16.43

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätz­ter Herr Minister! Werte Damen und Herren auf der Galerie! Geschätzte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin als Kontrarednerin eingetragen, aber wir als sozialdemokratische Fraktion werden dieser Gesetzesvorlage, also TOP 11, zustimmen.

Wir stimmen aber nicht zu, weil es so ein tolles Gesetz ist, so toll gemacht ist, leider nein, sondern, ich würde eher sagen, vielmehr trotz etlicher Kritikpunkte, die wir hier anzu­bringen haben. Aber wir stimmen zu, dass zumindest ein bissel was in diesem Bereich passiert.

Wir wissen, Schulen sind schon lange nicht mehr ein Ort der reinen Wissensvermittlung oder der Kompetenzerweiterung, wie auch immer man das formulieren möchte. Da geht es auch um viele, viele andere Kompetenzen, um soziale Kompetenzen, um die viel zitierten Soft Skills wie Teamfähigkeit, Ausdauer, Belastbarkeit, Achtsamkeit, Lösungs­orientierung und vieles andere mehr.

Vielfach sind LehrerInnen auch die ersten Ansprechpersonen, wenn SchülerInnen mit den unterschiedlichsten Problemen umgehen müssen, sei es Mobbing, die Scheidung der Eltern und vieles andere mehr. Gleichzeitig aber müssen Lehrerinnen und Lehrer ebenso wie natürlich auch Schulleiterinnen und Schulleiter immer mehr administrative Tätigkeiten übernehmen, wodurch dann oftmals eben genau diese so wichtige soziale Komponente im schulischen Alltag viel zu kurz kommt und oftmals dann Lösungen nicht rechtzeitig gefunden werden können, weil eben leider keine Zeit bleibt. – So viel einmal sozusagen zum Problemaufriss.

Ich muss dazusagen: Die Sozialdemokratie hat ja immer wieder, sowohl im Nationalrat als auch hier im Bundesrat, darauf aufmerksam gemacht. Darum sehen wir jeden kleinen Puzzlestein, der in die richtige Richtung geht, einmal grundsätzlich positiv. Aber schauen wir uns einmal ganz konkret an, worum es hier in diesem Bildungsinvestitionsgesetz konkret geht: Zum einen geht es da um Unterstützungspersonal im administrativen Be­reich, um zusätzliches Personal in der Schulsozialarbeit, es geht um Restmittel des Bil­dungsinvestitionsgesetzes, also was den Ausbau von ganztägigen Schulformen und der schulischen Tagesbetreuung betrifft.

Man muss sagen, in den Erläuterungen, die wir uns natürlich ganz genau angeschaut haben, klingt das auch wirklich großartig. Es wird also irrsinnig viel Geld für die Schulen in die Hand genommen, wie es da so heißt, und es wird den Schulen mit so großartig viel Personal bei der administrativen Arbeit unter die Arme gegriffen. Halleluja, müsste man da schon fast sagen. Aber wie leider so oft: Man muss unter die groß angekün­digten Überschriften schauen, um leider wieder einmal festzustellen: Es ist nicht alles Gold, was zunächst so glänzend daherkommt.

Ich habe mir nämlich auch die Stellungnahmen der Länder ganz genau angeschaut, die dazu eingetroffen sind. Da haben wir zunächst einmal eine Stellungnahme der Stadt Wien. Diese sieht sich zum Beispiel bei den administrativen Assistenzen stark benachtei­ligt im Vergleich zu anderen Bundesländern, und zwar aus einem Grund: weil nämlich die Stadt schon wesentlich früher erkannt hat, dass es hier Bedarf gibt und das Projekt gemeinsam mit dem AMS einfach schon früher zu laufen beginnen hat lassen, und dadurch entstehen im Vergleich zu den anderen Bundesländern ganz beträchtliche Mehrkosten. Also einmal mehr wird die Stadt Wien da für ihre Weitsicht, in dem Fall im Bildungsbereich, bestraft. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Dann haben wir das Land Kärnten. Das kritisiert ja zum Beispiel, dass diese Gesetzes­vorlage gänzlich – ich zitiere hier aus der Stellungnahme – „im Alleingang“ und „nicht mit den Ländern abgestimmt“ erstellt wurde.

Auch Kärnten weist darauf hin, dass hier ein Delta bei der Finanzierung hinzunehmen ist, nämlich immerhin ein Minus von 250 000 Euro an Bundesförderung. Was bedeutet das für Kärnten? Dass 40 Schulstandorte nicht mit administrativen Assistenzen ausge­stattet werden können. Es können in diesem Fall nur noch 35 Dienstposten pro Schuljahr finanziert werden und nicht mehr wie bisher 50 Dienstposten. Für das Land Kärnten ist außerdem unklar, wo diese administrativen Kräfte dann angestellt sein werden – beim Land, beim Bund, bei den Gemeinden? Das wird nicht konkret ausgeführt.

