11.02

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Ich glaube, ich bin tatsächlich der letzte Zeitzeuge, der hier im Jahr 1996 Bundesrat Michael Ludwig erlebt hat. (Heiterkeit des Landeshaupt­mannes Ludwig.)

Es wäre jetzt natürlich übertrieben, wenn ich sagen würde, ich kann mich an die Reden des Bundesrates Ludwig genau erinnern, was ich aber in Erinnerung habe, ist, dass er ähnlich wie heute relativ sachlich an die Dinge herangegangen ist, und Aufregung war auch nicht notwendig, denn wir, SPÖ und ÖVP, waren ohnehin in einer Koalition. Er war so ein Redner, bei dem man auch gemerkt hat, dass er ein paar Bücher selber gelesen hat, also nicht nur das Vorgeschriebene, eigentlich so wie jetzt Sascha Obrecht, aber nicht so frech wie dieser. (Beifall bei der ÖVP. – Heiterkeit der BundesrätInnen Obrecht, Zwazl und Schreuder.)

Das ist sozusagen meine Erinnerung an den damaligen Bundesrat. Was ich auch in Erinnerung habe, war dann deine Einladung in den SPÖ-Klub an dem Tag, an dem du dich aus dem Bundesrat verabschiedet hast, weil es für mich sonst nicht vorkommt, in den SPÖ-Klub eingeladen zu sein. Daher kann ich mich daran erinnern. (Bundesrätin Zwazl: Das ist eine Anregung! – Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrätin Grimling: Gerne! Gerne!) – Nein, nein, das ist nicht notwendig. (Ruf bei der ÖVP: Ich tät schon gern einmal kommen! – Bundesrat Schennach: Ich höre den Wunsch!) Es war damals ein Abschiedsbuffet eingerichtet. Er war schon immer ein nicht ungemütlicher Typ. (Hei­terkeit bei der SPÖ sowie des Landeshauptmannes Ludwig.)

Was ich sagen möchte, ist: Ich habe halt Wien von einer anderen Seite kennengelernt. Ich bin halt nicht als sozialdemokratisches Kind aufgewachsen (Bundesrat Schreuder: Ich auch nicht!), habe eigentlich auch in meiner Schulzeit damals die Situation erlebt, dass wir sowohl in Wien als auch im Bund in Opposition waren. Als ich begonnen habe, mich politisch zu engagieren, war die ÖVP eine reine Oppositionspartei, auch wenn sich das heute manche nicht mehr vorstellen können.

Ich habe schon den Eindruck – das war meine Erfahrung der letzten Jahre –, dass Op­position in Wien zu sein und Opposition im Bund zu sein unterschiedliche Dinge sind. Gerade so, wie ich die Opposition gerade in den letzten Jahren auch mit den gesamten sehr, sehr persönlichen Angriffen gegen Regierungsmitglieder – ich erinnere mich an Angriffe gegen Sebastian Kurz, aber auch gegen andere Minister – oft auch hier im Par­lament erlebt habe, so habe ich nicht in Erinnerung, dass wir als Wiener ÖVP umgekehrt einen solchen Stil im Rathaus pflegen würden. Das ist zum Beispiel ein sehr großer Unterschied.

Ich habe mir das zum Beispiel auch öfter gedacht, wenn ich zum Teil infantile Ge­schichten – wie Menschen, die mit Kurz-muss-weg-Buttons herumrennen – erlebt habe. Dann habe ich darüber nachgedacht, ob ich mir vorstellen kann, als Wiener Opposi­tioneller mit einem Ludwig-muss-weg-Button herumzurennen. Ich muss sagen: Nein, ich würde mir lächerlich vorkommen, zumal meine Partei jedes Mal auch selbstständig, na­türlich im Mitbewerb zur SPÖ, angetreten ist, es mir aber selbstverständlich nicht schwerfällt, Wahlergebnisse anzuerkennen. Da hat auch Michael Ludwig selber, als er dann als Spitzenkandidat angetreten ist, ein Ergebnis erreicht, das ihm jedes Recht ge­geben hat, hier Bürgermeister zu sein und wieder Bürgermeister zu bleiben.

Ich erinnere mich eigentlich sehr gut an eines seiner ersten Statements – ich weiß nicht, ob es das erste Statement nach den Wienwahlen war –, bei dem Michael Ludwig gesagt hat: Wir als Sozialdemokratie sind zweimal so stark wie die ÖVP, wir sind dreimal so stark wie die Grünen und wir sind sechsmal so stark wie die NEOS. Das hat er ganz selbstbewusst gesagt. Dann ist er in sich gegangen und hat nachgedacht. Eine Woche später ist er wieder vor die Medien getreten und hat gesagt: Okay, wir machen es mit den NEOS.

Auch das ist legitime Machtpolitik. Hand aufs Herz: Ich muss sagen, ich weiß nicht, wer bei der heutigen Debatte hier im Raum, bevor Kollege Arlamovsky ans Rednerpult getre­ten ist, irgendwann einmal an die NEOS gedacht hat. (Allgemeine Heiterkeit.) Ich weiß es nicht. Wer? Bitte aufzeigen!

