10.23

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor allem liebe Jugend heute hier auf der Galerie, die Sie sich ein Bild vom lebendigen Parla­mentarismus machen! Hoffentlich nehmen Sie ein gutes Bild mit. Das wird vielleicht nicht immer so leicht möglich sein, aber so ist der parlamentarische Ablauf hier. (Bundesrat Himmer: So sind wir halt! – Bundesminister Brunner: Wir sind nicht so!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf und der dem zugrunde liegende Budgetentwurf folgen leider, muss ich sagen, einmal mehr dem Grundsatz: Wer hat, dem wird gegeben werden. Die Abschaffung der kalten Progression ist ja grundsätzlich begrüßenswert, aber es wurde bedauer­licherweise ein Modell gewählt, das Spitzenverdiener besonders profitieren lässt und Geringverdienerinnen billig abspeist. Ich habe hier jetzt bewusst gegendert beziehungsweise nicht gegendert, weil gerade Frauen die großen Verliererinnen des Budgets und auch dieses Gesetzes sind. Frauen und Kinder – das kann man voranstellen – sind die großen Verliererinnen und Verlierer.

Das ist jetzt nicht nur unsere Vermutung als SPÖ. Es ist auch nicht nur die Erkenntnis eines Instituts, das gerade von Regierungsseite gerne abgewertet, manchmal sogar diffamiert wird, nämlich des Momentum-Instituts, nein, wir haben auch beim Budgetdienst nachgefragt, der ja unser ureigenstes Hilfsorgan ist und dem hoffentlich alle Fraktionen hier vertrauen.

Unsere Nationalratskollegin Eva Maria Holzleitner hat beim Budgetdienst des Parlaments entsprechend nachgefragt und hat damit eigentlich die Arbeit gemacht, die Sie als Finanzminister schon hätten machen sollen, nämlich zu überprüfen, wie sich das Gesetz jeweils auf Frauen und Männer auswirkt. Man bezeichnet das mit dem Fachausdruck Genderbudgeting. (Bundesrätin Schartel: Ganz wichtig!) – Ja, stimmt, Frau Kollegin, das ist ganz wichtig. Es ist nämlich wirklich ganz wichtig, dass man überprüft, wie sich ein Gesetz auf die einzelnen Bevölkerungsgruppen auswirkt, wie die Verteilungswirkung aussieht. (Bundesrat Spanring: Wenn ihr nicht immer gendern tätet, wären wir schon bei TOP 3! – Heiter­keit bei der FPÖ.) Das ist ganz, ganz entscheidend für ein Gesetz: Wer profitiert von einem Gesetz und wer profitiert sozusagen nicht oder weniger von einem Gesetz? (Bundesrat Spanring: Das ist unsere Lebenszeit!)

Das ist nicht nur ein verfassungsrechtlicher Grundsatz, den wir vor vielen Jahren mit großer Mehrheit gemeinsam beschlossen haben - - (Bundesrätin Schartel: Was ist denn das Genderbudgeting? Da muss ich ...!) – Sie waren offensichtlich nicht dabei, aber die Grünen waren jedenfalls dabei, auch die ÖVP war dabei und hat dieses Genderbudgetingprinzip mitbeschlossen. Davon ist heutzutage aber anscheinend nicht mehr oft die Rede. Das wird auch nicht mehr als verbindlich angesehen, weil dieses Gesetz sonst anders aussehen würde. Sonst würde auch das Budget anders aussehen und hätte so nicht passieren dürfen.

Was sagt nun der Budgetdienst? – Frauen profitieren weit weniger als Männer. Das Gesamtvolumen der Reform kommt nämlich zu 60 Prozent Männern und nur zu 40 Prozent Frauen zugute. Dieses Gesamtvolumen ist dabei zum einen aus der Komponente Abschaffung der kalten Progression zusammengesetzt. Das muss man fairerweise auch in der Gesamtbetrachtung mitberücksichtigen. Auch die Valorisierung mancher Sozialleistungen, die ja auch vorgenommen wurde, ist durchaus begrüßenswert – mancher Sozialleistungen, eben nicht aller. Trotzdem ergeben diese – gemeinsam betrachtet – so eine Verteilungswirkung. Das ist auch nicht überraschend, weil Frauen in den oberen Einkommensstufen kaum oder viel weniger vorkommen, dort aber die großen Volumina bewegt werden. (Vizepräsident Hirczy übernimmt den Vorsitz.)

Wenn sich die Bundesregierung dafür auf die Schulter klopft, dass sie für die unteren Einkommensstufen die kalte Progression für 2023 ja großzügigerweise jetzt schon um 6,3 Prozent ausgleicht und dementsprechend die Steuertarife anpasst, so muss dem entgegengehalten werden, dass die Inflation, wie wir wissen, mindestens 10,5 Prozent beträgt. Es ist also immer noch eine Kürzung – und das gerade bei einer Einkommensgruppe, die sich mit den Teuerungen ohnehin sehr, sehr schwertut. (Bundesrat Himmer: Das hat aber die SPÖ nie gesagt, dass sie nur für die Abschaffung der kalten Progression von Frauen ist! Die Position ist unbekannt!)

Weiters stellt der Budgetdienst fest, dass auch viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Kindern jetzt nichts von dieser Abschaffung der kalten Pro­gression merken werden, weil ihre Steuerlast schon durch den Familienbonus reduziert wurde, der ja nicht negativsteuerfähig ist, wie wir wissen. (Bundesrat Himmer: Also fordern Sie die Abschaffung der kalten Progression nur für Frauen? Ist das Ihre Position? – Heiterkeit des Bundesministers Brunner.)

