, dann ist die Frage: Wie stellt sich ein Übertritt sinnvoll im Interesse und im Sinne des Schülers dar? Wie kann der vollzogen werden? Da bleibt ein großes Fragezeichen. Im Ausschuss haben wir dazu ganz eindeutig gehört, das Modell folgt der Schule, nicht dem Schüler. Wir haben auch gehört, man wird irgendwie Übertrittsregeln erarbeiten müssen, aber wie diese ganz konkret ausschauen sollen, bleibt offen.

Zu den individuellen Lehrplanbestimmungen: Es soll jetzt also möglich gemacht werden, dass Schulen ein schulindividuelles Kurssystem entwickeln, einzelne Bereiche aus den Fachlehrplänen herausnehmen und sie dann als neue Wahlpflichtfächer in den Fächer­kanon integrieren. Das ist insofern ebenso positiv, als dadurch natürlich Schülerinnen und Schüler ganz individuell nach Interessen, nach Stärken, auch nach ganz beson­deren Kompetenzen ihren individuellen Stundenplan gestalten können. So weit, so gut. Etwas Ähnliches leben wir auch bereits an meiner Schule, auch wenn es eine Mittel­schule ist. Das kann durchaus positiv sein.

Was mir persönlich aber in dem Gesetzentwurf gänzlich fehlt, sind Erläuterungen dahin gehend, wie Qualität sichergestellt werden kann. Da hat mir sogar der Experte im Ausschuss recht gegeben. Er hat überspitzt das Beispiel vom Hamsterweitwurf formu­liert. Also wenn man in der Schule das Wahlpflichtfach Hamsterweitwurf einführen möchte, wäre das theoretisch gesetzlich möglich. Die Frage ist nur, ob es qualitätsmäßig auch möglich ist. Er hat also bestätigt, dass da eine Form von Qualitätssicherung auf alle Fälle gewährleistet sein muss. Er hat aber auch hinzugefügt, dass die SQMs einen verstärkten Blick darauf haben werden müssen. Die werden sich dann, glaube ich, über eine zusätzliche Aufgabe sicherlich freuen.

Es bleiben also aus unserer Sicht Fragen über Fragen, viele Unklarheiten, und deshalb gibt es keine Zustimmung unsererseits dazu.

Noch ein Wort zu den Zahlen, die Sie in der letzten Nationalratssitzung genannt haben, nämlich betreffend das Förderstundenpaket. Sie haben ja da sozusagen die vielen zusätzlichen Förderstunden und Lehrerplanstellen angepriesen, die im vergangenen oder jetzt ablaufenden Schuljahr zur Verfügung gestellt wurden: Ja, es ist zumindest etwas in die richtige Richtung und zumindest ein bisschen etwas an Ressourcen, was da in die Hand genommen wird, aber aus meiner Sicht wird die Problematik durchaus verkehrt angegangen. Ich empfinde es eher als ein Kleben von Pflastern auf Wunden, aber die Ursache dieser Wunden wird nicht wirklich bekämpft.

Wenn ein Kind Lernschwierigkeiten in einem Fach hat, dann bekommt es zusätzlich Förderstunden. Das ist grundsätzlich gut. Ich denke aber – und da sind wir uns hoffent­lich einig –, es muss das Ziel sein, dass schon zu Beginn des Lernprozesses verstärkte Förderung möglich wird, damit eben nicht erst dann, wenn Schwierigkeiten auftreten, eingegriffen und reagiert werden kann, sondern schon von Beginn weg. Das heißt, es muss ganz vorne am Lernweg, schon in der Volksschule, beginnen.

Ich wiederhole deswegen auch noch einmal ganz laut unsere Forderung: Es braucht endlich eine flächendeckende Doppelbesetzung von Lehrkräften, zumindest in den ers­ten beiden Schuljahren, aber wenn möglich sogar in allen vier Jahren in der Volksschule und auch in den Mittelschulen, wo diese Doppelbesetzungen in den letzten Jahren ja sukzessive reduziert wurden. Das wäre ganz, ganz wichtig für eine wirkliche Individu­alisierung und Differenzierung, damit das auch wirklich gut über die Bühne gehen und umgesetzt werden kann.

Sie haben gesagt, es gibt dazu Verhandlungen mit den Ländern und mit dem Bund. Ich bitte darum, auch um wirklich rasche Verhandlungen. Für das kommende Schuljahr ist es ohnehin gelaufen – der Stellenplan steht –, aber für das übernächste Schuljahr wäre meine eindringliche Bitte, das wirklich rasch und eindeutig zu verhandeln.