Ich muss sagen, es ist auch anzuerkennen, dass wir in Wien eine SPÖ-Alleinregierung mit einem kleinen NEOS-Tupfen haben. (Bundesrat Egger: Wie in Salzburg!) Kollege Arlamovsky ist natürlich intelligent genug, dass er auch dieses Programm kennt und hier Teile davon referieren kann. Im Wesentlichen ist es aber so, dass in Wien natürlich nie­mand merkt, dass es eine andere Partei, die regiert, gibt als die SPÖ.

Was mir eigentlich wichtig ist und was ich in diesem Zusammenhang zwischen Bundes­politik und Landespolitik auch herausstreichen möchte, ist das Bild, wenn ich mir vorzu­stellen versuche – unabhängig von der Regierungskonstellation, die wir im Bund ha­ben –, dass Maßnahmen beschlossen worden wären und es gäbe einen Statusbericht wie den jetzigen und wir hätten sozialdemokratische Minister oder eine sozialdemokrati­sche Regierung. Also sagen wir, wir hätten in Österreich mehr Beschäftigte denn je, wir hätten vier Millionen Arbeitnehmer mehr in Beschäftigung als je zuvor, wir hätten eine Coronakrise gehabt und es wäre dabei gelungen, eine Massenarbeitslosigkeit zu ver­hindern, so wie das eben der Fall gewesen ist, dann könnte ich mir das wunderbar bild­haft vorstellen: Ein Sozialminister à la Rudi Hundstorfer – Gott habe ihn selig – würde hier stehen und sagen: Wir haben in Österreich mehr Beschäftigung als je zuvor. Wir haben die Massenarbeitslosigkeit verhindert, im Gegenteil: Wir haben jetzt ein höheres Wirtschaftswachstum als viele vergleichbare andere Länder. Das ist sozialdemokrati­sche Handschrift! Gratuliere uns, SPÖ! Danke, SPÖ, denn sonst hätte es das an sozialer Wärme in diesem Land nicht gegeben! Gut, dass die SPÖ in der Regierung ist! – Allein, wir können zu solchen Fakten auch kommen, ohne dass die SPÖ in der Regierung ist.

Und auch Folgendes ist ein Punkt, den ich jetzt in Bezug auf die Landesgruppe der SPÖ Wien hier ansprechen möchte: Der Bürgermeister ist ein klassischer Wiener Bürgermeis­ter, ist ein gemütlicher Bürgermeister. Die heißen auch immer Michel in Wien, haben auch vorher schon Michel geheißen, heißen jetzt Michel und sind immer umgängliche Michel. (Allgemeine Heiterkeit. – Bundesrat Schreuder: Helmut, Leopold! Ja!) Die da­hinter aber, die Mandatare, sind nicht immer so umgänglich und nicht immer so freund­lich.

Da möchte ich nur kurz das Bild zeichnen – also das ist ein ganz arges Schreckens­szenario und wird eh nicht so schnell passieren –, was wäre, wenn in Wien nicht die SPÖ regieren würde. (Bundesrat Schennach und Bundesrätin Schumann: Das ist ein Schreckensszenario!) Stellen wir uns vor, es würde eine andere Partei in Wien regieren, zum Beispiel die schlimme ÖVP (Bundesrat Schennach: Das ist leider nicht vorstell­bar!), und dann würde man feststellen, man gibt 30 Millionen Euro für Werbung aus, für Marketing und Werbung, nur für die Stadt alleine. Da würden SPÖ-Mandatare ans Red­nerpult kommen, die Luft würde ihnen wegbleiben und die Brust ihnen zusammenge­schnürt sein. Sie würden sagen: Wie kann das passieren? 30 Millionen Euro für Wer­bung, Marketing, PR?! (Bundesrätin Hahn: Das ist ein Lercherl gegen Niederösterreich, so nebenbei!) Wisst ihr, was das für einen kleinen Haushalt und für die armen Menschen, die sich das Heizen und das Wohnen und die Miete und das Leben nicht mehr leisten können, bedeutet, wie die gekränkt sind, dass diese Stadt 30 Millionen Euro alleine für Marketing und Werbung ausgibt? (Bundesrätin Hahn: Schauts einmal nach Niederöster­reich!)

Oder was glaubt ihr, wie schockiert Sozialdemokraten wären, wenn man draufkommen würde, dass bei einem Bauprojekt über 300 Millionen Euro an Mehrkosten entstehen?! – Entsetzen würde herrschen. (Landeshauptmann Ludwig: Schau ma mal aufs Parla­ment! – Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.) – Na und wer hat denn das mitbeschlossen? Das Parlament, das bringst du jetzt ernsthaft als Beispiel? Das Parlament? – Also die Beschlussfassung betreffend die Kosten im Parlament war ja eigentlich eines der sel­tenen Dinge, die wirklich alle Parteien gemeinsam getroffen haben. (Bundesrätin Grim­ling: Na wir werden sehen, wie es ausgeht!)