Wer jetzt aber glaubt, das sind eh nur Beschwerden der roten Länder, die hier etwas zu kritisieren haben, der irrt ganz, ganz gewaltig, denn da gibt es zum Beispiel auch noch die Stellungnahme der Steiermark, und die ist, muss ich wirklich sagen, streckenweise wirklich vernichtend. Ich habe zum Beispiel alles markiert, was hier kritisiert wird (ein Schriftstück in die Höhe haltend), und viel Unmarkiertes bleibt hier leider nicht mehr.

Da wird zum Beispiel auch – und das ist auch wieder etwas, was sich leider in dieser Regierungsperiode bis dato durchzieht wie ein roter Faden – die extrem kurze Begut­achtungsfrist kritisiert, in dem Fall von nur einer Woche; das heißt, hier können die Kost­en kaum abgeschätzt und nachgerechnet werden.

Was ich persönlich auch so gar nicht nachvollziehen kann – und auch nicht das Land Vorarlberg, auch nicht Kärnten und auch nicht die Steiermark, die sehen das genauso kritisch wie ich –, ist die Tatsache, dass die Budgetmittel und die Verteilung von psycho­sozialem Unterstützungspersonal, also von SchulsozialarbeiterInnen, an die Anzahl an außerordentlichen Schülerinnen und Schülern gebunden werden.

Ich habe heute schon einige dramatische Zahlen, was gerade auch die psychische Ge­sundheit von Jugendlichen betrifft, berichtet. Wenn Sie sich erinnern: Mehr als die Hälfte aller Jugendlichen zeigt depressive Symptome und Angstzustände. Also nicht böse sein, aber das sind bei Weitem nicht nur jene SchülerInnen mit außerordentlichem Status, wenn das mehr als jeden zweiten Schüler und jede zweite Schülerin betrifft.

Und ich muss es noch einmal sagen: Gerade SchulsozialarbeiterInnen können unter Umständen auch erste Anzeichen für ein derartiges Risiko erkennen und dann gege­benenfalls auch Maßnahmen mit den Eltern vereinbaren, veranlassen, wie auch immer.

Ich habe im Ausschuss auch an die ExpertInnen die Frage gestellt, warum das gesetzlich derartig miteinander verknüpft wird, und habe zunächst einmal keine Antwort erhalten. Wir haben dann immerhin eine Antwort per Mail nachgereicht bekommen, aber für mich ist die eher an den Haaren herbeigezogen, muss ich leider sagen. Hier heißt es zum Beispiel:

Im Hinblick auf die möglichst zielgerichtete Verteilung der Mittel in Abhängigkeit von den konkreten Bedarfen der Länder beziehungsweise Bildungsdirektionen stellen daher die ao. SchülerInnenzahlen in ihrer Gesamtheit eine trotz schwankender ao. SchülerInnen­zahlen zwischen den einzelnen Schuljahren eine in Summe stabile Indikation für die Mit­telverteilung sowie die Bedarfslage dar – und so weiter, und so fort. Dann wird weiters auch der Chancenindex ins Treffen geführt.

Das würde dann aber im Umkehrschluss auch bedeuten, dass an Schulen, in denen es keine außerordentlichen Schülerinnen und Schüler gibt, kein Bedarf an Schulsozialarbei­terInnen bestehen würde. Also ganz ehrlich, das ist wirklich völlig an der Realität vorbei und hat mit einem echten Chancenindex gar nichts zu tun.

Eine kleine Randbemerkung auch noch: Ich habe das Gefühl, man reduziert hier – be­wusst oder unbewusst, das sei jetzt dahingestellt – den Bedarf an diesem Personal auf so vielen Ebenen in Wahrheit wieder einmal auf eine Flüchtlings- und Einwanderungs­thematik, die es so, in dieser Form einfach nicht ist.

Abschließend, Herr Minister: Ich unterstelle Ihnen einfach einmal, dass diese Gesetzes­vorlage wirklich gut gemeint ist, aber gut gemeint ist halt nicht immer auch gut gemacht. Wie schon angekündigt werden wir trotz unserer Kritik zustimmen, damit sich zumindest ein kleines Puzzlesteinchen in die richtige Richtung entwickeln kann und zumindest ein bissel was von diesen vielen, vielen zusätzlichen Herausforderungen an den Schulen auch abgefedert werden kann, rechtzeitig hoffentlich. Aber, Herr Minister, im Sinne der SchülerInnen, im Sinne der LehrerInnen: Ich glaube, das müssen Sie sich noch einmal genauer anschauen. (Beifall bei der SPÖ.)

16.51

Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler. – Bitte.