Auch ein Thema im Ausschuss war die Sommerschule. Natürlich ist das gerade jetzt, am Ende des Schuljahres, ein heißes Thema. Jetzt soll diese ja auch schul­arten­über­greifend möglich sein, was auch grundsätzlich gut klingt. Wir haben aber gehört, sie soll jetzt vor allen Dingen von Lehramtsstudierenden betreut werden. Das stelle ich mir ein bisschen schwierig vor, ohne jetzt den Studierenden ihre Fähigkeiten abzusprechen, ganz im Gegenteil, die sind sicher hoch motiviert und freuen sich über Praxis, Übung und Erfahrung, die sie sammeln können. Stellen wir uns aber einmal die Situation vor: Es gibt eine Gruppe von 15 Jugendlichen, da sind Kinder aus der Volksschule, aus der Mittelschule oder aus der AHS dabei, Kinder, die Förderung in Deutsch brauchen, die Nächsten in Mathematik, dann wieder braucht einer Vorbereitung auf einen Wettbewerb oder eine Aufnahmeprüfung. Also ich stelle es mir schon sehr schwer vor, diesen unterschiedlichen Bedürfnissen wirklich gerecht zu werden.

Ja, es ist positiv: Jetzt sollen die Studierenden zumindest ein bisschen besser dafür entlohnt werden, nämlich statt mit 25 Euro mit 30 Euro. Auch das ist also zumindest ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Dennoch wage ich aber zu bezweifeln, dass die Studierenden auch wirklich die pädagogische Routine schon mitbringen. Vor allen Din­gen werden sie auch noch nicht die Sammlung an Material für solche unterschiedlichen Bedürfnisse zur Verfügung haben. Insofern darf ich an Sie ganz konkret die Frage richten, wie in diesem Zusammenhang die nötige Qualität sichergestellt werden kann.

Noch ein letzter Punkt zum Schulpaket, das Sie angekündigt haben: Demnach sollen ja künftig JunglehrerInnen auch aufgrund ihrer fehlenden Praxisausbildung nicht mehr fachfremd eingesetzt werden können, was zunächst einmal gut klingt, man nimmt also Rücksicht darauf. In der Praxis hat das aber auch wieder den einen oder anderen Haken.

Man stelle sich beispielhaft einen Kollegen vor, der in Spanisch und Musik geprüft ist. Wie setzt man so einen Kollegen voll, also mit einer vollen Lehrverpflichtung, in einer kleinen Mittelschule ein? Oder: Wie setzt man eine Kollegin ein, die in Latein und BU geprüft wurde, wenn es zum Beispiel Latein an einer Mittelschule gar nicht gibt? Wie das in kleinen Mittelschulen überhaupt funktionieren soll, ist und bleibt mir persönlich ein Rätsel. Müssen dann erfahrene Lehrkräfte ihre Lehrverpflichtung vielleicht sogar redu­zieren, weil die Schulen in ihren Gegenständen womöglich gar keine Stunden mehr übrig haben? Wie soll das funktionieren? Mir ist das wirklich nicht klar. Was macht man mit einem Kollegen, wenn man beispielsweise einen Mathematiker braucht und einen Ger­manisten bekommt?

Diese Fragen stellen sich wie gesagt in Zeiten akuten Lehrerinnen- und Lehrermangels. Ich glaube, das ist kurzsichtig und zeigt leider einmal mehr eine eher mangelnde Wert­schätzung für die Lehrkräfte.

Von der Ankündigung der Ankündigung bezüglich des Schulstarts im Herbst in puncto Corona spreche ich gar nicht und vom Chaos bei der Geräteinitiative und den Windows-Tablets auch nicht. Leider war das eher ein Spektakel, muss man sagen. Ich habe es Ihnen in der letzten Sitzung schon gesagt, verbunden mit meinem Wunsch oder meiner Hoffnung, dass das bis Ende des Schuljahres noch besser wird. Leider ist dieser Wunsch nicht in Erfüllung gegangen, aber sei’s drum.

Abschließend, weil ja bereits übermorgen im Osten Österreichs und nächste Woche im Westen das Schuljahr zu Ende geht: Die letzten zweieinhalb Schuljahre waren mehr als anstrengend und herausfordernd für alle Beteiligten und, glaube ich, alles andere als normal. Sie haben den SchülerInnen, aber auch den LehrerInnen und den LeiterInnen alles abverlangt und sie wahrscheinlich schon das eine oder andere Mal an ihre Grenzen gebracht.

Ich wünsche daher allen Schülerinnen und Schülern wunderbare, erholsame Sommer­ferien. Ich glaube, ein bisschen Abschalten darf jetzt wirklich einmal sein. Auch den Lehr­kräften und den SchulleiterInnen wünsche ich ein paar Wochen, in denen die Batterien wieder aufgeladen werden können. Sie alle leisten, glaube ich, unter den gegebenen Umständen tagtäglich Großartiges. Dafür sage ich ein großes Dankeschön, und ich wün­sche Ihnen einen geordneten, planbaren und guten Start ins neue Schuljahr im Herbst, damit dann auch wirklich mit Freude und mit Elan gelernt und gelehrt werden kann. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

19.03

Vizepräsident Günther Novak: Vielleicht können wir den nächsten Rednerinnen und Rednern wieder mehr Aufmerksamkeit zuwenden.

Eine Rednerin ist es in diesem Fall: Frau Mag. Dr. Doris Berger-Grabner. – Ich erteile Ihnen das Wort.