Letztes fiktives Beispiel – ich höre dann schon auf –: Gehen wir davon aus, es würde in irgendeinem Chat gefunden werden, dass jemand einen Job bekommen hat, weil er mit dem Bürgermeister (Bundesrat Preineder: Beim Heurigen war!) – nennen wir irgendei­nen Namen, Huber Maxl – gesprochen hat. Deswegen ist er jetzt Patientenanwalt. Also ich glaube, da würde Schockstarre sein und Herrn Krainer würden im U-Ausschuss die Augen herausspringen. (Bundesrat Reisinger: Kein Mensch versteht das!)

In Wien ist es so: Da sagt derjenige, der Patientenanwalt geworden ist, Wolfgang Zan­ger, ganz einfach im Ausschuss auf die Frage, wieso er jetzt Patientenanwalt geworden ist: Na ja, ihm war in der Pension ein bissel fad. Da hat er den Michel Ludwig getroffen und hat ihm das gesagt, und jetzt ist er halt Patientenanwalt. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP. – Landeshauptmann Ludwig: Das hat er aber nicht gesagt! Ich kenne den gar nicht!)

Na selbstverständlich hat es eine Ausschreibung gegeben mit Headhunter und Shortlist und Very Short List, und am Schluss ist der herausgekommen, der den Michel kennt, wobei ich sagen möchte: Ich kenne den Patientenanwalt – ich glaube, er heißt Gerhard Jelinek – persönlich nicht, und ich schließe auch gar nicht aus, dass er die beste Qua­lifikation hat, ich möchte das nur als Beispiel dafür bringen, wie oft mit unterschiedlichem Maß gemessen wird.

Es sind heute auch schon andere Dinge angesprochen worden. Was die Problematik der Wien Energie betrifft, darf ich dazu ergänzen, dass es gerade, was die Wien Energie betrifft, einige sozialdemokratische Politiker und auch Stadträte waren, die besonders betont haben, wie wichtig es ist, dass die Wien Energie immer in hundertprozentigem Eigentum der Gemeinde Wien bleibt, weil man dann ja Kontrolle über die Preise und so weiter hat. Jetzt gibt es eben diese 92-prozentige Erhöhung – zugegeben, wie auch in anderen Bundesländern –, aber dieser Effekt, dass man sagt: Ja, wir haben das dann unter Kontrolle, und wir haben dann halt auch die Preise unter Kontrolle, der hat natürlich nicht stattgefunden.

Wien ist die geilste Stadt der Welt, da sind wir uns eh alle einig. Dennoch gibt es da natürlich auch Probleme, die heute sehr wenig angesprochen worden sind, eigentlich nur von meiner Kollegin, aber auch von Kollegen Hübner. Das ist die Zuwanderung in Wien. Die Probleme bei der Integration sind einfach tatsächliche Probleme, die man nicht wegwischen kann.

Ich erwarte mir von den Mandataren der Wiener SPÖ jetzt nicht, dass sie dafür das nächste Mal, wenn Karl Nehammer kommt, diesem so huldigen wie heute Michael Lud­wig, weil ja nicht nur Wien so schön ist, sondern auch Österreich, denn wir alle lieben ja auch Österreich, wir lieben ja nicht nur Wien, wir finden ja auch Österreich wunderbar und den Großglockner und die Alpen und alle unsere Städte und so weiter. (Bundesrat Steiner: Das Zillertal!)

Das wird nicht passieren, das ist auch nicht notwendig. Gerade weil Politiker wie Michael Ludwig es sehr geschickt verstehen, mit mehreren und unterschiedlichen Meinungen auch einen Konsens zu finden, und es auch sehr geschickt verstehen, einen ordentlichen Umgang miteinander zu haben, wünsche ich mir eben auch von Mitgliedern seiner Partei – er ist ja letztendlich auch der Vorsitzende der wichtigsten SPÖ-Landesgruppe ‑, dass diese Attribute, die man ihm als Landeshauptmann zurechnet und die man ihm im persönlichen Umgang und in der Art und Weise, Politik zu machen, zurechnet, auch in diesen Gliederungen ein Stück weit stattfinden.

Vizepräsident Bernhard Hirczy: Ich möchte an die freiwillige Redezeit erinnern.

Bundesrat Mag. Harald Himmer (fortsetzend): Zu guter Letzt – das muss ich trotzdem noch sagen – wünsche ich dem Vorsitzenden der Landeshauptleutekonferenz natürlich für das nächste halbe Jahr eine glückliche Hand und ein erfolgreiches Wirken. Natürlich bin ich davon überzeugt, dass er alle Professionalität – beginnend natürlich mit seiner Ausbildung im Bundesrat – dafür hat, das entsprechend erfolgreich zu bewerkstelligen. Dafür viel Glück! (Beifall bei der ÖVP.)

11.17

Vizepräsident Bernhard Hirczy: Danke, Herr Bundesrat. Ich darf die Gäste auf unserer Galerie begrüßen, den ehemaligen Vizepräsidenten aus der Steiermark, Herrn Hubert Koller, mit Freunden aus der Steiermark. (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Spanring. – Bitte, Herr Bun­desrat.