Diese sehr einkommensschwachen Haushalte, die besonders unter der Teuerung leiden, gehen also durch diese Maßnahme leer aus. Das sind besonders viele Alleinerzieher:innen, Herr Kollege, die bei dieser Teuerung nicht mehr wissen, wie sie über die Runden kommen sollen. Die scheinen Ihnen anscheinend wurscht zu sein. (Bundesrat Himmer: Das ist bei den SPÖ-Vorschlägen auch nicht vorgekommen, dass nur die Frauen von der kalten Progression profitieren sollen! Das haben Sie vergessen, einzubringen, diese Vorschläge! Welche Vorschläge haben Sie da gebracht? – Bundesrätin Schartel: ... Genderbudgeting!) Da möchte ich Ihnen auch eine Umfrage mitgeben, nämlich der Plattform für Alleinerziehende, die zutage gebracht hat, dass 50 Prozent der Alleinerzieher:innen sich beim Kauf von Nah­rungsmitteln einschränken müssen – also beim Notwendigsten, gerade für die Kinder.

Viele Familien – auch das ist erst unlängst von unserer Präsidentin in ihrer Funktion als ÖGB-Frauenvorsitzende thematisiert worden – melden ihre Kinder von der schulischen Nachmittagsbetreuung ab, weil sie sich das teurer gewor­dene Mittagessen einfach nicht mehr leisten können. Gerade im Zuge der Teuerungen sind da Auswirkungen für die Bevölkerung feststellbar, die so ein­fach nicht mehr tragbar sind.

Daneben wird auch der Flaf, der Familienlastenausgleichsfonds, weiter ausge­höhlt, indem der Dienstgeberbeitrag von 3,9 auf 3,7 Prozent abgesenkt wird. Das bedeutet auch im Gesamtvolumen eine Reduktion von 1,5 Milliarden Euro gerade in einer Zeit, in der dieser Fonds, der ja wichtige Aufgaben wie zum Beispiel die Finanzierung der Schüler:innenfreifahrt zu erfüllen hat, die immer schwerer fällt, besonders beansprucht wird. Gerade in den ländlichen Regionen gibt es immer mehr Probleme mit der Finanzierung. Auch da müssen wieder die Eltern einspringen – und das bei der gesamten Teuerungssituation. (Beifall bei der SPÖ.)

Nicht nur wir orten Zweifel an der Gerechtigkeit und Ausgewogenheit dieses Gesetzes und dieses Budgets. Auch Vertreter der kleineren Regierungspartei wollten es genauer wissen. Der Budgetsprecher und Klubobfraustellvertreter der Grünen im Nationalrat stellte eine schriftliche Anfrage an den Budgetdienst genau hinsichtlich der Verteilungswirkung und musste erfahren, dass das obere Fünftel 30 Prozent des Entlastungsvolumens bekommt, das unterste Fünftel aber nur 9 Prozent. Da muss ich Sie schon fragen: Ist das gerecht?

Wer hat, dem wird gegeben werden: Das ist wieder das offensichtliche Prinzip dieses Budgets. Das gilt jedenfalls für die ersten zwei Drittel des Gesamtvolu­mens, das schon verplant ist. Was das verbleibende Drittel angeht, so ist das anscheinend ein Überraschungsei, weil es eben noch keine gesetzliche Vorgabe dafür gibt, wie das dann tatsächlich auszugeben ist. Da wäre es natürlich schon möglich gewesen, diesbezüglich Parameter einzuziehen: dass eben nach sozial­politischen Leitlinien zu vergeben ist und nach Armut vermeidenden Gesichts­punkten vorzugehen ist.

Was das Schlimmste ist, meine sehr geehrten Damen und Herren: Es fehlt die Gegenfinanzierung. Es wird viel Geld verteilt – hauptsächlich von unten nach oben –, aber wer wird das alles bezahlen? – Wahrscheinlich wieder einmal die vielen da unten, wenn beim Sozialstaat gespart werden muss, den die Schwäche­ren, die Personen mit niedrigen Einkommen, die Kinder und Jugendlichen und die Studierenden besonders brauchen. Da zeigt sich wieder einmal: Es ist eine Umverteilung von unten nach oben.

Man hätte es anders machen können und auch anders machen müssen. (Beifall bei der SPÖ.) Man hätte den untersten Einkommensbezieher:innen die Teuerung zur Gänze abdecken können. Da wäre dann auch die Genderbudgeting­verpflich­tung zu erfüllen gewesen. Man müsste dringend die Preisexplosion stoppen, anstatt sie mit der CO2-Bepreisung noch weiter anzuheizen. Die Mehrwert­steuer auf Grundnahrungsmittel gehört sofort ausgesetzt, die Mietensteigerungen gestoppt und endlich ein Gas- und Strompreisdeckel für Haushalte und Wirt­schaft eingezogen.

Man hätte vieles machen können, so aber ist der andere Weg gewählt worden: eine Umverteilung von unten nach oben mit den großen Verlierer:innen, den Verlierer:innengruppen Frauen und Kinder. Also dieses Budget und dieses Gesetz sind alles andere als gerecht. (Beifall bei der SPÖ.)

10.34

Vizepräsident Bernhard Hirczy: Vielen Dank, Frau Bundesrätin.

Ich darf die Gelegenheit nützen, eine Abordnung der Landesberufsschule Fürstenfeld auf der Galerie recht herzlich zu begrüßen. Passend zum aktuellen Schwerpunkt unserer aktuellen Vorsitzführung: Lehrlinge, herzlich willkommen hier im Hohen Haus! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Franz Ebner. – Bitte.